Stuttgart (LiZ).
Die ARD-Reportage "Das System Wiesenhof", die gestern abend um 21:45 Uhr ausgestrahlt wurde, sorgt für Zündstoff. Von Tier- quälerei, Umweltverschmutzung und Billiglöhnen ist die Rede. Der Geflügel-Konzern aus Rechterfeld im niedersächsischen Kreis Vechta hatte vergeblich versucht, die Sendung zu verhindern. Ist die dokumentierte Tierquälerei System oder handelt es sich nur um "bedauerliche Einzelfälle"?
Der Geflügel-Konzern Wiesenhof hatte versucht, die Ausstrahlung der Reportage zu verhindern, Programm- beschwerde eingelegt und eine außerordentliche Sitzung des Rundfunkrates verlangt. Der SWR sendete den Beitrag aber am gestrigen Mittwoch abend wie geplant um 21:45 Uhr. Bemerkenswert, daß ein kritischer Beitrag einmal ausnahmsweise nicht auf einen Sendetermin gegen Mitternacht platziert wurde.
Gezeigt werden Film-Aufnahmen, die belegen, daß Tiere brutal getreten und teilweise schwer verletzt werden. Bernd Averbeck vom Naturschutzbund (NABU) in Lohne erachtet die Aufnahmen als authentisch. Das sei nichts Neues und schließlich aus der Massentierhaltung bekannt. Zynisch fügt er hinzu: "Politik und Verbraucher wollen es offenbar so!"
Auf Vorwürfe, die in der Reportage "Das System Wiesenhof" gezeigten Filmsequenzen stammten aus dubiosen Quellen, reagiert ARD-Reporterin Monika Anthes empört: "Wir haben sauber recherchiert, haben viele Quellen und sehen der ganzen Sache gelassen entgegen." Anderthalb Jahre habe sie zusammen mit ihrem Kollegen Edgar Verheyen recherchiert. Die Verantwortlichen bei 'Wiesenhof' könnten sich nun nicht länger herausreden. Bei 'Wiesenhof' liege vom Futter bis zum Tiefkühlhähnchen alles in einer Hand. Der Konzern bestimme die gesamte Produktionskette. Nicht nur die Tiere litten darunter, sondern auch die Menschen. In der Reportage kommen Pächter zu Wort, die zu wenig verdienen und abhängig geworden sind.
Am Beispiel 'Wiesenhof' wird indirekt das ganze System der industriellen Massentiehaltung an den Pranger gestellt. 'Wiesenhof' ist ein Vorzeige-Unternehmen und nicht zufällig meldete sich sofort der Vorsitzende des niedersächsischen Geflügelwirtschafts-Verbandes, Wilhelm Hoffrogge, zu Wort: Die ARD-Reportage "Das System Wiesenhof" sei einseitig und diffamierend. Es seien fast ausschließlich Kritiker von Wiesenhof zu Wort gekommen. Die gezeigten Mißhandlungen von Tieren seien zwar als Verstöße nicht zu akzeptieren und müßten abgestellt werden. Allerdings handele es sich um Einzelfälle, aus denen nicht auf ein ganzes Unternehmen oder gar auf eine ganze Branche geschlossen werden könne, sagte Hoffrogge.
Und Rainer Wendt, Chef von 'Wiesenhof', ist nicht zufällig Präsident der deutschen Hähnchenerzeuger. Er echauffiert sich: "Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß die Bilder wirklich bei Wiesenhof entstanden sind. Ich habe so etwas in mehr als zehn Jahren bei Wiesenhof noch nicht erlebt." Der Senior-Chef spricht gar von Hexenverfolgung. Die Reportage sei wie "die Hexenverfolgung aus dem Mittelalter, damals wurden die verbrannt ohne eine Gerichtsentscheidung. Und die Verbrennung heute findet auf der Mattscheibe statt."
Anmerkungen
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