18.02.2012

Dresden nazifrei
Über 10.000 bei Groß-Demo

Demo Dresden nazifrei, 18.02.2012 Dresden (LiZ). Vor drei Jahren noch versuchten 7.000 Neonazis die Bombardierung Dresdens durch der Alliierten im Februar 1945 für ihre Propaganda zu instrumentalisieren. In diesem Jahr hatten sie ihren geplanten Aufmarsch kurzfristig abgesagt. Dennoch kamen über 10.000 Menschen aus ganz Deutschland, um für ein Dresden frei von Neonazis zu demonstrieren.

Viele der DemonstrantInnen bestätigten mit ihrer Teilnahme nicht nur den antifaschistischen Konsens des Organisations-Bündnisses, in dem sich ein breites politisches Spektrum engagiert hatte, sondern kritisierten zugleich die "sächsischen Verhältnisse": Ermittlungsbehörden und Regierung hatten im Jahr 2010 und besonders 2011 einen enormen Aufwand getrieben, um den Protest gegen die Neonazi-Aufmärsche in Dresden zu kriminalisieren. Sie versuchten, Blockaden wie Straftaten zu sanktionieren, ließen das Büro des Organisations-Bündnisses und angrenzende Räume, etwa den Roten Baum e.V. durch SEK-Einheiten stürmen, verfolgten FahnenträgerInnen mithilfe des Vorwurfs des Schweren Landfriedensbruchs und mindestens vierzig Menschen mithilfe des Paragraphen 129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung). Darüber hinaus betätigten sich die Ermittlungsbehörden im vergangenen Jahr auf kriminelle Weise, indem sie im vergangenen Jahr massenhaft die Verbindungsdaten der Mobiltelefone von DemonstrantInnen mit Hilfe einer Funkzellen-Abfrage registrierten. Dabei wurden rechtswidrig mehr als eine Millionen Verbindungsdaten und 50.000 Bestandsdaten gesammelt. Dieser beispiellose Vorgang löste in ganz Deutschland Proteste nicht zuletzt durch Datenschutz-ExpertInnen aus.

Auf dem Dresdener Schloßplatz versammelten sich rund 2000 Menschen zu einer von Parteien angekündigten Kundgebung. Hier sprach der frühere SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Hans-Jochen Vogel. Dieser ließ allerdings bei seinem Redebeitrag reichlich Spielraum für die Interpretation, er rechtfertige den Bomben-Angriff der Alliierten vom Februar 1945. Daß dies ein sinnloser Terrorakt war, wollte Vogel nicht gelten lassen und argumentierte mit dem Hinweis, nach dem Stauffenberg-Attentat 1944 seien noch mehr als zweieinhalb Millionen deutsche Soldaten gestorben. Die 80-jährige Nora Lang, Überlebende der Bombardierung Dresdens, bezeichnet die Kundgebung als einen "Auftakt für die demokratischen Kräfte, sich vereint für Demokratie und Frieden einzusetzen." Die jahrelange Vereinnahmung des Gedenkens durch Neonazis verurteilte sie scharf: "Das ist nicht in unserem Namen," sagt sie.

Über 10.000 Menschen kamen mit über 100 Bussen und per Bahn zu der Groß-Demo, die durch die Innenstadt zog. Insbesondere viele Gewerkschaftsmitglieder der IG Metall hatten sich nach Dresden auf den Weg gemacht. "Es scheint ein großes Bedürfnis danach zu geben, sich weiterhin in Dresden zu engagieren," sagte die Bündnis-Sprecherin Franziska Radtke. Zwei Drittel der DemonstrantInnen seien von außerhalb gekommen, ergänzte Bündnis-Sprecher Stefan Thiele.

Der kilometerlange Demo-Zug bleib bis auf einige Böller-Würfe weitgehend familienfreundlich. Auch die von der Staatsmacht befürchteten Ausschreitungen beim Vorbeizug an der sächsischen Staatskanzlei, dem Regierungssitz, blieben aus. Lediglich ein paar Farbbeutel flogen gegen die Fassade. Auch Schwarzvermummte mieden heute den Schlagabtausch mit der Polizei und das bunte Spektrum reicht bis zu christlichen Gruppen, die mit dem Aufruf "Nächstenliebe verlangt Klarheit" nach Dresden mobilisiert hatten. Die Polizei hielt sich diesmal erkennbar an ein Deeskalationskonzept und begleitete den Demo-Zug weitgehend unauffällig.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Neue Hinweise auf staatliche Beihilfe
      für Neonazi-Terrorbande (12.02.12)

      Standen staatliche Organe
      hinter der Neonazi-Terrorbande NSU? (30.01.12)

      Neonazi-Terrorbande
      Beate Z. wurde 2007 polizeilich vernommen (29.01.12)

      Neonazi-Terrorbande
      "Verfassungsschutz" war detailliert informiert (31.12.11)

      Weitere Hinweise auf Terror-Beihilfe:
      Kontakt im Jahr 1999 (22.12.11)

      Weitere Hinweise auf Terror-Beihilfe
      durch Staatsorgane (20.12.11)

      Wie kam die Neonazi-Terrorbande
      zu gefälschten Pässen? (18.12.11)

      Neonazi-Terrorbande
      Die Spur führ nach Ludwigshafen (17.12.11)

      Bericht eines US-Geheimdienstes:
      Deutsche Agenten in Mord an Polizistin verwickelt
      (30.11.11)

      Witz der Woche
      Was würde wohl die Neonazis härter treffen...
      (23.11.11)

      Neonazi-Zelle für versuchten
      Terror-Anschlag 1997 verantwortlich?
      Viele Hinweise auf Geheimdienst-Verwicklung (20.11.11)

      Festnahme der Neonazi-Zelle 1999 gestoppt
      Befehl von "oben" (18.11.11)

      V-Mann "Kleiner Adolf"
      war in Kassel bei Mord zugegen (15.11.11)

      Neonazi-Terroristen
      Pässe vom Geheimdienst? (13.11.11)

      Trojaner-Skandal weitet sich aus
      "Big Brother" kann noch mehr (19.10.11)

      0zapftis - CCC analysiert "Bundes-Trojaner"
      Verfassungsignoranz und Dilettantismus (8.10.11)

      Gewaltfreier Erfolg
      gegen Neonazis in Dresden (13.02.10)

      Neonazis dürfen in Dresden marschieren
      Gericht entscheidet für Versammlungsfreiheit (11.02.10)

      Neonazi-Aufmarsch am 13. Februar in Dresden
      Bündnis hält an Blockadeaufruf fest (27.01.10)

      Stasi-Akten offenbaren Nazi-Hintergrund
      des Dutschke-Attentats von 1968 (6.12.09)

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