Tokio (LiZ). Nach Angaben der japanischen Regierung wurde an einem Rohr zwischen den Ruinen von Block I und Block II des seit 11. März von einem Super-GAU betroffenen AKW Fukushima Daiichi eine stark erhöhte Strahlung von über zehn Sievert pro Stunde gemessen. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, daß sich eine Kernschmelze in den Untergrund des AKW gefressen hat.
Offenbar hat der Betreiber-Konzern TEPCO die Lage nach wie vor nicht im Griff. Dennoch versucht dieser, das Bild normaler Aufräumarbeiten zu vermitteln, während weiterhin radioaktives Kühlwasser aus den unterirdischen Räumen der Ruinen ins Meer gelangt. Mit zehn Sievert pro Stunde (SV/h), also 10.000 mSv/h, handelt es sich um den höchsten Strahlungswert, der in den vergangenen fünf Monaten seit Beginn der Katastrophe gemessen wurde. Bislang wurden Strahlungswerte von ein bis vier Sievert pro Stunde gemessen. (Siehe auch unseren Artikel vom 4. Juni)
Beim Menschen treten ab einer akuten Bestrahlung von 500 Millisievert schwere Funktionsstörungen auf. Zellen können sich dann nicht mehr teilen oder sterben ab. Das Immunsystem wird geschwächt, das Blutbild verändert sich, der Magen-Darm-Trakt und andere innere Organe werden geschädigt. Bei 1.000 bis 3.000 Millisievert treten Blutungen und Schleimhautgeschwüre auf. Bei 5.000 Millisievert stirbt die Hälfte der Betroffenen, ab 10.000 Millisievert besteht keine Überlebenschance mehr. Wegen der hohen Strahlenbelastung vor Ort kann in immer größeren Zonen auf dem Kraftwerksgelände nur noch mit Hilfe ferngesteuerter Roboter gearbeitet werden.
Immer häufiger werden radioaktiv kontaminierte Nahrungsmittel festgestellt. In der Zeit bis zum Rindfleisch-Skandal (siehe unseren Bericht vom 19. Juli) war nur sporadisch kontrolliert worden. Neben Rindfleisch sind auch Gemüse, Tee, Reis und Meeresfrüchte betroffen. Die Untersuchung von Reisfeldern wurde erst kürzlich beschlossen.
Nach einer ersten Groß-Demonstration am 10. April (siehe unseren Bericht) reißen die Proteste in Japan nicht ab. Am Sonntag gab es eine Demonstration in Fukushima-Stadt, rund 50 Kilometer von der Atom-Ruine entfernt. Große Teile der traditionellen Anti-Atomwaffen-Organisationen in der Tradition von Hiroshima und Nagasaki sprechen sich nun auch für die Stilllegung der japanischen Atomkraftwerke aus.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Verstrahltes Fleisch aus Fukushima
Liefer-Stop für japanische Rinder (19.07.11)
AKW Fukushima Daiichi
Erneute Explosion am 14. Juni? (16.06.11)
Stark erhöhte Radioaktivität
in Fukushima (4.06.11)
Fukushima: Der permanente Super-GAU
TEPCO bestätigt Kernschmelze in 3 Reaktoren (24.05.11)
Explosionsgefahr in Fukushima
Situation weitaus schlimmer als bislang dargestellt
(12.05.11)
Roboter in Reaktor-Ruinen von Fukushima
Hohe Radioaktivitäts-Werte (18.04.11)
Anti-Atom-Demo in Japan
(10.04.11)
Aktuelle Hintergrund-Informationen
zur Reaktor-Katastrophe von Fukushima
US-ExpertInnen befürchten negative Entwicklung
in den kommenden Monaten
Fotos von cryptome.org (6.04.11)
Japanischer AKW-Experte:
Reaktor I vermutlich schon am 11. März leck (29.03.11)
Fragen zur Situation in Japan,
zur Atomenergie und zu Deutschland (25.03.11)
Gesellschaft für Strahlenschutz:
Super-GAU ist längst Realität (23.03.11)
Die Situation in den havarierten japanischen AKW
Stand: Sonntag 16 Uhr (13.03.11)
Notkühlfall in japanischem AKW
Situation in Reaktor Fukushima Daiichi I spitzt sich zu
(11.03.11)
Nach jahrelangem Stillstand
Japanischer Schneller Brüter Monju im Probebetrieb
(7.05.10)
Feuer in japanischem AKW
Ein Arbeiter verletzt (5.03.09)
Brand im weltgrößten AKW
Seit Juli wegen Erdbeben-Schäden
auf unabsehbare Zeit abgeschaltet (20.09.07)
Japanisches AKW durch Erdbeben schwerer beschädigt
als bisher bekannt
Über 50 Prozent mehr Radioaktivität ausgetreten
(18.07.07)
Erdbeben verursachte Unfall in japanischem AKW
Radioaktives Wasser trat aus (16.07.07)
Schweres Erdbeben erinnert an
AKW-Stilllegung vor einem Jahr (26.03.07)
Japan: AKW Shika abgeschaltet
Gericht erkennt auf mangelhafte Erdebebensicherheit
(25.03.06)
11 AKWs in Japan abgeschaltet
Zweiter japanischer Strom-Konzern
muß Konsequenzen ziehen (14.08.04)
Atom-Ausstieg ist möglich
in Japan 17 AKWs abgeschaltet (22.04.03)