Rhode Island (LiZ). Nicht nur die Ostsee ist am Sterben. Auch das Leben im Mittelmeer ist massiv bedroht. WissenschaftlerInnen des 'Census of Marine Life' (CML) zeigen in einem aktuellen Beitrag für die Zeitschrift 'PloS ONE' auf, daß das Mittelmeer stärker noch als andere Meere gefährdet ist. Es ist die bislang umfangreichste Analyse über die Bedrohung der Artenvielfalt in den Weltmeeren.
"Stärker als alle anderen Meere leidet das Mittelmeer an Lebensraumverlust, Überfischung, Umweltverschmutzung und invasiven Arten", erklärte Ron O'Dor, US-Koordinator des CML. Im Mittelmeer besteht mit 16.845 erfaßten Arten noch eine vergleichsweise hohe Artenvielfalt. Noch ist beispielsweise der Blaufossen-Thunfisch nicht ausgerottet. (Siehe hierzu unseren Bericht v. 10.06.10) Die ursprüngliche Artenvielfalt ist nicht allein ein kostbares Naturerbe, das es - ähnlich wie das kulturelle Erbe - zu schützen gilt, auch das Überleben der Menschheit ist an den Fortbestand der globalen Ökosysteme gekettet. Große Teile der Erde sind bislang weniger erforscht als der Mond. ForscherInnen schätzen, daß rund 75 Prozent der Tiefseearten noch immer unbekannt sind. Sie befürchten, daß viele Lebewesen noch vor ihrer Entdeckung ausgerottet werden.
Düster bewerten die WissenschaftlerInnen die derzeitige Situation insbesondere im Mittelmeer, in dem viele Probleme zugleich zu beobachten sind. Neben bekannten Gefahren wie dem unlängst von BP verkündeten Start neuer Offshore-Ölbohrungen vor der libyschen Küste (siehe hierzu unseren Bericht v. 22.07.10) sind auch weniger bekannte Gefahren sehr bedrohlich. Akut ist etwa die Gefahr der invasiver Arten - sogenannter Nezooen - , die einheimischen Tieren und Pflanzen den Lebensraum nehmen. "637 Arten oder vier Prozent aller Lebewesen im Mittelmeer sind Invasoren. Das ist mehr als dreimal soviel als im europäischen Atlantik, in dem es die zweitmeisten invasiven Arten gibt", erklärt Ron O'Dor. Besonders Mollusken, Krustentiere und Fische werden mit Tankern etwa über den Suez-Kanal eingeschleppt und bringen bestehende Ökosysteme aus dem Gleichgewicht.
Die Fischerei der mit Hilfe von EU-Subventionen überdimensionierten Fangflotten ist längst nicht mehr nachhaltig. Selbst der Mittelmeer-Delphin ist mittlerweile von der Ausrottung bedroht, da ihm die Nahrungsgrundlage entzogen wird. In puncto Umweltverschmutzung nimmt das Mittelmeer innerhalb der 25 untersuchten Meere einen unrühmlichen dritten Platz hinter dem Chinesischen Meer und dem Golf von Mexiko ein. Ursächlich ist hierfür vor allem die dichte Besiedlung der Anrainerküsten sowie die 200 Millionen TouristInnen, die pro Jahr ans Mittelmeer kommen. Pestizide und Ausschwemmungen der chemischen Düngemittel aus der Landwirtschaft sowie industrielle Chemieabfälle sind ein weiteres Problem. Sie schädigen die Wasserqualität, zerstören Ökosysteme wie Seegraswiesen und Korallenriffe und führen in manchen Regionen wie etwa der Adria zu Sauerstoffmangel sowie zur giftigen Algenblüte.
Den größten Schaden jedoch richtet nach Ansicht der ForscherInnen die Überfischung im Mittelmeer an.Das bekannteste Beispiel dafür ist der atlantische Blauflossen-Thunfisch, der im Mittelmeer laicht. Nachdem dieser Raubfisch in Europa beinahe ausgerottet ist, breiten sich etwa Quallen explosionsartig aus und schädigen damit bestehende Nahrungsketten, aber auch den Tourismus.
Die Gefahren wachsen zudem mit dem ungebremsten Klimawandel, der nicht nur steigende Wassertemperaturen, sondern zugleich eine zunehmende Versuerung des Wassers der Weltmeere mit sich bringt. Tiere und Pflanzen, die kalte und tiefe Wasserschichten bevorzugen, hindert die natürliche Begrenzung des Mittelmeers, weiter nach Norden auszuweichen. "Das kann tödlich enden", so O'Dor.
Die WissenschaftlerInnen mahnen drastische Anstrengungen im Artenschutz an. Diese sind jedoch von der Parteienpolitik nicht zu erwarten, wie einmal mehr der unrühmliche Verlauf der Artenschutz-Konferenz in Doha im März dieses Jahres offengelegt hat. (Siehe hierzu unseren Bericht v. 18.03.10) Eine Wende kann nur durch ein verstärktes persönliches Engagement der BürgerInnen erreicht werden.
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Anmerkungen
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