Berlin (LiZ). Mehrere Umweltverbände haben den von Bundesagrarministerin Ilse Aigner vorgelegten Pestizid-Aktionsplan als "mangelhaft" bezeichnet. BUND, NaBu, Greenpeace und das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) kritisieren, daß die Auswirkungen von Agro-Giften auf Tiere, Pflanzen und die menschliche Gesundheit nicht angemessen berücksichtigt werden.
Der jetzt vorliegende Entwurf des "Nationalen Aktionsplans zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln" - so der offizielle Titel - soll angeblich die Risiken beim Pestizid-Einsatz in der Landwirtschaft und die Abhängigkeit von der Agro-Chemie verringern. Entsprechend dem üblichen Prozedere sind nun Verbände und Bundesländer aufgerufen, zu dem Gesetzeswerk, das Anfang 2013 in Kraft treten soll, Stellung zu nehmen.
BUND, NaBu, Greenpeace und das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) kritisieren insbesondere, daß der Schutz von Kleingewässern aber auch Flüssen vor Pestiziden von Bundesagrarministerin Aigner vernachlässigt und in dem Papier zu wenig berücksichtigt wird. Bei dem gegenwärtig in der deutschen industriellen Landwirtschaft üblichen Pestizid-Einsatz werden selbst bei Einhaltung geltender Regeln wildlebende Säugetiere und Fische erheblich durch Pestizide geschädigt, Bienen werden geschwächt und Vögel finden nicht mehr genügend Nahrung, um ihre Brut zu ernähren. Eine Zunahme von Mißbildungen ist insbesondere bei Amphibien zu beobachten. Auch vor Nahrungsmitteln machen die Pestizide nicht halt: Obst und Gemüse sind häufig mit Mehrfachrückständen, sogenannten Pestizid-Cocktails, belastet. Seit dem Jahr 2002 wurde der Inlandsabsatz an Pestiziden trotz freiwilliger Vereinbarungen zur Pestizid-Reduktion um mehr als 25 Prozent gesteigert - allein im Jahr 2011 wurden über 40.000 Tonnen ausgebracht.
EU-Vorgaben verpflichten Deutschland zu diesem Aktionsplan, mit dem die Risiken der Verwendung von Pestiziden auf Mensch und Umwelt reduziert und die Abhängigkeit vom "chemischen Pflanzenschutz" verringert werden soll. Die Defizite des Pestizid-Aktionsplan sind offensichtlich: Es fehlen wirksame Zielvorgaben und Maßnahmen, um den Pestizid-Einsatz in Deutschland zu verringern. Gravierende Probleme wie der Rückgang der Artenvielfalt in der Agrar-Landschaft infolge des Pestizid-Einsatzes werden nicht ernsthaft angegangen. Nachweislich gibt es in Deutschland nur noch halb so viele Vögel im Umkreis landwirtschaftlich bewirtschafteter Flächen wie vor 30 Jahren. Die industrielle Landwirtschaft mit Monokulturen und hochgiftigen Pestiziden, die viele Wildkräuter und Insekten vernichten, ist hierfür verantwortlich. In manchen Regionen Chinas gibt es infolge des Pestizid-Einsatzes keine Bienen mehr - LandarbeiterInnen müssen auf Leitern klettern und Obstbäume mit Wattestäbchen bestäuben...
Auch 'Bioland', ein Verband ökologisch wirtschaftender LandwirtInnen, übt scharfe Kritik am Pestizid-Aktionsplan. Dieser könne "in der vorliegenden Form keinen Beitrag dazu leisten, die negativen Auswirkungen des Pestizideinsatzes auf Menschen, Pflanzen, Tiere, Böden und Gewässer nachhaltig zu vermindern," sagt 'Bioland'-Präsident Jan Plagge.
'Bioland' fordert eine Pestizid-Abgabe, da bisher die industrielle Landwirtschaft mit ihrem umweltunverträglichen und gesundheitsschädlichen Pestizid-Einsatz durch die Agrar-Subventionen gegenüber der Biolandwirtschaft bevorzugt wird. Um Bienen und Insekten zu schützen sei ein Verbot der besonders gefährlichen Pestizide der Wirkstoffgruppe der Neonikotinoide längst überfällig. Zugleich solle der ökologische Landbau gestärkt werden. Im Lauf der vergangenen Jahre mußten immer mehr Biolebensmittel nach Deutschland importiert werden, weil durch die Behinderung des ökologischen Landbaus die entsprechend bewirtschaftete Fläche nicht im selben Maße steigt wie die Nachfrage.
Anmerkungen
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