Fußball, Kunstrasen und
die wachsende Flut aus Plastik-Müll
Berlin (LiZ). Fußball-Plätze und andere Flächen für Sport und Freizeit werden in zunehmendem Maß mit Kunstrasen, also einer Art Kunststoff-Teppich ausgelegt. In der Folge geraten schon heute jährlich über 9000 Tonnen Gummigranulat aus Kunstrasen-Flächen in Deutschland in die Oberflächengewässer und letztlich in die Meere. Kunstrasen ist nach dem Abrieb von Autoreifen mittlerweile der zweitgrößte Verursacher von Plastikmüll in den Ozeanen.
Für die Umwelt sind Kunstrasen-Flächen - mehr noch als die Methan-produzierenden pflanzlichen, aber unökologischen Rasenflächen - eine Katastrophe. Rund 30 Tonnen Gummigranulat werden standardmäßig auf einem Sportplatz von der üblichen Größe, 7.500 Quadratmeter, verteilt. Dieses Gummigranulat und der kontinuierlich entstehende Abrieb verteilen sich überall in der Umgebung des Kunstrasens. Große Mengen Mikroplastik gelangen so ungehindert in die Natur.
Jährlich müssen auf einer solchen durchschnittlich großen Fläche zwei bis drei Tonnen neues Gummigranulat verteilt werden, um den Schwund auszugleichen. Bislang wurden die Folgen nur in Norwegen untersucht. Nach Erhebungen der norwegischen Umweltbehörden vom Februar 2018 gelangen jährlich rund 3.000 Tonnen Gummigranulat in die dortigen Fjorde. Damit wäre Kunstrasen nach dem Abrieb von Autoreifen der zweitgrößte Verursacher von Plastikmüll in den Ozeanen. In Deutschland existieren derzeit etwa drei Mal so viel Kunstrasen-Plätze wie in Norwegen. Zusammen mit dem Abrieb aus einer Vielzahl weiterer Kunstrasen-Flächen auf Hockey-Felder und vermehrt auch auf Golf-Plätzen, gelangt in Deutschland pro Jahr mindestens 9.000 Tonnen Plastik-Müll aus dieser Quelle in die Umwelt. Ein großer Teil hiervon wird letztlich als Mikroplastik in die Weltmeere geschwemmt.
Dennoch wird Kunstrasen bei Fußball-Vereinen immer beliebter und Informationen über das damit unausweichliche Umwelt-Verbrechen liegen vor Ort meist nicht vor. Eine Sensibilität im Umgang mit Plastik ist in der deutschen Bevölkerung bis heute ohnehin kaum vorauszusetzen.
Argumentiert wird für den Kunstrasen zum einen damit, daß die Fußball-SpielerInnen dann auch im Winter draußen trainieren könnten. Zum anderen scheint für die Vereine eine vermeintliche Kostenersparnis für Kunstrasen zu sprechen. Schließlich müsse der Kunstrasen nicht gemäht werden. Die Werbung der Produzenten und verarbeitenden Handwerksbetriebe geht selbstverständlich in dieselbe Richtung. Eric Hardman, Sportanlagen-Experte und bis 2015 Gesamtverantwortlicher aller Sportanlagen in Basel, sagt dazu ganz deutlich: "Sportanlagenbauer versprechen den Vereinen häufig das Grüne vom Himmel!"
Ein von Eric Hardman verantworteter und 2013 vom Sportamt Basel veröffentlichter Kostenvergleich kommt jedoch zu einem ernüchternden Ergebnis. Schon die jährlichen Unterhaltskosten sprechen - wenn auch nur knapp - mit 105.000 zu 117.000 für den pflanzlichen Rasen. Beim Vergleich der Investitions-Kosten über einen Zeitraum von 45 Jahren, in den auch Austausch und Entsorgungs-Kosten eingehen, schneidet der pflanzliche Rasen mit rund 550.000 Franken gegenüber 2,3 Millionen Franken für den Kunstrasen um den Faktor 4 deutlich kostengünstiger ab.
Nachdrücklich weist der Schweizer Sportanlagen-Experte darauf hin, daß die Sportanlagenbauer nicht für pflanzlichen Rasen werben. Denn diese sind im Vergleich wenig lukrativ. "Naturrasen haben keine Lobby," sagt Hardman. Allein die Erstellungskosten sind nach den Ermittlungen Hardmans rund doppelt so hoch wie bei einem "modernen Naturrasen". "Viele Gemeinden sind darum schon in die Kostenfalle getappt," so Hardman.
Selbst das Argument mit dem winterliche Training ist wenig stichhaltig. Heutige moderne Naturrasen seien nicht vergleichbar mit jenen aus den 1980er-Jahren, erklärt Sportanlagen-Experte Hardman. Früher bestand der Untergrund aus einem Gemisch von Humus und Sand mit einem Anteil von rund 30 Prozent Sand. Dies führte dazu, daß die Fläche bei langen Regenfällen nicht bespielbar war. Heute besteht der Untergrund eines Naturrasens aus bis zu 95 Prozent Sand. "Das Wasser kann sich dadurch gar nicht mehr stauen," erläutert Hardman. Das beweisen die Grünflächen in den Profi-Stadien. "Dort wird heute auch im Winter und bei schlechtem Wetter Fußball gespielt."
Die Kapazitätsgrenze von Sportplätzen der 1980er-Jahre lag bei rund 300 Stunden pro Jahr. Neue Naturrasen halten bis zu 900 Stunden aus. "Das ist für die meisten Gemeinden genug. Einzig in großen Städten spräche die größere jährliche Nutzungsdauer für den Kunstrasen. Ein ökologisches Verbrechen bleibt er dennoch. Im österreichischen Bundesland Vorarlberg soll nun immerhin dem Zubau immer weiterer Kunstrasen auf Sportplätzen mit einem neuen Bodenschutzgesetzt zum 1. Januar 2019 Einhalt geboten werden. Doch schon jetzt gibt es allein in Vorarlberg 23 Fußball-Plätze mit Kunstrasen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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