Dem deutschen Wald geht es schlechter
als in den 1980er-Jahren
Berlin (LiZ). Bundesministerin Ilse Aigner hat den "Waldzustandsbericht 2012" vorgelegt. Sie hebt darin hervor, daß sich der Zustand verbessert habe und daß es insbesondere der Kiefer "so gut wie noch nie seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1984" gehe. Tatsächlich aber ist der Krankheitszustand des deutschen Waldes insgesamt schlechter als in den 1980er-Jahren - wie sich anhand einer Übersicht der offiziellen Schadensberichte leicht ersehen läßt. 83 Prozent der Eichen mußten als krank und 50 Prozent als schwer geschädigt beurteilt werden.
Nach wie vor wird die Hauptursache für Wald-AIDS - die chronische und menschengemachte Immunschwäche des deutschen Waldes - der Öffentlichkeit weitestgehend verschwiegen. Eine Ausnahme ist der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der in seiner heutigen Stellungnahme den von Aigner vorgelegten "Waldzustandsbericht 2012" kritisiert: Falsch sei die dabei angewandte Methode, "starke Fraß- und Mehltauschäden als natürliche Erscheinungen einzuordnen." Damit werde das eigentliche Problem verschleiert. "Der schlechte Bodenzustand, verursacht von Schadstoffemissionen aus Landwirtschaft und Verkehr, ist nach wie vor Hauptursache für die Erkrankungen der Bäume," so der BUND.
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Lediglich 39 Prozent (2011: 37 Prozent) des deutschen Waldes konnte in der Statistik als gesund eingestuft werden, 36 Prozent (2011: 35 Prozent) mußten als mittelstark geschädigt und 25 Prozent (2011: 28 Prozent) als stark geschädigt ausgewiesen werden. Die Buche, die im vorangegangenen Jahr mit 57 Prozent schwerer Schäden und insgesamt 88 Prozent kranken Bäumen den schlechtesten Wert seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1984 zu verzeichnen hatte, hat sich - laut Statistik - deutlich erholt: 38 Prozent wurden im Jahr 2012 als stark geschädigt gewertet und insgesamt 78 Prozent als krank. Es stellt sich hier allerdings die Frage, wie ein solcher Sprung in der Statistik von 12 Prozent auf 22 Prozent gesunder Buchen von 2011 auf 2012 zu erklären ist. Wurden hier einjährige Buchen-Schonungen in die Statistik eingerechnet?
Insgesamt liegen die prozentualen Veränderungen im Durchschnitt des Auf- und Ab der vergangenen Jahre und können weder als Argument für eine Verbesserung oder Verschlechterung des Zustandes im Verlauf der vergangenen Dekade dienen. Im Vergleich zu den 1980er-Jahren, in denen von den Mainstream-Medien mit dem Schlagwort "Waldsterben" Stimmungsmache betrieben wurde, ist der heutige Zustand des Waldes allerdings deutlich schlechter.
Der BUND-Vorsitzende, Hubert Weiger, bezeichnet den Zustand des deutschen Waldes als "alarmierend". Von wirklicher Nachhaltigkeit sei die deutsche Waldpolitik auch 300 Jahre, nachdem dieser Begriff in der Forstwirtschaft geprägt wurde, weit entfernt. "Zwar stehen die zur Nutzung benötigten Holzmengen ausreichend zur Verfügung. Das war es dann aber auch. Gesunde Mischwälder, alte Eichen und Buchen, die Wälder gefeit vor den Risiken des Klimawandels - überall Fehlanzeige," so Weiger.
Welche "Richtlinienkompetenz" nach wie vor große Agro-Konzerne wie etwa Südzucker in der deutschen Politik beanspruchen können, zeigt sich darin, daß weder die Ursachen der Walderkrankung angegangen noch überhaupt in den Mainstream-Medien hierüber berichtet wird. Ebenso wenig ist bekannt, daß ein Konzern wie Südzucker jährlich mehr als 80 Millionen Euro an Agrar-Subventionen erhält.
Mit ihren Ammoniak-Emissionen hat die industrielle Landwirtschaft Ende der 1990er-Jahre die anderen Schadensquellen für Wald-AIDS wie Autoverkehr sowie Industrie und Kraftwerken überholt. Insbesondere die industrielle Tierhaltung ist für rund 80 Prozent der Ammoniak-Emissionen verantwortlich. Doch die massive Subventionierung der industriellen Landwirtschaft - insbesondere der Massentierhaltung - wird unbeirrt fortgesetzt. Ammoniak-Emissionen und die Überdüngung der Felder mit Gülle sind die Folge. Durch Wind und Regen wird der Chemikalien-Cocktail aus den landwirtschaftlichen Betrieben, aus Kraftwerken, Straßenverkehr und Hausheizungen in die Wälder verfrachtet. Das Wurzelgeflecht der Bäume und die dort lebenden Mikroorganismen, die für das Überleben der Bäume unabdingbar sind, werden mehr und mehr geschädigt. Von dieser Anklage kann lediglich die Ökolandwirtschaft ausgenommen werden, die beim Tierbestand feste Obergrenzen pro Fläche einhält.
Anmerkungen
Siehe auch:
Wald-AIDS greift um sich
Zustand der Buchen auf historischem Tiefpunkt (2.03.12)
Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)
Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig"
(29.07.11)
Keine Entwarnung bei Wald-AIDS
Zustand kaum verändert (1.02.11)
Wald-AIDS in Baden-Württemberg
Schäden innerhalb der Schwankungsbreite
Zustand der Eichen nach wie vor "alarmierend" (27.11.10)
Appell gegen Massentierhaltung
Für eine Agrar-Wende (23.11.10)
Bayerischer Forstminister
und wenig Promille (18.08.10)
Globale Waldvernichtung:
13 Millionen Hektar pro Jahr (26.03.10)
Wald-AIDS weiter virulent
Aigner veröffentlicht "Waldzustandsbericht 2009"
(22.01.10)
Wald-AIDS in Baden-Württemberg:
Oettinger legt desaströsen "Waldzustandsbericht" vor
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