Greenpeace stellt Linkspartei
Glaubwürdigkeit oder Braunkohle
Berlin (LiZ). Greenpeace-AktivistInnen enterten heute morgen die Parteizentrale der Linkspartei. Sie wollen Klarheit, ob die Linkspartei nur in Worten gegen den Braunkohleabbau in Brandenburg ist oder ob sie bereit ist, auch konsequent zu handeln.
Auf Bundesebene fordert sie - ohne Gefahr zu laufen, dies umsetzen zu müssen - ein Gesetz zum Ausstieg aus der Braunkohle: "Wir wollen (…) ein Kohleausstiegsgesetz durchsetzen, das ein Verbot für den Neubau von Kohlekraftwerken und für den Neuaufschluss von Braunkohletagebauen vorsieht," heißt es im Wahlprogramm, das die Linkspartei im vergangenen Sommer beschlossen hat (Siehe unseren Artikel v. 16.06.13).
Braunkohle ist mit Abstand der klimaschädlichste aller Energieträger: Pro Kilowattstunde erzeugtem Strom bläst ein Braunkohle-Kraftwerk 1.228 Gramm des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre. Selbst ein Steinkohle-Kraftwerk liegt mit 938 Gramm pro Kilowattstunde deutlich darunter. Kohle wird in Deutschland mit jährlich rund 13 Milliarden Euro ähnlich hoch wie Atomenergie subventioniert - die erneuerbaren Energien dagegen, denen verleumderisch die Verantwortung für Strompreis-Erhöhungen zugeschoben wird, erhalten insgesamt eine erheblich geringere finanzielle Förderung.
Der Zeitplan, den die Linkspartei für einen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung in den Raum stellt, ist mit einem Zielhorizont im Jahr 2040 allerdings ebenso unverbindlich wie der Merkelsche "schwarz-rot-gelb-grüne" Atom-Ausstieg. Daß das Wahlprogramm vom Juli dieses Jahres schon heute weniger wert ist als das Papier, auf das es gedruckt wurde, beweist die "rot-rote" Landesregierung in Potsdam. Brandenburgs pseudo-sozialistischer Wirtschaftsminister Ralf Christoffers steht unbeeindruckt von den in Göttingen beschlossenen Bekenntnissen hinter dem Plan Vattenfalls, gleich mehrere neue Kohlelöcher in die Landschaft zu fräsen. Die dort abgebaute Braunkohle würde die umliegenden Vattenfall-Kraftwerke bis über das Jahr 2050 hinaus qualmen lassen.
Wie ernst die Linkspartei ihre eigenen Beschlüssen nimmt, wird sich in Brandenburg schon bald überprüfen lassen - erklärt die Umweltschutz-Organisation Greenpeace, die sich erstmals in solcher Deutlichkeit zu der seit über zwei Jahrzehnten katastrophalen Entwicklung in Brandenburg äußert. Angeblich will die Landesregierung unter dem "roten" Ministerpräsidenten Woitke noch vor der kommenden Landtagswahl im Herbst dieses Jahres über den geplanten Tagebau Welzow-Süd II entscheiden. Wenn Christoffers und seine MinisterkollegInnen von der Linkspartei hierbei nicht mit "Nein" stimmen, verliere die Partei jede Glaubwürdigkeit - so Greenpeace (, wobei es eine beachtliche rhetorische Leistung ist, die Begriffe "Glaubwürdigkeit" und "Partei" in einem Satz unterzubringen).
Dabei hat sich schon in den vergangenen Jahren gezeigt, daß die Linkspartei nach der Maxime Bundeskanzler Adenauers, "Was interessiert mich mein dummes Geschwätz von gestern", agiert: Denn nicht nur Beschlüsse auf Bundesebene, sondern auch geltende des Landesverbandes Brandenburg der Linkspartei lassen nicht viel Interpretationsspielraum: "Die von Braunkohletagebauen ausgehenden Zerstörungen an Siedlungen und Landschaft sind nicht mehr länger begründbar. Den über der Braunkohle lebenden Menschen wurde bereits mehr als genug zugemutet. Es dürfen keine neuen Tagebaue aufgeschlossen werden."
Christoffers gibt sich denn auch keine große Mühe, die Differenz zwischen seinem Kurs, das Braunkohle-Projekt Welzow-Süd II voranzutreiben, und der Beschlußlage seiner Partei ernsthaft zu erklären. Mehr spaßeshalber argumentiert der brandenburgische Wirtschaftsminister, Welzow Süd II sei kein neuer Tagebau, sondern lediglich die Erweiterung eines bestehenden. Greenpeace arbeitet sich dennoch daran ab, den offensichtlichen Unsinn zu widerlegen: "Für Welzow Süd II liegt bislang weder ein gültiger Braunkohleplan vor, noch eine bergrechtliche Genehmigung. Faktisch wie juristisch ist das geplante Riesenloch in der Nähe von Cottbus damit ein neuer Tagebau," so Greenpeace.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Linkspartei für und
gegen Braunkohle-Abbau? (26.01.14)
Liebesbrief an "Rot-Grün"
Das verschmähte Aufgebot (1.10.13)
Lackmus-Test
Sind "Rot" und "Grün" farbecht? (25.09.13)
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Gysi wirft Linkspartei auf den Grabbeltisch (4.08.13)
Linkspartei beschließt Wahlprogramm
Parteitag in Dresden (16.06.13)
Neustart bei der Linkspartei?
Kipping und Riexinger als Doppelspitze (4.06.12)
Linkspartei: Lob der Diktatur
Geburtstagsgrüße an Fidel Castro (21.08.11)
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beim Thema Atom-Ausstieg (14.05.11)
Landtagswahl
Recycling in Baden-Württemberg (27.03.11)
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Wikileaks-Enthüllung:
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