Berlin (LiZ). Im Jahr 2010 endete das zehnjährige Gorleben-Moratorium,
durch welches die Entscheidung über ein Atommüll-Endlager in
Deutschland auf die lange Bank geschoben worden war. Bundeskanzlerin
Angela Merkel hatte dies zum Anlaß genommen, einen "Neustart bei der
Endlagersuche" auszurufen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND) kritisiert das bisherige Vorgehen der eingesetzten
Bund-Länder-Arbeitsgruppe als intransparent.
In einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel,
Bundes-Atom-Minister Norbert Röttgen und die VertreterInnen der
Bundesländer in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe fordert der BUND mehr
Transparenz bei der angeblich neugestarteten Endlagersuche. Völlig
zurecht weist der BUND auf die "Intransparenz der
Bund-Länder-Arbeitsgruppe" hin. Diese "tagt seit Wochen hinter
verschlossenen Türen und will ihre Arbeit schon in Kürze
abschließen," kritisiert BUND-Vorsitzender Hubert Weiger. "Ohne
Bürgerbeteiligung und in hohem Maße intransparent soll das Gesetz zur
Suche nach einem Atomendlager festgezurrt werden. Das Wie und Wo einer
Endlagersuche muß aber öffentlich diskutiert werden," so Weiger. Es
gehe schließlich darum, eine geeignete Methode und einen geeigneten Ort
zu finden, wo der viele Jahrtausende strahlende Atommüll einigermaßen
sicher gelagert werden könne.
Merkwürdiger Weise jedoch wird das Hauptproblem in der
Stellungnahme des BUND nur nebenbei erwähnt: Das gesamte Verfahren zielt trotz
aller äußerlichen Kosmetik nach wie vor darauf ab, den hierfür
ungeeigneten Salzstock Gorleben als Atommüll-Endlager auszuweisen – und
diese Entscheidung mit dem Siegel von Transparenz und demokratischer
Mitsprache zu garnieren. Und obwohl dies offensichtlich ist, begrüßt es
der BUND, daß "nach Jahren des Stillstands in Deutschland endlich ein
Neustart bei der Suche nach dem vergleichsweise am besten geeigneten
Atommülllager" beginne. Zugleich aber kritisiert der BUND: "Gorleben
ist erwiesenermaßen geologisch ungeeignet und darf bei einer neuen
Endlagersuche keine Rolle mehr spielen."
Unstrittig innerhalb der Anti-Atom-Bewegung ist sicherlich auch der
Hinweis des BUND, ein "verantwortungsbewußter Umgang" mit dem
Atommüll schließe aus, daß die "gefährlichen Hinterlassenschaften
der Atomindustrie ins Ausland exportiert oder dauerhaft in schlecht
gesicherten Zwischenlagern deponiert" werden. Fraglich scheint allerdings
zu sein, ob hierbei in Rechnung gestellt wird, daß von jenen, die
Atomkraftwerke betreiben und jenen, die deren Betrieb politisch absichern,
kein "verantwortungsbewußtes" Verhalten erwartet werden darf.
Der BUND entfernt sich mit seinem Offenen Brief deutlich von der weitaus
skeptischeren Position der Anti-Atom-Bewegung. Denn für diese ist
ein "Neustart der Endlagersuche" unglaubwürdig, solange nicht die
politischen Machenschaften und Manipulationen, die in den 1970er und
1980er Jahren zur Festlegung auf Gorleben als Endlager-Standort führten,
ehrlich und offen aufgearbeitet wurden. Denn solange die Bundesregierung
den Anschein aufrecht zu erhalten versucht, in der Vergangenheit sei alles
mit rechten Dingen zugegangen, besteht kein Grund zur Hoffnung, daß nicht
erneut mit gezinkten Karten gespielt wird. Als vertrauensbildende
Maßnahmen wären etwa die Bergung des Atommülls aus den desaströs
gescheiterten Endlger-Projekten Asse II und Morsleben und die Aufgabe des
lediglich politisch motivierten Endlager-Standortes Gorleben angesagt.
Ungebrochen ist zudem der alte Grundkonsens der Anti-Atom-Bewegung, wonach
keine Akzeptanz für ein Atommüll-Endlager erwartet werden kann, bevor
nicht sämtliche Atomanlagen stillgelegt sind. Denn das, was im
vergangenen Jahr in Deutschland als "Atom-Ausstieg" verkündet wurde,
bedeutet, daß der Weiterbetrieb von neun Atom-Reaktoren über die
kommende Bundestagswahl hinaus garantiert wird.
Vor elf Jahren hieß es schon einmal, der damals verkündete Atom-Ausstieg
sei "unumkehrbar". Hoffnungen, die sich hierauf gegründet hatten,
erwiesen sich spätestens im Herbst 2010 als auf Sand gebaut. Ebenso wenig
Glaubwürdigkeit können die im Jahr 2011 von "Schwarz-Gelb-Rot-Grün"
besiegelten Abschalt-Jahreszahlen zwischen 2017 und 2022 beanspruchen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Röttgen verplappert sich:
Illegaler Bau im Gorlebener Salzstock (2.01.12)
Endlagersuche in der Schweiz
20 "Standortareale" - ein Ziel: Benken (19.01.12)
Geologe warnt
vor geplantem "Endlager" Gorleben (13.12.11)
Strahlen-Skandal Gorleben
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages
widerspricht Landesregierung (20.11.11)
Genehmigung für CASTOR-Transport
trotz Strahlen-Skandal (31.10.11)
Strahlen-Skandal in Gorleben
Grenzwert am Zaun bereits seit 2003 überschritten
(30.09.11)
Radioaktiver Müll in Gorleben
hohe Strahlenbelastung am Zaun (25.08.11)
Atommüll-Endlager in Deutschland?
EU macht Druck (20.07.11)
Atommüll-Endlager in der Schweiz?
Unmögliches soll realistisch erscheinen (12.07.11)
13. CASTOR nach Gorleben
angekündigt (3.06.11)
Gorlebener Salzstock vielfach angebohrt
Der Berg schlägt zurück (15.04.11)
Drei Monate Denkpause
auch für Gorleben? (30.03.11)
Parteitag der Pseudo-Grünen
Gorleben als Verhandlungsmasse (21.11.10)
Akten über Explosion im Jahr 1969
Erdgas unter Gorleben (13.09.10)
Weiterer Erfolg des Gorleben-Widerstands:
Verwaltungsgericht Lüneburg stoppt Datensammlung
(4.09.10)
CASTOR-GegnerInnen siegen
vor Bundesverfassungsgericht (26.08.10)
Der Endlager-Schwindel
Greenpeace veröffentlicht Akten zu Gorleben (13.04.10)
Endlager-Standort Gorleben
Bei der Auswahl spielte Geologie kaum eine Rolle
(10.01.10)
Das ungelöste Problem der Endlagerung
Folge 12 der Info-Serie Atomenergie