Rechtsextremes Netzwerk
in der deutschen Polizei?
Frankfurt a. M. (LiZ). Das hessische Landeskriminalamt (LKA) ermittelt gegen fünf Frankfurter PolizistInnen, die im Verdacht stehen, einem rechtsextremen geheimen Netzwerk anzugehören. Als Absender eines Fax, mit dem eine Rechtsanwältin bedroht wurde, konnte ein Dienst-Computer in der Frankfurter Polizeiwache 1 ermittelt werden. Dieses Fax war mit "NSU 2.0" unterzeichnet.
Schon Anfang November waren etliche Hinweise auf eine rechtsextremes Netzwerk in Kreisen der deutschen Polizei und des deutschen Militärs aufgetaucht (Siehe hierzu unseren Artikel v. 15.11.18). André S. - alias Hannibal - , ein Soldat des in Calw stationierten berüchtigten Spezialkommandos KSK, steht offenbar im Zentrum eines bundesweit organisierten geheimen Netzwerks, dessen Aufgabe darin besteht, an einem Tag X den rechtsgerichteten Staatstreich durchzuführen. Hierbei sollen Menschen, die auf einer Todesliste verzeichnet sind, ermordet werden.
Die fünf PolizistInnen in Frankfurt a. M. flogen aber anscheinend nicht im Zuge der Ermittlungen um das bundesweit gespannte Netz auf. Dieses ist in die vier Teilbereiche Nord, Ost, West und Süd eingeteilt - entsprechend der geografischen Aufteilung der Wehrbereichsverwaltung. Auch in Österreich und der Schweiz haben sich in den vergangenen Jahren offenbar gleichgesinnte rechtsextreme und geheim agierende Netzwerke organisiert, die den Staatsstreich vorbereiten.
Bereits am 3. August dieses Jahres hatte die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz Anzeige wegen des Fax erstattet, in dem ihr am 2.08.18 gedroht wurde: "Wir schlachten deine Tochter." Ins Visier der Rechtsextremen geriet die Anwältin offenbar, weil sie den salafistischer Prediger und mutmaßlicher ehemaliger Fahrer von Osama bin Laden Sami A. vor Gericht vertreten hatte. Dieser wurde am 13. Juli durch die Behörden der Stadt Bochum aus Deutschland unter provokativen Begleitumständen "offensichtlich rechtswidrig" abgeschoben - wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen feststellte. Und am 15. August bestätigte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die Feststellung der RichterInnen in Gelsenkirchen und stellte klar, daß diese die Stadtverwaltung Bochum zu recht verpflichtet hatte, Sami A. unverzüglich auf ihre Kosten in die Bundesrepublik Deutschland rückzuholen...
Anwältin Basay-Yildiz hatte gegen die Bochumer Behörde im Falle Sami A. ein Zwangsgeld von 10.000 Euro durchgesetzt. Auf diese Summe nahm das Fax vom 2. August offenbar Bezug und drohte mit der Tötung der zweijährigen Tochter "als Vergeltung für 10.000 Euro Zwangsgeld".
Da in dem Fax an Anwältin Basay-Yildiz auch deren geheime private Adresse zu lesen war, wollten die ErmittlungsbeamtInnen wissen, woher dieses polizeiliche Insider-Wissen stammte. Auf diesem Wege kam zutage, daß der Adress-Eintrag im Melderegister von einem Dienst-Computer in der Frankfurter Polizeiwache 1 abgerufen worden war. Ermittelt wird seitdem gegen fünf PolizistInnen. Deren Mobiltelefone und die Festplatten ihrer Computer wurden beschlagnahmt und so fand sich weiteres belastendes Material: Chats, in sie denen Bilder von Hakenkreuzen und von Adolf Hitler sowie rechtsextreme und behindertenfeindliche Inhalte austauschten. Die fünf BeamtInnen - vier Männer und eine Frau - wurden vom Dienst suspendiert.
Anwältin Basay-Yildiz wurde von den Ermittlungsbehörden jedoch laut eigener Aussage nicht informiert und mußte über drei Monate hinweg mit der Angst leben, daß auf ihre zweijährige Tochter und auch sie selbst ein Anschlag vorbreitet wird. Nach ihrer Anzeige im August hatte sie im September, Oktober und November immer wieder nachgefragt, ob es etwas Neues gäbe.
Polizei und Staatsanwaltschaft argumentieren nun, sie hätten mit Informationen zurückhaltend sein müssen, um mögliche Komplizen der fünf verdächtigten PolizistInnen nicht zu warnen. Möglich ist jedoch auch, daß über drei Monate hindurch versucht wurde, den Skandal unter den Teppich zu kehren. Das, was in Frankfurt ans Licht kam, ist offensichtlich nur die "Spitze des Eisberges".
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Neo-Nazi-Netzwerk im Untergrund
plant Staatsstreich (15.11.18)
462 RechtsextremistInnen untergetaucht
Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke warnt (4.06.17)
Kleinstadt Büdingen dreht NPD
den Geld-Hahn ab (2.04.17)
Neo-Nazis gegen Susanne Schaper
Büro 22 Mal beschädigt (9.01.17)
Witz der Woche / Karikatur von Samy
Maaßen hört alles! (13.01.16)
Nazi-Propaganda in der ARD
Jazenjuk: "Vormarsch auf Deutschland" (8.01.15)
Planten Neo-Nazis den Abwurf
einer Bombe per Modellflugzeug? (7.12.13)
Maschinenpistolen und Drogen
bei Neo-Nazis in Thüringen gefunden (29.08.13)
Dresden nazifrei
Über 10.000 bei Groß-Demo (18.02.12)
Neonazi-Terrorbande
"Verfassungsschutz" war detailliert informiert (31.12.11)
Witz der Woche
Was würde wohl die Neonazis härter treffen...
(23.11.11)
Neonazi-Zelle für versuchten
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Viele Hinweise auf Geheimdienst-Verwicklung (20.11.11)
Gewaltfreier Erfolg
gegen Neonazis in Dresden (13.02.10)
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