6.07.2011

Trotz Lohnerhöhungen:
Inflation bewirkt Minus

ausgepresste Zitrone Berlin (LiZ). Der angebliche Aufschwung geht offenbar auch in diesem Jahr am größten Teil der Bevölkerung vorbei. Erst gestern wurde bekannt, daß die Renten in den vergangenen zehn Jahren real um 7 Prozent gekürzt wurden. Heute nun legt die gewerkschaftsnahe Hans- Böckler-Stiftung eine Studie vor, aus der hervorgeht, daß bei einer Inflationsraten über 2,3 Prozent sich die vereinbarten Tarif-Abschlüsse in ein Minus verkehren werden.

Die durchschnittlichen Erhöhungen bei den Tarif-Abschlüssen würden in diesem Jahr von der Inflation aufgefressen, prognostiziert Reinhard Bispinck, Leiter des WSI-Tarifarchivs der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. "Zwar sind die Lohnerhöhungen in manchen Branchen deutlich höher als im Vorjahr, als die Tariflöhne nur um 1,8 Prozent zugelegt haben," sagte Bispinck. Eine Abkehr von der jahrelangen negativen Lohnentwicklung könne er aber nicht erkennen. "Mit der Entwicklung können wir deshalb noch nicht zufrieden sein," sagte er.

Obwohl er seit 2002 an oberster Stelle die Lohnzurückhaltung der deutschen Gewerkschaften zu verantworten hat, unterstrich DGB-Chef Michael Sommer die desillusionierenden Ergebnissen der von Bispinck vorgestellten Studie. Ähnlich einer wirkungslosen Regenbeschwörungs-Formel fügte Sommer allerdings hinzu: "Der Aufschwung muß endlich bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommen. Sie haben ihn schließlich auch erarbeitet."

Doch statt mit Streiks reale Lohnerhöhungen zu erkämpfen, stimmten die Gewerkschaften häufig Tarif-Abschlüssen mit Laufzeiten von über einem Jahr zu, die höhere prozentuale Steigerungen ausweisen als bei einer Berechnung auf der Basis einer zwölfmonatigen Laufzeit. Der so geweckte Anschein ist tügerisch. Selbst der vielbeachtete Tarif-Abschluß in der chemischen Industrie mit 4,1 Prozent bei einer Laufzeit von 15 Monaten erscheint mit 3,3 Prozent auf der Basis von 12 Monaten gerechnet um einiges dürftiger. Bei kürzeren Laufzeiten hätten die Gewerkschaften hingegen die Chance, je nach Entwicklung der Inflation entsprechende Abschlüsse durchzusetzen.

Werden die diesjährigen Abschlüsse für insgesamt rund 4,5 Millionen Beschäftigten auf das Jahr umgerechnet, liegt der Zuwachs bei nominal 2,3 Prozent. Diese durchschnittliche prozentuale Lohnsteigerung läge gerade auf dem Niveau der Inflationsrate, die mit 2,3 Prozent für dieses Jahr veranschlagt wurde. Allerdings hatte die Inflation diese Marke bereits im Mai durchbrochen - mit steigender Tendenz. Bei Einbeziehung der derzeit laufenden Tarife, die zum Teil noch vor Beginn dieses Jahres abgeschlossen wurden, ergibt sich für insgesamt 12,3 Millionen Beschäftigte auf der Basis von zwölf Monaten sogar lediglich eine Lohnsteigerung von 2,0 Prozent.

Wie kaum anders zu erwarten lobte die Kapitalseite die gewerkschaftliche Lohnzurückhaltung. Die "Arbeitgeber" stufen in ihren Verlautbarungen die Tarif-Abschlüsse für das erste Halbjahr 2011 als "angemessen" ein. Sie seien "ein Beleg für ein verantwortungsvolles Handeln der Tarifpartner", freute sich der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt.

 

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Anmerkungen

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