Berlin (LiZ). Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen Unicef klagt Deutschland wegen der wachsenden Kinderarmut an. Nach einem Unicef-Bericht waren zwischen 2000 und 2010 rund 8,6 Prozent der deutschen Kinder von Armut betroffen. Offenbar verschärften insbesondere die Hartz-Gesetze von "Rot-Grün" die prekäre Situation.
In absoluten Zahlen sind 8,6 Prozent rund 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche. Weit überwiegend leben die betroffenen Kinder in Haushalten, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen müssen. Dieses mittlere Einkommen ist von Stadt zu Stadt verschieden - und dementsprechend liegt die Armutsschwelle für eine vierköpfige Familie etwa in Freiburg derzeit bei 1.564 Euro und in München bei 2.003 Euro.
Von der deutschen Bundesregierung fordert das UN-Kinderhilfswerk laut dem Bericht "verstärkte Anstrengungen", um die "Teilhabechance" der von Armut betroffenen Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Da die Bundesregierungen der vergangenen zehn Jahre - ob "schwarz-gelb" (2009 - 2013), "schwarz-rot" (2005 - 2009) oder "rot-grün" (1998 - 2005) - allerdings insgesamt die Lage der unteren Schichten verschlechterten, ist im Sinne der betroffenen Kinder und Jugendlichen von "verstärkten Anstrengungen" nichts Positives zu erwarten.
Der deutsche Unicef-Vorsitzende Jürgen Heraeus warnt die Parteien-Politik vor der "Gefahr, daß gravierende Probleme eines Teils der Kinder nicht gesehen werden." Kinder aus sozial schwachen Familien gehen öfter ohne Frühstück in die Schule. Sie machen weniger Sport und verbringen mehr Zeit mit TV und Video-Spielen. Sie rauchen häufiger und fühlen sich subjektiv ungesünder als ihre Altersgenossen. "Die Gesundheit der Kinder variiert mit der Familie, in der sie aufwachsen," heißt es im Unicef-Bericht.
Der Bericht stützt sich auf Forschungsergebnisse, wonach Kinder in Deutschland, die nur bei einem Elternteil aufwachsen, am Ende der vierten Klasse in Mathe und Naturwissenschaften etwa ein halbes Lernjahr hinterher hinken. Dies liege allerdings in der Regel nicht nur daran, daß die Kinder bei einer alleinerziehenden Mutter - seltener: einem alleinerziehenden Vater - aufwachsen, sondern daran, daß Alleinerziehende häufig arbeitslos und selbst schon schlecht ausgebildet sind. So werde die Undurchlässigkeit der sozialen Schichtung innerhalb der Gesellschaft zementiert und die vielgepriesene "Chancengleichheit" ad absurdum geführt.
Jahrelange Armut macht Kinder unzufrieden und mindert ihr Selbstwertgefühl sowie ihre Fähigkeit, Probleme zu bewältigen. Auch dies geht aus dem Unicef-Bericht hervor. 17-Jährige, die sieben oder mehr Jahre in relativer Armut aufgewachsen sind, sind weit häufiger unzufrieden mit ihrem Leben als Gleichaltige. "Wenn man Kinder in dieser Situation läßt, dann finden sie keinen Anschluß an die Gesellschaft," warnt der Berliner Soziologe Hans Bertram, der den Unicef-Bericht herausgegeben hat.
Anmerkungen
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