Wolfenbüttel (LiZ). Die im Januar 2010 beschlossene Bergung des Atom-Mülls aus dem vom Einsturz bedrohten "Versuchs-Endlager" Asse II bei Wolfenbüttel wird weiter verzögert. Immer deutlicher wird, daß das Bundes-"Umwelt"-Ministerium bewußte Obstruktion betreibt.
Das vom Einsturz bedrohte "Versuchs-Endlager" Asse II soll geräumt werden. Immer mehr Wasser dringt spätestens seit 1988 aus dem umgebenden Salzstock in die Schachtanlage. Doch bereits der im Jahr 2010 zuständige "rote" Bundes-Atom-Minister, Sigmar Gabriel, verzögerte die kostenintensive Rückholung des Atom-Mülls, obwohl die sich abzeichnende Katastrophe in seinem eigenen Wahlkreis stattfinden kann.
Entsprechend der Beschlußlage sollte eine zugemauerte Einlagerungskammer in 750 Meter Tiefe schon längst angebohrt worden sein, um so wichtige Daten für die unumgängliche Bergung zu gewinnen. Nach offiziellen Angaben lagern 8.500 Fässer mit schwach radioaktiven Abfällen in Kammer 7. Die ExpertInnen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) benötigen die Daten, um so Rückschlüsse auf den Zustand der dort gelagerten Fässer zu gewinnen. Nur so könne eine technisch funktionierende und für die MitarbeiterInnen risikoarme Bergung gewährleistet werden. Doch obwohl Bohr-Anlage, Meß-Container und Kontaminations-Schleusen in Asse II seit langem aufgebaut sind, bleibt Kammer Sieben weiterhin unberührt. An eine Sondierung der als nächstes vorgesehenen Kammer Zwölf sei derzeit noch gar nicht zu denken. Vorgeblich sind hierfür die strengen Genehmigungsauflagen des niedersächsischen "Umwelt"-Ministeriums schuld.
Vom BfS heißt es nun, daß Kammer 7 in diesem Jahr nicht mehr angebohrt werden könne. Laut Aussagen des BfS, das jedoch ebenfalls bei der bisherigen Verzögerung der Bergung eine dubiose Rolle spielte (siehe unseren Artikel vom 27.03.10), sei in den Genehmigungsauflagen vorgeschrieben, daß für den Fall eines Brandes in der Einlagerungskammer Stickstoff vorgehalten werden muß, um diesen löschen zu können. Es hapere aber daran, daß die Anlieferung des Stickstoffs per LkW bislang nicht möglich war, weil kein Unternehmen die Auflagen erfüllen konnte.
Eine weitere Zeitverzögerung ergibt sich nun daraus, daß auf dem Gelände des ehemaligen Bergwerks eigens eine Anlage errichtet werden muß, um den Stickstoff aus der Luft zu gewinnen. Dies muß auf die AnwohnerInnen des betroffenen Landkreises Wolfenbüttel wie ein Schildbürgerstreich wirken. Noch grotesker wird die Situation dadurch, daß für die Errichtung dieser Stickstoff-Fabrik ein eigenes Genehmigungsverfahren eröffnet wurde. Dabei drängt die Zeit. Und völlig offen ist, wann das eindringende Wasser endgültig die Schächte von Asse II flutet. Die Katastrophe wäre dann nicht mehr zu verhindern und die radioaktive Kontaminierung des Grundwasser nur noch eine Frage der Zeit.
32 Auflagen hat das niedersächsische "Umwelt"-Ministerium mittlerweile erteilt. Heike Wiegel von der örtlichen Bürgerinitiative kritisiert, daß diese so streng sind, daß sie kaum erfüllt werden können. Es stelle sich die Frage, ob den verschiedenen Behörden und Ministerien der Sinn dafür abhanden gekommen sei, wie dringlich die Räumung von Asse II sei. Andere vermuten hingegen, daß Partei-PolitikerInnen und Behörden bewußt auf Zeit spielen, um die für die deutsche Atom-Mafia äußert peinliche Rückholung des Atommülls zu vermeiden. Denn damit würde nicht zuletzt die Untauglichkeit des als "Endlager" vorgesehenen Salzstocks Gorleben unübersehbar. Und ohne den darauf bauenden "Nachweis" einer zukünftigen Entsorgung des Atommülls wäre der Betrieb von Atomkraftwerken in Deutschland illegal.
Mittlerweile wurde bekannt, daß in einem Papier des Bundes-"Umwelt"-Ministeriums die Bergung des Atommülls aus Asse II für "nicht machbar" erklärt wurde. Und wie sich insbesondere im Herbst 2010 gezeigt hat, neigt Bundes-"Umwelt"-Minister Norbert Röttgen dazu, dem Drängen der Atom-Mafia in jeder Hinsicht nachzugeben. Dieser wäre ein Verfüllen von Asse II mit Magnesiumchlorid-Lösung die liebste "Lösung". So wächst die Angst der AnwohnerInnen, daß mit Hilfe konstruierter Auflagen Obstruktion betrieben wird, um so die Bergung weiter und weiter zu verzögern.
Auch ein lange geplantes Arbeitstreffen von JuristInnen, bei dem rechtliche Fragen zur Atommüll-Rückholung geklärt werden sollen, wird offenbar vom Bundes-"Umwelt"-Ministerium sabotiert. Seit Wochen heißt es, die Ministeriellen könnten keine geeigneten Termine finden. Der Wolfenbütteler Landrat Jörg Röhmann spricht von einem "herben Rückschlag für unsere gemeinsamen Ziele." Auch andere KommunalpolitikerInnen aus dem Landkreis Wolfenbüttel sind besorgt über die neuen Verzögerungen beim Anbohren der ersten Kammer mit Atommüll im Bergwerk Asse. "Ich bin zutiefst frustriert, daß es immer wieder zu Verzögerungen kommt und es nicht vorangeht," sagte heute die Bürgermeisterin der Samtgemeinde Asse, Regina Bollmeier.
Asse II wurde ab 1965 von der Bundesregierung als Versuchs-Endlager eingerichtet. Es diente nach offiziellen Angaben dem Zweck, die Einlagerung von radioaktivem Müll in Salz zu testen und so letztlich den Beweis für die Tauglichkeit des Salzstocks Gorleben als atomares Endlager zu liefern. Bis 1979 wurde bedenkenlos radioaktiver Müll im "Versuchs-Endlager" versenkt. Im Jahr 2007 wurde publik, daß bereits seit 1988 Wasser in die Stollen von Asse II eindringt. Über Jahre hin war die Tatsache von Seiten des Betreibers geleugnet worden. Bereits 1965 war bekannt, daß die beiden benachbarten Schächte Asse I und Asse III bereits abgesoffen waren. Von dem weniger als zehn Kilometer entfernten Salzbergwerk Hedwigsburg war nach einem Wassereinbruch nur noch ein wassergefüllter Krater übrig geblieben.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Stark erhöhte Radioaktivität
im "Versuchs-Endlager" Asse II (14.04.11)
Drei Monate Denkpause
auch für Gorleben? (30.03.11)
"Versuchs-Endlager" Asse II
Wasserzutritt verdoppelt (15.12.10)
Erhöhte Krebs-Rate
um das "Versuchs-Endlager" Asse II (25.11.10)
Neue wissenschaftliche Studie:
AKW und tote weibliche Embryos (19.11.10)
CDAK interveniert
gegen Wiederwahl Annette Schavans in Parteivorstand
(14.11.10)
In Asse II wird probegebohrt
Weitere Zeitverzögerung vor der Rückholung (27.03.10)
Einsturzgefahr im "Versuchs-Endlager" Asse II
Atommüll wird rückgeholt (15.01.10)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Mit Spezialbeton Hohlräume verfüllt (8.12.09)
Morsleben-Kongreß
Forderung nach Offenlegung einer geheimen Studie
zur Rückholbarkeit des radioaktiven Mülls
(21.11.09)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Decke eingestürzt (9.10.09)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Rückholung des Atommülls laut Bundesamt möglich
(2.10.09)
Verstärkter Laugeneinbruch
im "Versuchs-Endlager" Asse II (18.09.09)
Skandal-Serie Asse II: Noch mehr Plutonium
im "Versuchs-Endlager" (29.08.09)
Skandal-Serie Asse II:
Hochradioaktiver Müll im "Versuchs-Endlager"?
MONITOR veröffentlicht Siemens-Unterlagen (24.07.09)
Skandal-Serie Asse II:
Erneuter Fund radioaktiver Lauge (15.07.09)
Skandal-Serie Asse II:
Nun auch noch Sprengstoff (26.06.09)
Asse II: Strom-Konzerne drückten
die Sicherheits-Standards (3.06.09)
Asse II: Mehr radioaktiver Müll als vermutet
Greenpeace findet Hinweise auf zu niedrige Angaben
in den Inventar-Listen (7.05.09)
Asse II: Einsturzgefahr in Kammer 7 akut
(29.04.09)
Asse II diente auch der Bundeswehr als Atomklo
Endlager-Skandal nimmt immer neue Dimensionen an
(24.04.09)
Asse II: Auch Fässer mit Pestiziden,
Arsen und Blei im "Versuchs-Endlager" Asse II (15.04.09)
Versuchslager Asse II
Wer hat den radioaktiven Müll produziert? (23.02.09)
Lauge aus Atommüll-Lager Asse erneut nach 'Mariaglück'
Dringend nötige Rückholung weiter verzögert (7.02.09)
Einsturzgefahr im Atommüll-Lager Asse
Seit Dezember nicht veröffentlicht (15.01.09)
Asse II: Der Wechsel zum BfS ist nur Pop
Rückholung des radioaktiven Mülls bislang nicht geplant
(5.09.08)
Gefahr durch atomares Versuchslager Asse II
nicht länger geleugnet
Atom-Minister Gabriel: "Zustände in Asse sind unhaltbar"
Wird das Bergwerk geräumt? (2.09.08)
Verdacht auf hochradioaktiven Müll
im Versuchslager Asse II
"Brennstäbe in Blechdosen" (29.07.08)
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