28.09.2019

Demo gegen "Endlager" in Bure
mit 3000 TeilnehmerInnen in Nancy

Demo gegen Bure, 28.09.19 - Foto: Dieter Kaltenhäuser - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Nancy (LiZ). Zu einer Demonstration gegen das französische "Endlager"-Projekt im lothringischen Bure kamen über 3000 Menschen in die nordostfranzösische Metropole Nancy. Ein martialisches Polizei-Aufgebot rahmte die DemonstrantInnen ein und zeitweise schien es, als wolle die Staatsmacht Gewalt provozieren.

"Vous êtes venus pour rien!" (deutsch: "Ihr seid umsonst gekommen!"), sang eine kleine Gruppe der DemonstrantInnen für die Polizei ein "Ständchen" als der Demo-Zug am Kennedy-Viadukt vorbeizog. Zuvor hatte ein über dem Demo-Zug lärmender Polizei-Helikopter für mindestens 20 Minuten jegliche Kommunikation unmöglich gemacht. Einmal war in einer Nebenstraße eine Hundertschaft schwarz uniformierter PolizistInnen in wildem unformatiertem Rennen zu beobachten - doch ein Grund für deren plötzliche Aufgeregtheit ließ sich nicht feststellen. Insgesamt waren laut offiziellen Angaben 500 PolizistInnen während der Demo im Einsatz. Juliette Geoffroy, Sprecherin der Bürgerinitiativen gegen das "Endlager"-Projekt Bure, bezeichnete dieses Polizei-Aufgebot als "absurd", zeigte sich aber zugleich froh darüber, daß es dennoch nicht gelungen sei, ein Klima der Angst zu erzeugen und daß so viele Menschen an der Demo teilnahmen.

Demo gegen Bure, Plakate, 28.09.19 - Foto: Dieter Kaltenhäuser - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0

Die Präfektur hatte in den vergangenen Tagen in einer öffentlichen Bekanntgabe vor einem großen Risiko von Ausschreitungen im Zusammenhang mit der Demo gewarnt. Außerdem hatte sie den lokalen Handel und Bistros aufgefordert, Auslagen und Tische entlang der Demo-Route zu entfernen und während der Dauer der Demo die Rollläden und Metallgitter herunterzulassen.

Eine ganze Reihe von physikalischen und geologischen Fakten spricht dagegen , daß in einer dünnen Schicht Opalinuston im Untergrund des lothringischen Dorfes Bure ein "Endlager" für hochradioaktiven Atommüll eingerichtet werden könnte, das die Radioaktivität für Millionen Jahre sicher einschließt. Dennoch versucht der französische Präsident Emmanuel Macron im Interesse der Kernkraftkirche, dieses Projekt mit aller Gewalt durchzusetzen - ebenso wie dies auch sein pseudo-sozialistischer Amtsvorgänger François Hollande von 2012 bis 2017 versucht hatte.

Wie im Falle des deutschen "Endlager"-Projekts Gorleben und im Falle des Schweizer "Endlager"-Projekts Benken geht es weniger darum, in fünfzig oder sechzig Jahren tatsächlich ein nationales Loch vorweisen zu können, in das radioaktiver Müll versenkt wird, sondern um eine Legitimationsfrage. Ohne den Nachweis, wo denn der täglich anwachsende Berg an radioaktivem Müll aus Atomkraftwerken und Instandhaltung der Atomwaffen sicher aufbewahrt werden kann, dämmert auch in Frankreich ein Ende des atomaren Zeitalters. Und nach wie vor ist das stärkste Argument der internationalen Anti-Atomkraft-Bewegung ihr Hinweis, daß bis heute weltweit kein sogenanntes Endlager für hochradioaktiven Müll existiert.

In den USA sind entsprechende Projekte mit dem Aus für das "Endlager"-Projekt in Granit im Yucca Mountain in Nevada im Jahr 2009 endgültig gescheitert. Und auch das von der Kernkraftkirche bereits mit Hilfe der Mainstream-Medien als existierendes Endlager propagierte finnische "Endlager"-Projekt Onkalo (siehe unseren Artikel v. 13.11.15), das technologisch mit dem schwedischen "Endlager"-Projekt am AKW-Standort Forsmark übereinstimmt, gilt seit Januar 2018 als gescheitert. Bereits 2009 hatte sich durch wissenschaftliche Untersuchungen an der ETH Zürich erwiesen, daß die bei diesem "Endlager"-Konzept vorgesehene Kupfer-Ummantelung der verbrauchten, radioaktiven Brennstäbe untauglich ist. Das Metall bleibt nicht einmal tausend Jahre dicht.

Unter Führung der 'Nationalen Agentur für die Entsorgung radioaktiver Abfälle! (ANDRa) zielt das offiziell als "Cigéo" bezeichnete "Endlager"-Projekt Bure darauf ab, den hochradioaktiven Atommüll aus 58 Reaktoren von insgesamt 19 französischen Atomkraftwerken von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Das sture Festhalten an einem aus wissenschaftlicher Sicht unsinnigen Projekt ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß seit 20 Jahren kein neuer Atom-Reaktor mehr in Frankreich in Betrieb ging. Und daher hängt das Überleben der französischen Kernkraftkirche an einer Verlängerung des Betriebs der Atomkraftwerke auf 60 Jahre. Daß sie AKW-Laufzeiten von 60 Jahren anstreben, sagen führende Manager des staatseigenen Strom-Konzerns und AKW-Betreibers EdF auch ganz offen.

Über 150 Organisationen, Verbände und Persönlichkeiten forderten kürzlich öffentlich dazu auf, sich gegen das "Endlager"-Projekt Bure aufzulehnen. Aus ihrer Sicht befindet sich das Projekt an einem Wendepunkt, da aktuell entsprechende formelle Genehmigungs- und Nutzungs-Anträge eingereicht wurden. Das Wochenende der Mobilisierung gegen "Endlager"-Projekt Bure soll mit einem Fest und mit Info-Veranstaltungen in den Vororten von Nancy am morgigen Sonntag fortgesetzt werden.

Karte von Bure, Lothringen - Grafik: RN - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      UmweltschützerInnen veröffentlichen Uran-Atlas
      Daten und Fakten zu verdrängten Gefahren (11.09.18)

      Blockade eines Uran-Zugs
      bei Narbonne (15.04.17)

      UAA Gronau blockiert
      Realer Atom-Ausstieg gefordert (11.07.16)

      Protest-Aktion gegen Uran-Transporte
      durch Hamburger Hafen (10.11.14)

      Malvési, Plutonium
      und das Häuschen der Großmutter (9.11.14)

      Das undefinierbare strahlende Objekt
      in Narbonne-Malvési (31.10.14)

      Mehr als 988 Atom-Transporte in 2 Jahren
      Permanente Gefahr einer Katastrophe (13.07.14)

      Hamburg: Katastrophe nur
      knapp abgewendet (16.05.13)