3.10.2015

25 Jahre deutsche Einheit
Unrechts-Staat Deutschland

Unrechts-Staat Deutschland - Grafik: Samy
Die DDR war ein Unrechts-Staat, obwohl es dort einige Dinge gab, die noch heute für die BRD als vorbildlich gelten können: Beispielsweise das Gesundheitssystem oder die besseren Möglichkeiten für Frauen, einen Beruf auszuüben. Entscheidend für diese Wertung ist nicht etwa, daß eine Mauer mit tödlicher "Sicherheitszone" die DDR von der BRD trennte, sondern entscheidend ist der Mangel an Meinungsfreiheit und die Zentralisierung der Macht, die von einer winzigen Gruppe von Bürokraten ausgeübt wurde, die faktisch über das Eigentum an den Produktionsmitteln verfügte. Doch das heutige Deutschland ist moralisch noch verkommener als die untergegangene DDR.

Daß die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel nicht bei der DDR-Bevölkerung lag und daß ihr faktischer Besitz zentral von Ost-Berlin aus verwaltet wurde, zeigt deutlich, daß es sich bei der Behauptung, nach 1945 seien die Produktionsmittel in der DDR vergesellschaftet worden, um eine Lüge handelt. Und nach wie vor muß die Vergesellschaftung der Produktionsmittel als unabdingbares Kriterium dafür gelten, ob eine Gesellschaft als sozialistisch bezeichnet werden kann. Klar ist daher auch, daß es auf diesem Planeten in der gesamten Neuzeit noch nirgendwo eine sozialistische Gesellschaft gab.

Doch auch die BRD ist von Beginn an ein Unrechts-Staat. Sie ist von Beginn an in die neokoloniale Unterdrückung der rohstoffreichen Länder der "Dritten Welt" unter der Vorherrschaft der USA eingebunden. Täglich werden allein in Afrika Tausende per Hunger ermordet. Auch wenn im Inneren zeitweilig relativer Wohlstand für breite Massen und relative Meinungsfreiheit gewährt wurde, ändert dies nichts am grundlegend inhumanen Charakter dieses Staates.

Das Grundgesetz, auf das in diesen Tagen erneut verlogene Lobeshymnen gesungen werden, war als Grundrechte-Katalog einmal recht hübsch. Doch die reale Politik der vergangenen 66 Jahre, die sich an der langen Liste der Veränderungen am Grundgesetz ablesen läßt, zeigt uns, daß es denen, die über die Macht in der BRD verfügten, nicht viel wert war.

"Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Dies ist nicht etwa ein Zitat aus dem Programm der Linkspartei, sondern steht noch heute wie ein erratischer Fels im Grundgesetz in Artikel 14. Manche JournalistInnen gewähren einen an Sigmund Freud erinnernden Einblick auf die Schere in ihrem Kopf, wenn sie diese Stelle versehentlich mit "sollte" statt "soll" zitieren.

Schon unter dem ersten Bundeskanzler, Konrad Adenauer, konnten ehemalige NSDAP-Mitglieder in hohe Staatsämter aufsteigen. Fast die gesamte NS-Richterschaft wurde in die BRD übernommen und blieb in Amt und Würden. Kein einziger Nazi-Richter unter dem Vorsitzenden des "Volksgerichtshofs", Roland Freisler, der bei einem alliierten Bomben-Angriff auf Berlin im Februar 1945 starb, mußte sich je verantworten. Auch nicht der Protest einer Bürgerrechts-Bewegung zwischen 1965 und 1968, die später als "die Achtundsechziger" oder "Studentenbewegung" bezeichnet wurde, konnte hieran etwas ändern. Das Bewußtsein vom Unrechts-Charakter des deutschen Staates, der nicht nur den Vietnam-Krieg der USA vorbehaltlos unterstützte, verflüchtigte sich in den darauffolgenden Jahrzehnten.

Ein erster tiefer Einschnitt in der Geschichte der BRD erfolgte bereits Mitte der 50er Jahre. 1954 trat die BRD der NATO bei und 1956 begann die Einrichtung der Bundeswehr. 1950 war Gustav Heinemann, der spätere Bundespräsident, aus Protest gegen die Pläne zur Wiederbewaffnung aus der CDU ausgetreten. Auch in der Bundeswehr fanden viele frühere Nazis Unterschlupf. Die Mehrheit der Deutschen sprach sich damals gegen die Wiederbewaffnung aus - doch dies störte weder die "Demokraten" in der Führung der B"R"D noch die "Demokraten" in der Führung der D"D"R. Und nach und nach wurde das Grundgesetz weiter zerfleddert und umgeschrieben.

Auch gegen die Notstandsgesetze regte sich in der BRD in den frühen 60er Jahren heftiger Widerstand. Lesenswert ist noch heute ein Artikel der damals 26-jährigen Journalistin Ulrike Meinhof mit der Überschrift "Notstand? Notstand!" von 1960. Sie zitiert in diesem Artikel den damaligen Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts Rudolf Katz: "Ich bin mir nicht sicher, ob ein totaler Metallarbeiterstreik von vier Monaten wie ihn die Vereinigten Staaten erst jetzt durchgemacht haben (...) von Deutschland als einem Export- und Industrieland ohne Krisenzustand verdaut werden könnte, ob etwa ein Streik solchen Ausmaßes hier nicht schon einen Zustand der inneren Krise und des inneren Notstands hervorrufen könnte." Das Leben der Ulrike Meinhof hätte mit Sicherheit einen anderen Verlauf genommen, wenn ihr gewaltfreier journalistischer Kampf um Demokratie in der BRD nicht völlig erfolglos geblieben wäre. Heute wird nicht selten argumentiert, die damalige Protestbewegung habe ihren Elan bei einem Kampf gegen Windmühlenflügel vergeudet. Doch welche Gefahr in jenen Notstandsgesetzen schlummert, wird sich vielleicht schon in naher Zukunft bei sozialen Unruhen zeigen.

Willy Brandt, der 1969 als Kanzler-Kandidat mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen war, "mehr Demokratie wagen" zu wollen, erließ zusammen mit den Innenministern der Bundesländer den "Radikalen-Erlaß". Berufsverbote gegen KommunistInnen und alle, die vom "Verfassungsschutz" als solche abgestempelt wurden, verbreiteten in den 1970er-Jahren eine gesellschaftliche Atmosphäre des Duckmäusertums. Hinzu kam die innere Aufrüstung des Staates, für die der Terror von RAF und anderer winziger Gruppierungen wie der "Bewegung 2. Juni", die sich auf den Tod der Berliner Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 bezog, einen Vorwand lieferte. Die "bleierne Zeit" fand im "deutschen Herbst" des Jahres 1977 ihren traurigen Höhepunkt.

Auch die in dieser Zeit entstandene Anti-AKW-Bewegung konnte sich - zumindest nach dem Reaktor-Unfall von Harrisburg 1979 - auf eine Mehrheit in der deutschen Bevölkerung berufen. Dennoch wurden dies- und jenseits des "Eisernen Vorhangs" munter Atomkraftwerke gebaut. Allein dies und der Tod zehntausender Menschen infolge des "Normalbetriebs" von Atomkraftwerken begründet eine Beurteilung beider deutscher Staaten als Unrechts-Staaten. Erst nach der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl 1986 kam der Ausbau der Atomenergie in der BRD zum Erliegen. 1989 ging mit Block 2 des AKW Neckarwestheim der letzte vor 1986 beantragte Reaktor ans Netz.

Als 1989 die DDR wirtschaftlich zusammenbrach - und nicht etwa wie es dem deutschen Michel gerne erzählt wird, in einer friedlichen Revolution niedergerungen wurde - hatte sich das Grundgesetz als wachsweiches Instrument kapitalistischer Herrschaft bewährt. Dabei war das Grundgesetz ursprünglich als Provisorium gedacht, das durch eine demokratisch legitimierte Verfassung nach der "Wiedervereinigung" abgelöst werden sollte. Deshalb heißt es in Artikel 146: "Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist." Aber als der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl den Anschluß der DDR an die BRD im Einvernehmen mit den Großmächten realisieren konnte, wurden alle Versuche, eine demokratische Verfassung für Deutschland zu diskutieren und diese dann zur Abstimmung zu stellen, abgebügelt. Juristisch wurde ein Schleichweg gefunden und die deutsche Einheit als "Beitritt" der "neuen Bundesländer" an die BRD proklamiert.

Oft wird das Bundesverfassungsgericht dafür gelobt, welche Veränderungen des Grundgesetzes zum Schlechteren es habe verhindern können. So sind durchaus das Brokdorf-Urteil, das Urteil zum Großen Lauschangriff, zur Volkszählung oder auch zum Luftsicherheitsgesetzt erwähnenswert. Doch auf der anderen Seite haben die Karlsruher RichterInnen nicht verhindert, daß das in Artikel 10 geschützte Grundrecht, der Schutz des Fernmeldegeheimnisses, soweit ausgehöhlt wurde, daß selbst der ehemalige Verfassungsrichter Jürgen Kühling den Schluß zog: "Das Fernmeldegeheimnis darf man als Totalverlust abschreiben." Und unter kräftiger Mithilfe Oskar Lafontaines wurde 1993 das Asylrecht faktisch abgeschafft. Im Grundgesetz steht unter Artikel 16 dennoch weiterhin: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." Das Bundesverfassungsgericht ließ auch die Löschung dieses Menschenrechts zu, das die "Mütter und Väter" des Grundgesetzes aus der Erfahrung der Flucht vor dem Naziregime bewußt ohne jede Einschränkung formuliert hatten. Und so muß auch heute festgestellt werden: Die geradezu zynische Rechtskonstruktion von den "sicheren Drittstaaten" läßt vom Artikel 16 wenig mehr als eine leere Hülle (Dies schrieb am 27. Mai 1993 Ulrich Rose in einem Kommentar auf Seite 1 der 'Badischen Zeitung').

Auch wenn sich heute eine Bundeskanzlerin Angela Merkel Dank der Mainstream-Medien heuchlerisch als "Mutter der Flüchtlinge" präsentieren kann, ertrinken nach wie vor tausende von Flüchtlingen im Mittelmeer. Die hinter Merkel stehenden Mächtigen in Deutschland tragen wegen der Abschottung der "Festung Europa" einen großen Teil Schuld an diesem Morden. Zugleich spielt Deutschland mit einer auf Ausbeutung und Unterdrückung basierenden Wirtschaftspolitik eine Hauptrolle dabei, daß die "Entwickungsländer" in Afrika und Asien im Elend gehalten werden, um sie als billige Rohstoff-Quellen ausbeuten zu können. Ein weiterer Grund für die Flucht von Menschen aus ihren Heimatländern ist das direkte und indirekte Anheizen militärischer Konflikte in aller Welt.

1999 wurden unter "Rot-Grün" beim Kosovo-Krieg erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten wieder zum Morden eingesetzt. Seit 2001 beteiligte sich Deutschland zudem am Afghanistan-Krieg und an der Besetzung des Landes. Auch der Krieg im Irak und die Besetzung dieses Landes wurden von "Rot-Grün" - entgegen den Beteuerungen des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, die ihm 2002 zu einem zweiten Wahlsieg verhalfen - unterstützt.

Die Ausgaben fürs Militär und die Waffenexporte der deutschen Rüstungs-Konzerne wuchsen von Jahr zu Jahr. 2006 stieg Deutschland gar in der globalen Top Ten der Terror-Staaten auf Platz 3 auf: Die deutschen Rüstungs-Konzerne EADS, Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann, Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW), ThyssenKrupp Marine Systems und Diehl (der Konzern, der angeblich keine Streubomben produziert) sichern sich das drittgrößte Stück des Kuchens, der beim globalen Geschäft mit dem Tod verteilt wird. Daher ist die BRD nicht nur nach innen, sondern auch nach außen ein Unrechts-Staat.

Mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen setzte "Rot-Grün" den einschneidendsten Sozial-Abbau seit den 1970er-Jahren durch. Der Abstand zwischen Arm und Reich verbreitert sich in Deutschland immer mehr. 1990 versprach Bundeskanzler Helmut Kohl einen Aufschwung Ost und "blühende Landschaften" in den neuen Bundesländern. Doch der Osten wird immer mehr abgehängt wie aus den offiziellen Statistiken Jahr für Jahr abzulesen ist

Und warum sowohl der erste Kriegseinsatz Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg als auch der ungebremste Sozial-Abbau ausgerechnet unter einer "rot-grünen" Regierung stattfinden mußte, erklärte recht ungeniert der frühere Chef der Aufsichtsräte von DaimlerChrysler und Deutscher Bank, Hilmar Kopper, im 'Hamburger Abendblatt' am 4. November 1999: "Wenn Sie mich vor anderthalb Jahren gefragt hätten, ob ich mir eine aktive Beteiligung der Bundesregierung auf dem Balkan unter rot-grüner Beteiligung vorstellen könnte, dann hätte ich Sie für nicht recht gescheit gehalten. Genauso aber kam es. Und es konnte nur von der rot-grünen Regierung kommen, sonst hätten wir in diesem Land eine Revolution gehabt. Ähnliches gilt wohl auch für die Veränderung des Sozialstaates. Wahrscheinlich müssen die heiligen Kühe von denen geschlachtet werden, die an ihrer Aufzucht am aktivsten beteiligt waren."

Auch der im Jahr 2000 verkündete "Atom-Ausstieg", der in der Anti-AKW-Bewegung von Beginn an als Bluff angesehen wurde, stellte sich bis zum Jahr 2010 immer deutlicher als solcher heraus: Die Erfolgs-Bilanz der Anti-AKW-Bewegung vor dem Jahr 2000 ist deutlich bessere als in den 10 Jahren danach:

Block A des AKW Gundremmingen mußte 1977 nach einem Totalschaden stillgelegt werden. 1979 wurde das AKW Lingen abgeschaltet. 1988 mußte das AKW Mülheim-Kärlich stillgelegt werden, weil ein Gericht den mangelhaften Schutz gegen Erdbeben festgestellt hatte. 1989 mußte der Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR) in Hamm-Uentrop wegen Milliardenverlusten aufgegeben werden. Ebenfalls 1989 wurde der Bau der von Franz Josef Strauß protegierten "Wiederaufarbeitungsanlage" in Wackersdorf Dank der Stärke der Anti-AKW-Bewegung aufgegeben. 1990 wurden Dank des Umweltministers in der Übergangsregierung Sebastian Pflugbeil mit dem AKW Greifswald und dem AKW Rheinsberg insgesamt 6 Atom-Reaktoren der früheren DDR endgültig heruntergefahren. 1991 mußte der Schnelle Brüter in Kalkar wegen Milliardenverlusten aufgegeben werden. Und 1994 wurde das AKW Würgassen stillgelegt.

Im Zeitraum zwischen 2000 und 2010 wurden lediglich zwei Atomkraftwerke stillgelegt. Das im November 2003 abgeschaltete AKW Stade galt zudem bereits vor der Regierungsübernahme von "Rot-Grün" im Jahr 1998 laut internen Beurteilungen als unwirtschaftlich. Daß die Stilllegung dennoch nicht erfolgte, hatte allein den Grund, daß die Energie-Konzerne damit eine defensive Position im Vorfeld der öffentlichen Diskussion um den Atom-Konsens von 2000 vermeiden konnten. Im Falle des AKW Obrigheim (Baujahr 1968), das entsprechend des veröffentlichten Textes des Atom-Konsens im Oktober 2002 abgeschaltet hätte werden sollen, kam es unter Berufung auf angebliche Geheimabsprachen zu einer Übertragung von neu auf alt und damit zu einer Laufzeitverlängerung bis 2005. Es wurde am 11. Mai 2005 nach knapp 37 Jahren Betriebszeit stillgelegt. Daß sich der katastrophale Unfall am 28. Juni 2007 im AKW Krümmel letztlich als Totalschaden erwies, wurde erst im Sommer 2011 mit dem Beschluß zur Stilllegung von 8 von insgesamt 17 Atom-Reaktoren stillschweigend eingeräumt.

Nach einem "Ausstiegsfahrplan", der vom Bundes-"Umwelt"- Ministerium verbreitet worden war, hätte das AKW Biblis A am 26. Februar 2007 stillgelegt werden müssen. Für das AKW Neckarwestheim I war ein "Ende der Regellaufzeit" am 1. Dezember 2008 vorgesehen, für das AKW Biblis B war der 31. Januar 2009 vermerkt und das AKW Brunsbüttel hätte am 9. Februar 2009 abgeschaltet sein sollen. Nur wer auf die Verbindlichkeit des von "Rot-Grün" mit den Strom-Konzernen vertraglich abgeschlossenen "Atom-Ausstiegs" vertraute, konnte glauben, daß die genannten Termine tatsächlich eingehalten würden.

Der im Jahr 2011 erneut proklamierte Atom-Ausstieg ist ein ebenso unverbindliches Versprechen der Parteien-Politik wie jener, den "Rot-Grün" zehn Jahre davor verkündet hatte. Obwohl im Herbst 2010 von "Schwarz-Gelb" der "Ausstieg aus den Ausstieg" verkündet wurde und auch in anderen europäischen Staaten Versprechen zur Stilllegung von Atom-Reaktoren gebrochen wurden, vertraut heute ein großer Teil der deutschen Bevölkerung darauf, daß der veröffentlichte "Fahrplan" zur Stilllegung der Atomkraftwerke bis 2022 tatsächlich eingehalten wird.

Schon zum 60-jährigen Bestehen der BRD hatte der Deutsche Naturschutzring (DNR) eine beschämende Bilanz der Umwelt-Politik vorgelegt. Darin wird der "Niedergang der deutschen Landschaft" festgestellt. "Ungehemmter Landschaftsverbrauch, agrarische Großstrukturen und rücksichtslose Zerstückelung der Landschaft haben dazu beigetragen, daß in den vergangenen 60 Jahren etwa die Hälfte aller Tiere und Pflanzen in Deutschland auf die Liste der bedrohten Arten gerückt ist", kritisiert DNR-Präsident Hubert Weinzierl und fügt an, daß es deshalb "aus Sicht des Naturschutzes nicht allzu viel zu feiern" gebe.

So hat sich nach Angaben des DNR in 60 Jahren allein das Straßennetz von 350.000 Kilometern auf eine Länge von etwa 700.000 Kilometern verdoppelt. Rechne man die ausgebauten land- und forstwirtschaftlichen Straßen hinzu, so seien es schon weit über eine Million Kilometer. Der Kraftfahrzeugbestand hat in diesen 60 Jahren von 1,5 Millionen auf 54 Millionen zugenommen. Hinzu kommt die gewaltigen Strukturveränderungen in der Landnutzung: Gab es 1949 noch 1,7 Millionen Landwirtschaftsbetriebe, sind davon 2007 nur noch rund 350.000 übrig geblieben, die aber insgesamt mehr Land bewirtschaften. Der Flächenfraß durch Straßenbau und Zersiedelung konnte ebenfalls nicht eingedämmt werden.

Immer mehr Arten sind in Deutschland vom Aussterben bedroht. Doch während heute etwa im "grün-rot" regierten Baden-Württemberg der Ausbau der Windenergie rigoroser sabotiert wird als unter den Ministerpräsidenten Mappus, Oettinger oder Teufel und dafür unter anderem der Schutz des Rotmilans vorgeschoben wird, darf in der Lausitz die vom Aussterben bedrohte Rotbauchunke ohne jeden Schutz durch die Parteien-Politik durch den Braunkohle-Abbau vernichtet werden.

Neben dem Klimawandel und der Zerschneidung und Versiegelung der Landschaft gilt die industrielle Landwirtschaft als einer der Hauptgründe für den Artenschwund in Deutschland. Die intensive Nutzung von Äckern und Grünland, der massive Einsatz von Pestiziden sowie der sofortige Umbruch abgeernteter Felder und die Bodenverdichtung durch schwere Maschinen machen vielen Tierarten das Leben schwer. Geeignete Lebensräume für bestimmte Tierarten sind immer seltener zu finden, da Hecken, Ackerrandstreifen und kleine Gewässer mehr und mehr verschwinden. Neben Amphibien und Reptilien sind auch viele Schmetterlingsarten sowie Säugetiere, wie der Feldhamster, in ihrem Bestand zurückgegangen. 80 Prozent der Schmetterlingsarten in Deutschland sind vom Aussterben bedroht. Fast jede achte heimische Vogelart droht nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes aus Deutschland zu verschwinden, angefangen vom seltenen Kiebitz bis hin zu einstigen "Allerweltsarten" wie dem Feldsperling.

Die DDR war nach dem Vorbild der Sowjetunion von Beginn an auf der Diktatur einer winzigen Gruppe von Bürokraten aufgebaut. Ein Staat, der auf Unrecht aufgebaut ist, muß als Unrechts-Staat bezeichnet werden. Die BRD war nach dem Vorbild der USA von Beginn an ein kapitalistischer Staat. Ein Staat, in dem letztlich der Profit das entscheidende Kriterium ist, das darüber entscheidet, was sich durchsetzt und was untergeht, muß als Unrechts-Staat bezeichnet werden. Mit der "Wiedervereinigung" haben daher zwei Staaten zusammengefunden, die in wesentlichen Kriterien übereinstimmen: Beide waren waren auf menschen- und naturverachtenden Prinzipien aufgebaut. Daß das heutige Deutschland nicht besser ist, darf daher nicht verwundern.

Wie verlogen der Anschluß der DDR an die BRD war, illustriert die seltsame und nicht deutschem Recht entsprechende Behandlung der Enteignungen der Jahre 1945 bis 1949 inklusive der "Bodenreform" in der DDR durch die BRD-Regierung nach 1990. Selbstverständlich soll hier nicht in Abrede gestellt werden, daß der weitaus überwiegende Teil der damaligen Enteignungen als legitim zu bewerten ist. Allerdings waren dabei zugleich stalinistischen Terror-Methoden im Spiel. Klar ist auch, daß der indifferente bürgerliche Begriff vom "Eigentum" eben auch Reichtum mit einschließt. Und Reichtum wiederum hat unweigerlich Macht und Gewalt zur Folge. Unter den größten zwischen 1945 und 1949 in der DDR enteigneten Gütern befanden sich die Besitzungen des Fürsten Stolberg-Wernigerode (22.000 Hektar), des Herzogs von Anhalt (20.000 Hektar), des Grafen Malte zu Putbus und von Schwerin (18.850 Hektar) sowie des Grafen von Arnim (15.800 Hektar). Rund 7000 Großgrundbesitzer verloren durch die "Bodenreform" entschädigungslos 2,5 Millionen Hektar Land.

Einer der beiden Verhandlungsführer beim deutsch-deutschen Einigungsvertrag (abgeschlossen am 31. August 1990) war neben Wolfgang Schäuble der leider heute in die öffentliche Vergessenheit entsorgte Günther Krause. Dieser hatte sich dafür eingesetzt, daß das Agrarland aus der "Bodenreform", soweit es privates Eigentum von DDR-BürgerInnenn - auch etwa durch Vererbung - geworden war, nach 40 Jahren nicht wiederum enteignet würde. Zugleich sprach sich Krause für eine echte und unterschiedslose Entschädigung ein, da aus seiner Sicht das staatliche Vorgehen der Jahre 1945 bis 1949 Unrecht war. Schäuble setzte dagegen durch, daß im Einigungsvertrag das Wort "Entschädigung" durch "Ausgleichsleistungen" ersetzt wurde, so daß die BRD in den folgenden Jahren von immensen Zahlungen verschont blieb. In der Folge wurde 1994 das sogenannte Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) beschlossen, das es der BRD-Regierung erlaubte, sich nahezu vollständig um Entschädigungen zu drücken. Krause sagte hierzu ganz offen vor fünf Jahren gegenüber dem 'stern', daß die Erben dieser jeweils acht Hektar großen Flächen im Nachhinein ihrer Rechte beraubt wurden: "500.000 Menschen im Osten waren betroffen - Nutznießer die Finanzminister der Länder." Ergänzend ist anzumerken, daß die Treuhand-Nachfolgerin BVVG noch heute knapp eine Million Hektar Agrarfläche aus der "Bodenreform" hält.

So war etwa Hildegard Schick aus Beesenstedt in Sachsen-Anhalt 1992 ohne Entschädigung enteignet worden. Schick hatte von ihrer Mutter neuneinhalb Hektar Land geerbt und mit ihrem Mann einen Pferdehof betrieben. Noch zwei Jahre zuvor hatte die Modrow-Regierung sie als Eigentümerin bestätigt. 2004 entschied der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßbourg, daß die entschädigungslose Enteignung Schicks Unrecht war, bestätigte ein Gesetz zur "Bodenreform" aus Modrows Regierungszeit und erklärte das diesem widersprechende Gesetz der BRD für menschenrechtswidrig. Allein in Sachsen-Anhalt konnten daraufhin 18.200 Menschen ihre 1992 enteigneten Grundstücke zurückfordern - insgesamt 26.000 Hektar Grund und Boden.

Und im März 2005 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, daß die entschädigungslose Enteignung der Jahre 1945 bis 1949 nicht durch Entschädigungen der BRD-Regierung zu kompensieren sind. Die Klage von 71 Personen, die Ansprüche früherer Großgrundbesitzer geltend machen wollten, wurde abgewiesen. Wäre das Urteil des Gerichtshofs zugunsten der Kläger ausgefallen, hätte die BRD-Regierung mit Entschädigungs-Zahlungen in Milliardenhöhe rechnen müssen.

Die BRD-Regierung unter Helmut Kohl hatte ihre allein auf finanziellen Erwägungen beruhende Entscheidung, die über 40 Jahre zurückliegenden Enteignungen der "Bodenreform" nicht durch Entschädigungen zu kompensieren, damit bemäntelt, daß sie behauptete, die russische Seite habe bei den Verhandlungen zum 2-plus-4-Vertrag als Vorbedingung für den Anschluß der DDR gefordert, daß die damaligen Enteignungen nicht in Frage gestellt werden dürfen. In den darauf folgenden Jahren bestritten dies übereinstimmend Michail Gorbatschow, der letzte sowjetischen Staats-Chef, und sein damaliger Außenministers Eduard Schewardnadse.

Bemerkenswert ist, daß Verhandlungsführer Günther Krause am 10. Januar und am 28. Oktober 1999 zwei eidesstattliche Erklärungen abgab, in denen er darlegte, daß es keine solche Vorbedingung gegeben hat. In seiner zweiten eidesstattliche Erklärungen schrieb Krause: "Wenn ich erklärt habe, daß mir von einer solchen Bedingung nichts bekannt war, so ist das gleichbedeutend mit der Aussage, daß eine solche Bedingung nicht existierte. Hätte sie existiert, wäre sie im damaligen Kabinett der DDR-Regierung beraten worden, zumindest hätte ich als Verhandlungsführer der DDR-Delegation davon Kenntnis gehabt."

Wie wenig das in bürgerlichen Verfassungen garantierte "Eigentumsrecht" real Wert ist, zeigt die bis heute übliche Enteignung von privaten Besitz an Haus und Boden im Falle des klimazerstörerischen, verbrecherischen Abbaus von Braunkohle in den Gebieten um Garzweiler und in der Lausitz. Ob dabei Entschädigungen gezahlt werden, ist ohne Belang - Menschen werden auch heute in Deutschland gegen ihren Willen aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Asylheime brennen
      in BaWü und MecPomm (20.09.15)

      "Kriegs-und Ausbeutungspolitik"
      Offener Brief von Jürgen Todenhöfer (26.08.15)

      Antirassistische Plakat-Aktion
      in Freital (25.07.15)

      Europa mordet
      Heute: 700 im Mittelmeer
      und Zehntausende in Afrika (19.04.15)

      Europa mordet
      Verhungern in Afrika
      Ertrinken im Mittelmeer (15.04.15)

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      Mediendienst Integration regt zu Diskussion an (5.01.15)

      Aktion gegen Festung Europa
      Mit dem Bolzenschneider zur EU-Mauer (3.11.14)

      NRW: Mißhandlungen von Asylsuchenden
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      Über 60 Flüchtlinge ermordet (3.10.13)

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      Hunger und Kapitalismus
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      vor Gericht (17.05.09)

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      Festung Europa: Mehr als 300 Flüchtlinge
      im Mittelmeer ertrunken (31.03.09)

      Ausbeutung durch die Industrie-Nationen
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      gegen europäische Abschottungs-Politik (28.01.09)

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