23.09.2010

Merkels Klimapolitik: Nur Bluff
Gebäudesanierung "entschärft"

Der Ast, auf dem wir sitzen Berlin (LiZ). Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte viel Vorschuß-Lorbeeren eingeheimst für ein Programm zur Gebäude- sanierung und Wärmedämmung, mit dem der Häuserbestand Deutschlands bis 2050 nahezu klimaneutral werden sollte. Nun wurde dieses Programm "entschärft".

Innerhalb der kommenden 40 Jahre sollte Deutschland eine "Vorreiterrolle" im Klimaschutz übernehmen: "Nahezu klimaneutral" sollte bis zum Jahr 2050 der Gebäudebestand werden, hieß es im Energiekonzept der Bundesregierung. Daß auch diese Verheißung ebenso wenig ernst zu nehmen war, wie der vor zehn Jahren von "Rot-Grün" verkündete Atom-Ausstieg, zeigt sich jetzt. "Schwarz-Gelb" hat die zentralen Passagen geändert und von den stolz verkündeten Zielen bleibt nichts mehr übrig.

Statt der Sanierung des Bestands soll nun erstmal nur bei Neubauten "Klimaneutralität" zum Standard werden. Doch mit jedem neu errichteten Gebäude steigt der Energiebedarf in Deutschland und damit - allein wegen der für den Bau benötigten Energie - auch die Emission von klimaschädlichen Gasen. Dabei stehen bereits heute durchschnittlich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mehr als 42 Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf in Deutschland zur Verfügung.

Und erst ab 2020 soll ein "Sanierungsfahrplan für Gebäude im Bestand" beginnen, der bis 2050 dazu führen soll, die Kohledioxid-Emissionen aller Gebäude in Deutschland gegenüber heute um 80 Prozent zu reduzieren. Weiter heißt es: "Das Gebot der Wirtschaftlichkeit ist dabei unbedingt zu beachten." Sprich: Auch dieses Ziel wird letztlich wieder zurückgenommen. Denn beim Kriterium der "Wirtschaftlichkeit" bleibt unberücksichtigt, ob sich eine energetische Sanierung innerhalb eines überschaubaren Zeitraums finanziell lohnt, sondern es ist allein entscheidend, ob diese Investition gegenüber anderen Anlageformen konkurrenzfähig ist, also überdurchschnittlichen Profit abwirft. Damit wird die Zielvorgabe, bis 2050 wesentliche Fortschritte beim Klimaschutz zu erreichen, ins Reich der Utopie verschoben.

Doch nach wie vor verkündet Merkel, Ziele "konsequent" durchsetzen zu wollen. So hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag zum Jahrestag des UN-Millennium-Gopfels von 2010 angesichts des gebrochenen Versprechen, die Zahl der weltweit Hungernden bis 2015 zu halbieren, eingeräumt, daß jenes Ziel bis 2015 nicht mehr erreicht werden könne, aber zugleich verkündet: "Dennoch bleiben die Ziele gültig und müssen konsequent durchgesetzt werden." Konkret hatte die deutsche Bundesregierung vollmundig zugesagt, den Anteil der Entwicklungsausgaben am Bruttosozialprodukt auf 0,7 Prozent zu steigern. Bislang werden nur knapp 0,4 Prozent zur Verfügung gestellt.

Flankiert wird das Nichtstun der "schwarz-gelben" Bundesregierung von Horror-Studien im Auftrag interessegeleiteter WissenschaftlerInnen wie denen vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Das IWH veröffentlichte am gestrigen Mittwoch Zahlen, wonach die - nie ernsthaft betriebene - Sanierung des deutschen Gebäudebestandes extrem teuer würde. Für die Studie habe das Wirtschaftsforschungs-Institut rund 157.000 verbrauchsbasierte Energieausweise für Mehrfamilienhäuser ausgewertet. Das vorhersehbare Ergebnis: Um die Klimaneutralität zu erreichen, müßte "in vielen Fällen" mehr investiert werden, als ökonomisch sinnvoll wäre. Eine Binsenweisheit: Denn wäre die Investition in Heizungserneuerungen und Wärmedämmungen nach den Kriterien der kapitalistischen Ökonomie sinnvoll, wären sie längst vorgenommen worden.

So zieht auch der 'spiegel' in einem ansonsten dem neoliberalen Mainstream das Wort redenden Artikel den durchaus korrekten Schluß: Es gibt in diesem Fall nur zwei realistische Lösungen: "Entweder steigen die Mieten - oder die staatliche Förderung muß höher ausfallen." Die irrsinnige Konsequenz der "schwarz-gelben" Koalition lautet daher: Der Abriß "nicht sanierungsfähiger" Gebäude soll gefördert werden. Dabei ist bekannt, daß gerade bei Gebäude aus den Jahren 1958 bis 1978 mit dünnen Außenwänden sich nach einer Sanierung zwischen 20 und 40 Prozent des Energiebedarfs einsparen ließen. Und Gebäude, die vor 1918 errichtet wurden, vielfach denkmalgeschützt sind und zugleich einen höheren Aufwand bei der Sanierung erfordern, werden für einen Abbruch kaum in Betracht gezogen werden.

Da nach Daten des Solarforschungsinstituts Fraunhofer ISE der Energieverbrauch von Gebäuden in Deutschland einen Anteil von 40 Prozent am Endenergieverbrauch hat, wäre es im Sinne einer verantwortungsvollen Klima-Politik eine der vorrangigen Aufgaben, deren energetische Sanierung mit entsprechenden Fördermitteln voranzutreiben. Ansonsten wird Klimaschutz in Deutschland weiterhin nicht mehr sein als eine beliebte Floskel in Sonntagsreden.

Es ist daher an einen Ausspruch des früheren US-Präsidenten Abraham Lincoln zu erinnern: "Du kannst einige Leute für alle Zeit zum Narren halten, du kannst sogar alle Leute einige Zeit zum Narren halten, aber du kannst nicht alle Leute für alle Zeit zum Narren halten."

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

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      mit Klimaschutz-Aussagen vor (7.09.10)

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      Frankreich: Schrägdach-Solaranlage
      mit über 5000 Modulen (23.07.10)

      NRW: Pseudo-Grüne für Kohlekraftwerke
      Position der Linkspartei? (22.07.10)

      "Ein Witz"
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      Greenpeace deckt auf: Deutsche Kohle-Subvention
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      Protestaktion bei Radrennen
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      Stop für Kohlekraftwerks-Projekt Düsseldorf
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      als RWE-Vorzeigestadt geworden? (28.02.10)

      Info-Serie Energiewende
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