Kampala (LiZ). Der Weltklimarat IPCC hat heute in einem neuen Sonderbericht davor gewarnt, daß der ungebremste Treibhauseffekt vermehrt extreme Wetterphänomene mit sich bringen wird. Stürme, Hitzewellen, Dürreperioden und sintflutartige Regenfälle werden an Heftigkeit und Häufigkeit zunehmen. Zugleich ruft der IPCC erneut zu einer drastischen Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen auf.
Die IPCC-WissenschaftlerInnen warnen, daß die Auswirkungen von Extremwetter und Naturkatastrophen in Folge des Klimawandels bisher massiv unterschätzt wurden. Obwohl kaum möglich ist, einzelne lokale Wetter-Eignisse wissenschaftlich eindeutig den Folgen des Treibhauseffekts zuzuordnen, ist ein statistischer Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Zunahme von Extremwetter nachweisbar.
Der IPCC-Sonderbericht unterscheidet zwischen drei Arten von Extrem-Ereignissen: Die Zunahme von Wetterextremen, die Zunahme von Schäden durch Wetterextreme und neuartige Extremereignisse in Folge der Klimaerwärmung. Zu allen drei Typen gibt es jüngste Beispiele.
Zum einen untersuchen die ExpertInnen Wetterextreme, die sich in Folge des Klimawandels verstärken oder in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit verstärken werden. Hierzu zählen Hitzewellen, Dürreperioden und Hochwasserkatastrophen. Demnach lasse sich die Moskauer Rekordhitze im Jahr 2010 mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Treibhauseffekt zurückführen. Die Hitzwelle rund um Moskau übertraf sogar noch den Jahrhundertsommer 2003 in Europa, der zu Tausenden von Toten geführt hatte. Im westlichen Rußland kam es 2010 zu Missernten und riesigen Waldbränden.
Als Zweites nennt der IPCC-Sonderbericht Ereignisse, deren Gefährlichkeit oder Auswirkungen durch Veränderungen unabhängig vom Klimawandel zunehmen: beispielsweise ein erhöhtes Überflutungsrisiko durch verstärkte küstennahe Bebauung. Als besonders verletzlich gelten asiatische Küstenstädte. So erlebt die Hauptstadt Thailands gerade das schlimmste Hochwasser seit über 50 Jahren. Die Folgen für die Millionen-Metropole Bangkok, wo seit Wochen ganze Stadtteile unter Wasser stehen, sind noch gar nicht abschätzbar. Über 13 Millionen ThailänderInnen sind von den Fluten betroffen, mehr als 500 Menschen in Folge des Hochwassers ums Leben gekommen. Es wird bereits überlegt, Bangkok als Hauptstadt Thailands aufzugeben.
Zum Dritten wird die Entstehung neuer Wetterphänomene diskutiert. Diese neuartigen Phänomene und Extremereignisse in Folge des Klimawandels können verheerende Auswirkungen haben. So muß mit Wirbelstürmen in Regionen gerechnet werden, wo sie bisher als unvorstellbar galten. Beispielsweise wütete Anfang November 2011 über Südeuropa ein monströser Tiefdruck-Wirbel, der für sintflutartige Regenfälle in Italien sorgte. Sturzfluten überschwemmten die Straßen in Genua. In den reißenden Flüssen ertranken mindestens 16 Menschen. Meteorologen schließen nicht mehr aus, daß sich durch die Erwärmung des Mittelmeers in Zukunft auch dort Hurrikans oder zumindest hurrikanartige Stürme bilden können.
Die Kräfte der Natur, angeheizt durch den Ausstoß von Treibhausgasen, toben sich in Stürmen, Unwettern und sintflutartigen Regenfällen aus. Daß Hitzewellen als Folge des Treibhauseffekts häufiger werden, muß laut IPCC als "sehr wahrscheinlich" gelten - konkret entspricht dies einer 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit (p=0,9). Eine Zunahme der Häufigkeit von Starkregen-Ereignissen, sei mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent zu erwarten. Laut IPCC-Sonderbericht steht zu befürchten, daß extreme Wetterlagen in so schneller Reihe aufeinander folgen, daß sich die betroffenen Regionen überhaupt nicht mehr davon erholen können. In Pakistan stand 2010 nach katastrophalen Überschwemmungen das halbe Land unter Wasser. Im Sommer 2011 gab es dann wieder riesige Überschwemmungen, die die Ernten vernichteten.
Extremereignisse sind besonders fatal, weil sie erhebliche Schäden verursachen können. Allein ein einziges Ereignis kann zu einem katastrophalen Ausmaß an Schäden führen und alles bisher für möglich gehaltene in den Schatten stellen. Solche bislang extrem seltenen Ereignisse kommen grundsätzlich überraschend. Sie liegen außerhalb des zu erwartenden Ereignishorizontes - außerhalb jeder Erfahrung. Meistens lassen sich nur im Nachhinein Erklärungen für ihr Auftreten finden.
So mußten die ForscherInnen bei der Vorstellung des Sonderberichts im ugandischen Kampala bei der ersten in einer Runde von JournalistInnen gestellten Frage passen. Auf die Frage nach der Ursache der diesjährigen Erdlawinen in Uganda konnte ein IPCC-Experte nur erklären, daß ein Erdrutsch viele verschiedene Ursachen haben kann und daß sich bei einem einzelnen Ereignis kaum je beweisen lassen wird, ob die von Menschen verursachte Klimaerwärmung eine Rolle dabei gespielt hat. Lediglich bei 100 vergleichbaren Fällen kann eine wissenschaftlich fundierte Aussage getroffen werde, daß in soundsoviel Prozent der Fälle der Klimawandel ursächlich war. Das ehemalige Nachrichtenmagazin 'spiegel' griff dieses Dilemma in einem Artikel polemisch auf und schrieb, diese Frage einer ugandischen Journalistin habe den IPCC-Sonderbericht "entlarvt".
Doch auch Deutschland wird die Auswirkungen des Klimawandels spüren bekommen. Und zwar anders als manche JournalistInnen meinen, die etwa schreiben, der Klimawandel käme dem deutschen Weinbau zugute. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft erwartet eine Zunahme von katastrophalen Stürmen in Deutschland. Heftige Stürme, die es früher alle 50 Jahre gegeben hat, werden alle zehn Jahre auftreten und Schäden von bis zu acht Milliarden Euro verursachen. In Zukunft werden sich die Schäden durch Fluß-Überschwemmungen und Sturzfluten in Folge sintflutartiger Regenfälle verdreifachen. Die Winterstürme werden im Westen zunehmen und auch die Schäden durch sommerliche Unwetter - wie etwa Hagel - steigen um bis zu 60 Prozent.
Fatal ist, daß der IPCC weiterhin auf die Einsicht bei PolitikerInnen hofft, die seit Jahrzehnten nur heiße Luft produzieren und zugleich den Interessen der Industrie dienen (siehe hierzu auch das Resümee der Klimagipfel von 1987 bis Dezember 2010 in unserem Artikel v. 12.12.10). In wenigen Tagen beginnt ein neuer Klimagipfel im südafrikanischen Durban. Auch etliche Umweltschutz-Organisationen wie etwa Greenpeace hoffen, endlich könne ein "Durchbruch" erzielt werden.
Während der weltweite Ausstoß an Klimagasen weiter zunahm, bleibt nur die Hoffnung, daß das kapitalistische Wirtschaftssystem gegen den Widerstand der Mächtigen durch ein demokratisches abgelöst werden kann. Die Chance und den nötigen zeitlichen Spielraum kann der weitere Verlauf der Weltwirtschaftskrise mit sich bringen. Ein globaler wirtschaftlicher Zusammenbruch könnte unserem Planeten für eine Übergangsfrist Luft verschaffen und die Gelegenheit für eine grundlegende Wende bieten.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Klima? Kein Problem
für Päpste und Bischöfe (24.10.11)
"Subventionen selbst berechnet"
Zukunft E-Mobilität oder
Umleitung von Milliarden Euro an Steuergeldern?
(16.05.11)
Die Dreckschleudern der Nation
PolitikerInnen und ihre Dienstlimousinen (18.04.11)
BUND protestiert gegen CCS-Gesetz
Bundesregierung schützt
klimaschädliche Kohleverstromung (13.04.11)
Statistisches Bundesamt: Personenverkehr
auf der Schiene wächst
Eisenbahn legt zu, Autoverkehr schrumpft (28.01.11)
Vattenfall:
Ein Fall von Greenwashing (6.01.11)
Vattenfall plant Abbaggerung von Dörfern
Sternmarsch gegen Braunkohle-Abbau (2.01.11)
Nur heiße Luft in Cancún
Keine konkreten Verpflichtungen (12.12.10)
NRW: Pseudo-Grüne für Kohlekraftwerke
Position der Linkspartei? (22.07.10)
"Ein Witz"
Greenpeace kritisiert CCS-Gesetzentwurf (14.07.10)
Greenpeace deckt auf: Deutsche Kohle-Subvention
mit jährlich 13 Milliarden Euro (4.06.10)
Protestaktion bei Radrennen
MIBRAG plant Braunkohlekraftwerk Profen (23.05.10)
Stop für Kohlekraftwerks-Projekt Düsseldorf
(26.04.10)
Welt-Klimagipfel in Kopenhagen:
Profit vor Klima (20.12.09)
Brandenburg: Linkspartei fällt um
Platzeck darf weiter
klimaschädliche Braunkohle verstromen (19.10.09)