Brüssel (LiZ). Thunfisch ist bereits heute so stark mit dem Nervengift Quecksilber belastet, daß bei Einhaltung des geltenden Grenzwerts rund 50 Prozent der Fänge nicht verkauft werden dürften. Nun beabsichtigt die EU-Kommission eine Anhebung des Grenzwerts von einem auf zwei Milligramm Quecksilber pro Kilogramm Fisch.
Damit würde der Fischerei-Industrie gestattet, in Zukunft 85,5 Prozent der Thunfisch-Fänge zu vermarkten. Laut Informationen der VerbraucherInnen-Organisation foodwatch soll die Entscheidung über die Anhebung des Grenzwerts bereits am 21. September mit einer ExpertInnen-Kommission beraten werden. Die EU-Kommission will den VerbraucherInnen so eine deutlich höhere Dosis des Nervengifts zumuten.
foodwatch fordert die EU-Kommission auf, von einer Lockerung der Grenzwerte abzusehen. Dazu startete foodwatch heute unter www.quecksilber-aktion.foodwatch.de eine Unterschriften-Aktion. Die EU-BürokratInnen stellen sich mit ihren Plänen an die Seite des deutschen Wirtschaftsministers und Vize-Kanzlers Sigmar Gabriel, der die Klimazerstörung und Umweltverschmutzung der großen Strom-Konzerne mit ihren Stein und Braunkohle-Kraftwerken deckt. Die deutschen Kohle-Kraftwerke stoßen jährlich mehr als sechs Tonnen Quecksilber aus. Allein das deutsche Braunkohle-Kraftwerk Neurath bläst jährlich über 500 Kilogramm giftiges Quecksilber und Quecksilberverbindungen in die Umwelt (Siehe unseren Artikel v. 22.07.14).
So sind nicht nur Meeresfische einer immer stärkeren Quecksilber-Vergiftung ausgesetzt - selbst in Österreich sind Forellen, Karpfen und Saiblinge stark mit Quecksilber belastet (Siehe unseren Artikel v. 7.10.14). In Süßwasser-Fischen aus Elbe, Rhein und Donau sind die Quecksilber-Grenzwerte dauerhaft und flächendeckend überschritten. Doch die "Umwelt"- und Atom-Ministerin Barbara Hendricks assistiert ihrem "roten" Partei-Chef und verkündet auf der Internet-Seite ihres Ministeriums, daß im Hinblick auf die Quecksilber-Grenzwerte eine "gesundheitliche Gefährdung der Allgemeinbevölkerung" nicht zu erwarten sei.
"Risiken und Nebenwirkungen verfehlter Industrie- und Umweltpolitik werden mit voller Wucht an Schwangere und Kleinkinder weitergereicht," erklärte Matthias Wolfschmidt von foodwatch heute (Mittwoch) in Berlin. Er wies zudem darauf hin, daß der Quecksilber-Grenzwert für hochbelastete Raubfische wie Thunfisch und Arten wie Schwert-, und Haifisch schon heute deutlich höher als bei anderen Lebensmitteln liegt. In den Körpern sich räuberisch ernährender Arten am Ende der Nahrungskette reichert sich Quecksilber an. "Quecksilber ist ein für den Menschen hochgiftiges Schwermetall. Es wird etwa von Kohlekraftwerken in die Luft oder als Bestandteil von Agro-Chemikalien in Böden und Gewässer freigesetzt. Im Meer wird daraus das 100-fach giftigere Methyl-Quecksilber, welches von Fischen aufgenommen wird. Die Verschmutzung der Weltmeere mit dem Nervengift birgt ein gravierendes gesundheitliches Risiko," so Wolfschmidt.
Seit langem ist bekannt, daß Quecksilber selbst in geringen Dosen Entwicklungsstörungen des Fötus und bei Erwachsenen eine Reihe von Nervenstörungen zur Folge haben kann. Dennoch orientiert sich die Höhe der Quecksilber-Grenzwerte an Profit-Interessen und damit an der tatsächlichen Belastung der Fische: Trotz der hohen Quecksilber-Meßwerte soll ausreichend Fisch für den Markt zugelassen werden. Dem Arbeitspapier der Kommission zufolge soll nun einerseits der Quecksilber-Grenzwert bei Raubfischen von einem auf zwei Milligramm pro Kilogramm Fisch verdoppelt werden. Im Gegenzug plant die EU-Kommission eine Verschärfung der Grenzwerte bei anderen Fisch-Arten von derzeit 0,5 auf 0,1 Milligramm pro Kilogramm Fisch.
foodwatch wertet diesen "Trick" jedoch als Manöver, mit dem die Öffentlichkeit getäuscht werden solle. Denn die Quecksilber-Belastung der kleineren, nicht-räuberischen Fische liegt in aller Regel unter 0,1 Milligramm pro Kilogramm Fisch. Hier würde der geplante Grenzwert also nicht zu einer niedrigeren Belastung der KonsumentInnen führen. Unterm Strich würde daher die Quecksilber-Aufnahme der VerbraucherInnen steigen. Wolfschmidt bezeichnet daher das Vorhaben der EU-Kommission als "perfides Ablenkungsmanöver, das allein der Wirtschaft hilft." Die EU-Kommission solle statt dessen Maßnahmen ergreifen, um den Einsatz von schwermetallhaltigen "Pflanzenschutz"-Mitteln schnellstmöglich zu verbieten und den Quecksilber-Ausstoß durch die Verbrennung von Kohle zur Energiegewinnung auf Null zu bringen. Dies könnte zugleich die durch Subventionen künstlich billig gehaltene Konkurrenz des Kohle-Stroms gegen die erneuerbaren Energien aus dem Markt verbannen und so die Sabotage an der Energie-Wende beenden.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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Apollofalter
the scream of the butterfly (19.05.03)