11.09.2019

UmweltschützerInnen veröffentlichen Uran-Atlas
Daten und Fakten zu verdrängten Gefahren

Uran-Atlas - Grafik: BUND - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Berlin (LiZ). Der heute veröffentlichte Uran-Atlas ist ein umfangreiches Faktenbuch, das die Gefahren der Atomenergie von der Uranförderung bis zum problematischen Umgang mit dem Atommüll aufzeigt. Herausgeber sind der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Nuclear Free Future Foundation (NFFF) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS). Eine gleichzeitig veröffentlichte repräsentative Umfrage von Kantar Emnid zeigt zudem, daß über 70 Prozent der Deutschen mit der zögerlichen Realisierung des vor acht Jahren versprochenen Atom-Ausstiegs unzufrieden sind.

Die AutorInnen beklagen, daß die Risiken der Atomenergie heute in Deutschland "kein großes öffentliches Thema" mehr seien. Dies ist fraglos auf die lange Zeit unkritisch hingenommene Propaganda vom "Atom-Ausstieg" zurückzuführen. Zumal auch in den Mainstream-Medien suggestiv mit Sätzen gearbeitet wurde, die zugleich zwei Lügen transportierten - etwa: "In Europa befindet sich Deutschland mit dem Atomausstieg auf einem Sonderweg." Doch auf die Dauer bewirken diese Lügen eher den gegenteiligen als den gewünschten Effekt.

60 Prozent der Deutschen betrachten einen Atom-Ausstieg nach wie vor als wünschenswertes Ziel oder wollen die Zeit bis zu dessen Realisierung verkürzen. "Dies ist eine klare Absage an alle, die doch noch davon träumen, die AKW-Laufzeiten in Deutschland zu verlängern," sagt dazu Thorben Becker, Atom-Experte beim BUND und Mitautor des Atlas. "Der Uran-Atlas zeigt anhand vieler Beispiele, wie berechtigt diese Ablehnung der Bevölkerung ist. Atomenergie ist unverantwortlich vom Anfang bis zum Ende, von Uranabbau bis zum Atommüll."

In Deutschland wurde ein Atom-Ausstieg im Fukushima-Jahr 2011 zwar versprochen, aber längst noch nicht vollständig vollzogen, denn es sind noch sieben Atomkraftwerke in Betrieb. Für diese sieben AKW wurden Stilllegungs-Termine in den Jahren 2019, 2021 und 2022 genannt.

Versprechen Atom-Ausstieg, Stand 2018 - Grafik: NR - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0

Doch die Erfahrungen in Schweden, Spanien und Belgien sowie im Jahr 2010 in Deutschland haben gezeigt, daß das Versprechen eines Atom-Ausstiegs jederzeit gebrochen werden kann.

Bis heute haben in Deutschland sowohl die Urananreicherungs-Anlage in Gronau als auch die Brennelementefabrik Lingen sogar unbefristete Genehmigungen. Die UAA Gronau versorgt weltweit mehr Atomkraftwerke als jemals in Deutschland in Betrieb waren. Und die Brennelementefabrik Lingen beliefert selbst Risse-Reaktoren in Belgien und das AKW Fessenheim, das älteste der französischen Atomkraftwerke.

Thorben Becker ergänzt: "Über 70 Prozent der Deutschen fordern, daß die beiden Atomanlagen in Gronau und Lingen bis Ende 2022 zeitgleich mit den letzten deutschen Atomkraftwerken stillgelegt werden. Bundesumweltministerin Schulze täte gut daran, dieses Anliegen aufzunehmen und eine Initiative für einen vollständigen Atom-Ausstieg Deutschlands zu starten."

Seit der Reaktor-Katastrophe von Fukushima ist die Produktion von Atomstrom weltweit um über zehn Prozent gesunken und der Uranbedarf somit zurückgegangen: Von 68.646 Tonnen vor der Katastrophe auf 56.585 Tonnen im Jahr 2014. Inzwischen sind die Atomstrom-Produktion und die Urannachfrage wieder leicht gestiegen, hauptsächlich wegen neuer Atomkraftwerke in China. Aber statt der propagierten Atom-Renaissance gibt es nur Stagnation. Diese Entwicklungen haben dramatische Auswirkungen auf den Preis von Uran. Dieser liegt seit 2016 unter 30 US-Dollar und macht die meisten Uran-Bergwerke unwirtschaftlich. "Gegenwärtig warten Bergbaukonzerne darauf, daß sich der Uranpreis erholt. Gleichzeitig wehren sich immer mehr Menschen in Afrika, Australien, Nordamerika und Europa erfolgreich gegen Uranbergbau und die Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen. Auch ohne Reaktorunfall bedeutet die Nutzung der Atomenergie ein großes Gesundheitsrisiko. Deshalb muß das Uran in der Erde bleiben," fordert Horst Hamm von der Nuclear Free Future Foundation (NFFF) und Redaktionsleiter des Uran-Atlas.

Atomkraftwerke erzeugen heute in 31 Ländern Strom und haben weltweit einen Anteil von rund zehn Prozent an der kommerziellen Stromproduktion. Der Beitrag der Atomwirtschaft sinkt seit 1996 kontinuierlich, als ihr Anteil am Strommix ein Maximum von 17,5 Prozent erreichte. Während die jährliche Stromproduktion aus erneuerbaren Energien im vergangenen Jahrzehnt enorm zugenommen hat und von 2007 bis 2017 um rund 4000 Terawattstunden (TWh) gestiegen ist, nahm die Produktion von Atomstrom um 110 TWh ab.

"Wirtschaftlich gesehen hat Atomkraft keine Zukunft. Die Betreiber versuchen mit Laufzeitverlängerungen für bestehende Anlagen - wie etwa in Frankreich - zu überleben, was das Katastrophenrisiko deutlich erhöht. Neue AKWs werden oft nur aus militärischen und strategischen Gründen gebaut," betont Tadzio Müller, Referent für Klimagerechtigkeit und Internationale Politik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS).

Hinweise:

  • Im Atlas wird u.a. beschrieben, wer, wo und mit welchen Problemen Uran abbaut und an welchen Orten dies in Zukunft geplant ist.

  • Zur Rolle der Europäischen Union: Die Europäische Union ist immer noch die weltweit größte Uranverbraucherin. Den Artikel hierzu finden Sie auf der Seite 20 des Uranatlas.

  • Risiken des Uranabbaus: 99,9 Prozent des Uranerzes bleiben in den Tailingbecken zurück. Sie sorgen auch nach Schließung einer Mine dafür, daß die Gebiete langfristig radioaktiv kontaminiert sind. Denn im Uranbergbau sind Fein- und Grobstäube voll von strahlenden Partikeln und die Atemluft Radongas belastet – ein Hauptgrund für den Lungenkrebs vieler BergarbeiterInnen. Uran wird unter Tage und im Tagebau gefördert. In beiden Fällen werden Uranminen von großen Rückständen eingerahmt. In ihnen finden sich sämtliche Zerfallsprodukte der Urankette. Die Sanierung von Uranminen scheitert meist an der fehlenden Bereitschaft der AtomnutzerInnen, Geld für das Problem auszugeben. Als internationales Vorzeigeprojekt für die Zeit nach der Urangewinnung gilt die Sanierung der Wismut in Sachsen und Thüringen – aber auch hier gibt es Mängel. Ehemalige Absetzbecken wurden nur abgedeckt und nicht abgedichtet. Ein Teil der Niederschläge sickert nach wie vor durch die feinkörnigen Bergbaurückstände hindurch, so daß giftige Stoffe ins Grundwasser gelangen. Es gibt eine dauerhaft erhöhte radioaktive "Grundstrahlung" in den betroffenen Gebieten Thüringens und Sachsens. Die Artikel hierzu finden Sie auf den Seiten 10 und 28.

  • Uran-Förderung/Länderranking: Historisch betrachtet ist Kanada mit Abstand der weltweit größte Uranförderer: 524.000 Tonnen und damit über ein Sechstel der gesamten Uranproduktion stammen von dort. Danach kommen die USA, gefolgt von Rußland beziehungsweise der Sowjetunion, Kasachstan, der DDR und Australien. Seit 2009 ist Kasachstan das wichtigste Förderland, der Anteil an der weltweiten Uranproduktion lag 2017 bei 39 Prozent. Die Artikel hierzu finden Sie auf den Seiten 12 und 22.

  • Uranvorkommen: Sehr große und noch nicht erschlossene Uranvorkommen werden in Afrika vermutet. Fünf der weltweit zehn größten Uranminen liegen auf dem Land indigener Völker, die anderen fünf in Kasachstan. Die Artikel hierzu finden Sie auf den Seiten 14 und 22.

  • Uranbergbau: Uranbergbau wird von wenigen Akteuren beherrscht: den beiden Staatskonzernen Kazatomprom (Kasachstan) und Rosatom (Rußland) sowie von Cameco (Kanada) und der französischen Orano-Gruppe. Diese vier waren im Jahr 2017 für 63,3 Prozent der weltweiten Uranproduktion verantwortlich. Die Artikel hierzu finden Sie auf der Seite 24.


Uran-Atlas: Daten und Fakten zu den Gefahren der Atomenergie - von der Uranförderung bis zum problematischen Umgang mit dem Atommüll

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Blockade eines Uran-Zugs
      bei Narbonne (15.04.17)

      UAA Gronau blockiert
      Realer Atom-Ausstieg gefordert (11.07.16)

      Protest-Aktion gegen Uran-Transporte
      durch Hamburger Hafen (10.11.14)

      Malvési, Plutonium
      und das Häuschen der Großmutter (9.11.14)

      Das undefinierbare strahlende Objekt
      in Narbonne-Malvési (31.10.14)

      Mehr als 988 Atom-Transporte in 2 Jahren
      Permanente Gefahr einer Katastrophe (13.07.14)

      Hamburg: Katastrophe nur
      knapp abgewendet (16.05.13)