Currywurst als Zucker-Bombe
'Öko-Test' entlarvt Nahrungsmittel-Branche
Frankfurt a. M. (LiZ). 'Öko-Test' deckt Zucker-Tricks in Fertigprodukten auf. Zucker macht auch fade Nahrungsmittel geschmacklich attraktiv und ist ein billiger Zusatzstoff für die Nahrungsmittel-Industrie.
Auch herzhafte Fertigprodukte können unerwartet viel Zucker enthalten. Vermutlich kommen nur Wenige auf die Idee, in einen Heringssalat Zucker zu kippen oder bei der Herstellung von Currywurst Zucker in die Pelle zu füllen. 'Öko-Test' hat 34 Lebensmittel auf ihren Zuckergehalt untersucht und die Täuschungs-Tricks der Produzenten entlarvt.
Unter Gesundheits-ExpertInnen gilt Zucker als potentiell gefährlicher Bestandteil in Nahrungsmitteln, der diverse Zivilisationskrankheiten begünstigt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat kürzlich die empfohlene Tagesdosis Zucker für Erwachsene halbiert. Statt 50 Gramm empfiehlt die WHO nur noch 25 Gramm. Das entspricht rund acht Stück Würfelzucker. Die EU ist um einiges laxer und toleriert 90 Gramm als sogenannte Referenzmenge.
Eine "Curry King Echte Meica Currywurst" schafft es alleine auf fast 100 Prozent der WHO-Empfehlung. In einer Flasche Müller "Frucht Buttermilch Multi-Vitamin" sind sogar sage und schreibe 59,5 Gramm Zucker enthalten. REWE wirbt für seinen "REWE Beste Wahl Typ Cappuccino" mit der Aufschrift "ohne Zuckerzusatz", obwohl das Pulver fast zur Hälfte aus zuckrigen Zutaten besteht. Die Cornflakes-Anbieter im Test rechnen die Zucker-Gehalte mit 30-Gramm-Portionen klein. Denn so landet Zucker in der Zutatenliste hinten und das Produkt macht einen gesunden Eindruck. Es entspricht den gesetzlichen Vorschriften, daß die Zutaten mengenmäßig sortiert in absteigender Reihenfolge deklariert werden müssen. Allerdings verwenden viele Hersteller nicht einfach "Zucker". Sie süßen zwar, was das Zeug hält, aber mit Glukose-Fruktose-Sirup, Invertzuckersirup, Dextrose und Süßmolkenpulver. Und so landet "Zucker" nicht auf Platz 1, sondern beispielsweise auf Platz 3, 5, 9 und 10 der Zutatenliste.
Doch dies ist nur einer von einer ganzen Reihe Tricks, mit denen Nahrungsmittel-Produzenten die VerbraucherInnen täuschen.
Trick Nummer 2: "nur natürliche Süße" mit Fruchtsüße, Konzentraten & Co. "Natürlich" klingt gesund und verkauft sich daher gut. Allerdings handelt es sich in vielen Fällen nicht um die natürliche Süße aus Milch, Gemüse oder Obst, sondern um hoch konzentrierte, getrocknete, teils mehrfach verarbeitete Pulver, die nur noch einen einzigen Zweck haben: zu süßen. "Fruchtsüße" ist so ein Beispiel - klingt gesund, ist aber nichts anderes als ein Gemisch aus Fruktose und Glukose, das ernährungsphysiologisch dem Haushaltszucker weitgehend gleichzusetzen ist. Denn auch der ist chemisch gesehen ein Disaccharid, ein Zweifachzucker, der aus den Monosacchariden Glukose und Fruktose besteht. "Konzentrate" sind ein weiteres Beispiel. Hier spielen die Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe, die frisches Obst neben dem Zucker liefert, keine Rolle mehr. Auch wenn sich das Gerücht hartnäckig hält, Fruchtzucker sei dem herkömmlichen vorzuziehen: "Bestimmte Zuckerarten sind nicht gesünder oder besser als andere," bestätigt auch Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Die meisten süßenden Zutaten im Test setzt der Nahrungsmittel-Konzern Dr. Oetker ein: In der "Dr. Oetker Pizza Tradizionale Speciale" stecken mit Dextrose, Laktose, Zucker, Maltodextrin, Gerstenmalzextrakt, Magermilchpulver und Karamell sage und schreibe sieben verschiedene. Immerhin teile der Konzern 'Öko-Test' mit, daß die Rezeptur umgehend geändert worden sei.
Trick Nummer 3: Maltodextrin... Sobald Zucker auf der Zutatenliste steht, erkennt der Verbraucher das. Steht Sirup darauf, ist die Sache auch noch klar. So einfach ist es aber oft nicht. Viele Hersteller setzen Süße ein, die sich hinter Begriffen wie Maltodextrin, Oligofruktose oder Dextrose verbirgt. Wer also auf Zucker verzichten will, muß jede Menge Vokabeln lernen.
Trick Nummer 4: "weniger Fett" und "weniger süß". Fett und Zucker sind Geschmacksträger. Wenn also von dem einen weniger drin ist, schütten die Produzenten von dem anderen mehr rein, um den Geschmack aufzupeppen. Deswegen heißt "weniger Fett" oft "mehr Zucker". Und "weniger süß" heißt noch lange nicht "wenig süß". Lebensmittelrechtlich bedeutet diese Bezeichnung nichts anderes als "30 Prozent weniger süß" als ein Vergleichslebensmittel. "Weniger süß" kann also trotzdem heißen, daß das Produkt zu mehr als der Hälfte aus Zucker besteht.
Trick Nummer 5: Portionsgrößen. Die Gehalte an Fett, Zucker oder Salz können mit Hilfe kleiner Portionsgrößen ganz einfach kleingerechnet werden. Denn die Referenzmenge für einen durchschnittlichen Erwachsenen bezieht sich auf eine Portion des Lebensmittels - und je kleiner ein Hersteller diese bemißt, desto geringer wirkt der Anteil des Lebensmittels an der täglichen Gesamtmenge an Zucker. Eine halbe Pizza ist ein beliebtes Beispiel, um Fett- und Salzgehalte mal schnell optisch zu halbieren. Noch dreister ist es, die "Referenzmenge für einen durchschnittlichen Erwachsenen" auf einem Lebensmittel für Kinder abzudrucken - auch das ist ein gängiger Trick. Für Zucker ist die von der EU festgelegte Referenzmenge ohnehin hoch: Sie beträgt 90 Gramm - das sind rund 30 Stück Würfelzucker. Allerdings handelt es sich hierbei um den Gesamtzucker.
Auch Joghurt mit Getreideflocken ist nicht unbedingt gesund. So enthält etwa ein Becher "Danone Activia Cerealien" 13 Gramm Zucker. Ebenso ist in Ketchup häufig viel Zucker "versteckt": Eine 30-Gramm-Portion "Gut & Günstig Curry Gewürz Ketchup" entspricht vier Stück Würfelzucker. Auf die ganze Flasche hochgerechnet sind es 110 Stück. Und laut Analyse von 'Öko-Test' enthalten die "Schwedenhappen" von Lysell mehr Zucker als Salz - rund sechs Gramm in einer 75-Gramm-Portion.
Über den enorm hohen Zuckergehalt von Nuß-Nougat-Cremes berichteten wir im März.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Zucker-Bomben mit Krebs-Gift
Nuß-Nougat-Cremes im Test (23.03.16)
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