Berlin (LiZ). Nachdem seit Wochen die Frage im Raum steht, wie die Neonazi-Terrorbande um Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu brillant gefälschten Pässen kam, tischt der Thüringer "Verfassungsschutz" nun eine unglaubliche Geschichte auf. Im Jahr 2000 will er der Bande mehr als 2000 Mark für die Beschaffung gefälschter Ausweise zur Verfügung gestellt haben.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Z. waren Ende Januar 1998 untergetaucht, nachdem die Polizei in Anwesenheit von Uwe Böhnhardt am 24. Januar 1998 in einer Garage eine Bombenwerkstatt entdeckt hatte. Um in den Jahren 1998 und 1999 unentdeckt zu bleiben und erfolgreich Banküberfälle begehen zu können, wären gefälschte Ausweise sicherlich sehr nützlich gewesen. Am 13.11. dieses Jahres war bekannt geworden (siehe unseren Artikel), daß die Polizei Ausweise von Böhnhardt und Mundlos sicherstellte, die von solch hervorragender Qualität waren, daß sie dem Vernehmen nach nur im Auftrag eines Geheimdienstes gefälscht worden sein konnten. Eine ganze Reihe weiterer Indizien (siehe unseren Artikel vom 20.11.11) deutet darauf hin, daß die Neonazi-Terrorbande gezielt aufgebaut wurde und daß die Mord-Serie nicht ohne die Kenntnis von Geheimdienst-Kräften oder gar in deren Regie stattfand.
Nun wird über die Mainstream-Medien die Meldung verbreitet, ein Mitarbeiter des "Verfassungsschutzes" habe bei einer Sitzung der geheim tagenden Kontrollkommission des Thüringer Landtages am 6. Dezember ausgesagt, im Jahr 2000 seien mehr als 2000 Mark für gefälschte Pässe an die Neonazi-Terrorbande geflossen. Der "Verfassungsschutz" habe auf diesem Wege herausfinden wollen, wo sich die Untergetauchten aufhalten. Zu diesem Zweck seien dem Neonazi Tino Brandt 2000 Mark übergeben worden. Bekanntlich arbeitete Tino Brandt unter dem Decknamen "Otto" als V-Mann für die Behörde. Interessant wäre, zu erfahren, ob der angebliche 2000-Mark-Fluß noch vor oder bereits nach der Demission des Präsidenten des Thüringer "Verfassungsschutzes", Helmut Roewer, vonstatten gegangen sein soll. Tatsache ist, daß Roewer den Chef der Neonazi-Organisation "Thüringer Heimatschutz", Tino Brandt, als V-Mann im Mai 2000 abgeschaltet hatte, nachdem dessen geheimdienstliche Tätigkeit in Neonazi-Kreisen aufgeflogen war.
Tino Brand alias "Otto" soll das Geld an einen Mittelsmann weitergeleitet haben. Nach Aussage des "Verfassungsschutz"-Mitarbeiters vor der Kontrollkommission des Thüringer Landtages am 6. Dezember scheiterte jedoch der Plan, den Aufenthaltsort der Neonazi-Terrorbande aufzudecken. Zwar habe sich die Bande tatsächlich neue Pässe beschafft, aber der Thüringer "Verfassungsschutz" habe vergessen, die Meldeämter in Sachsen einzuweihen und so habe die Bande nicht entdeckt werden können.
Diese Geschichte wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. So ist kaum nachvollziehbar, warum erfolgreiche Bankräuber Geld nötig gehabt haben sollen, um sich gefälschte Ausweise zu besorgen. Es erhebt sich die Frage, wie die Bande zwei Jahre lang ohne gefälschte Ausweise unentdeckt bleiben konnte. Und es bleibt die Frage offen, woher die Ausweise stammten, die offenbar von außergewöhnlich professionellen Fälschern gefertigt wurden. Und überdies: Warum sollte der "Verfassungsschutz" falsche Ausweise bezahlen, anstatt sie selbst zur Verfügung zu stellen - selbstverständlich ohne der Bande deren Herkunft zu offenbaren.
Noch brisanter wird die Aussage des "Verfassungsschutz"-Mitarbeiters vom 6. Dezember durch dessen Hinweis, seine Behörde habe aus abgehörten Telefonaten vom dringlichen Wunsch der Bande nach gefälschten Pässen erfahren. Hier erhebt sich selbstverständlich sofort die Frage, wie es möglich sein soll, daß die Telefonate abgehört, zugleich aber der Aufenthaltsort nicht festgestellt wurde.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Neonazi-Terrorbande
Die Spur führt nach Ludwigshafen (17.12.11)
Bericht eines US-Geheimdienstes:
Deutsche Agenten in Mord an Polizistin verwickelt
(30.11.11)
Witz der Woche
Was würde wohl die Neonazis härter treffen...
(23.11.11)
Neonazi-Zelle für versuchten
Terror-Anschlag 1997 verantwortlich?
Viele Hinweise auf Geheimdienst-Verwicklung
(20.11.11)
Festnahme der Neonazi-Zelle 1999 gestoppt
Befehl von "oben" (18.11.11)
V-Mann "Kleiner Adolf"
war in Kassel bei Mord zugegen (15.11.11)
Neonazi-Terroristen
Pässe vom Geheimdienst? (13.11.11)
Trojaner-Skandal weitet sich aus
"Big Brother" kann noch mehr (19.10.11)
0zapftis - CCC analysiert "Bundes-Trojaner"
Verfassungsignoranz und Dilettantismus (8.10.11)
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