Putin empfiehlt
Verhandlungen über Status der Ost-Ukraine
Moskau (LiZ). Der russische Präsident Wladimir Putin erkennt offenbar, daß der Kampf zwischen dem Putsch-Regime in Kiew und den Aufständischen im Osten der Ukraine in einem blutigen Stellungskrieg festgefahren ist. Er hat daher den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko aufgefordert, mit den Aufständischen Verhandlungen über den Status der Ost-Ukraine aufzunehmen.
"Es müssen umgehend substanzielle inhaltliche Verhandlungen beginnen - nicht zu technischen Fragen, sondern zu Fragen der politischen Organisation der Gesellschaft und der Staatlichkeit im Südosten der Ukraine," sagte Putin in einem vom russischen TV "Erster Kanal" ausgestrahlten Interview. Ziel müsse es sein, die Interessen der Menschen in der Ostukraine zu sichern. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß es zu ersten bewaffneten Zwischenfällen kam, nachdem neofaschistische Kräfte innerhalb des Putsch-Regimes in Kiew durchsetzten wollten, daß Russisch als zweite Amtssprache in der Ostukraine abgeschafft wird. In den Provinzen, in denen Janukowitsch bei der Präsidentschaftswahl 2010 die Mehrheit erlangte, ist die Bevölkerung überwiegend russischsprachig.
Putin hatte die östlichen Provinzen der Ukraine wiederholt als Noworossija (Neu-Rußland) bezeichnet. Bislang hatte er jedoch darauf verzichtet eine Staatsgründung unter diesem historischen Namen zu fordern. Die russische Regierung hatte sich in der Vergangenheit für eine Föderalisierung der Ostukraine ausgesprochen. Die von den Aufständischen proklamierten Republiken Donezk und Lugansk wurden bisher von Moskau nicht anerkannt.
Obwohl sich der "Westen" immer stärker mit Finanzhilfen, verdeckten Waffenlieferungen und sogenannten Spezialkräften in den Ukraine-Konflikt einmischt, wird Rußland unter der Anschuldigung einer ebensolchen Einmischung mit einer Verschärfung der Sanktionen gedroht. Die EU-Kommission solle dazu Vorschläge machen, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am frühen Morgen nach dem Abschluß des EU-Gipfels in Brüssel. "Jedem ist völlig klar, daß wir rasch handeln müssen." In der Ukraine sind nach Einschätzung von Präsident Petro Poroschenko inzwischen "Tausende ausländische Soldaten und Hunderte ausländische Panzer" im Einsatz. Doch obwohl Poroschenko nahezu wöchentlich von russischen Invasionstruppen oder Militär-Kolonnen sprach, konnte er bislang in keinem einzigen Fall Beweise für seine Behauptungen vorlegen. Zugleich führt er einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung.
Putin würde jedoch gründlich falsch verstanden, wenn sein aktueller Vorschlag als Teilungsplan der Ukraine interpretiert würde. Ausdrücklich trat Moskau heute Nachmittag Interpretationen entgegen, Putin habe die Eigenstaatlichkeit der Ost-Ukraine gefordert. Sein Sprecher Dimitri Peskow betonte vor JournalistInnen, "Neu-Rußland" solle "selbstverständlich" Teil der Ukraine bleiben. Es handele sich um einen inneren Konflikt des Landes. Als mögliche Lösung spricht sich Moskau schon seit einiger Zeit konsequent für eine Föderalisierung der Ukraine aus.
Rußland würde sich mit einer Annexion der Ost-Ukraine eine Zeitbombe ins Land holen. Die Situation in den Regionen um Lugansk und Donezk ist grundlegend verschieden von der auf der Krim. Während es sich dort um eine zu über 90 Prozent homogene russischsprachige Bevölkerung handelt, ist die Bevölkerung in den Regionen der Ost-Ukraine heterogen. Viele russischstämmige und russisch-assimilierte UkrainerInnen leben in den Städten - auf dem Land hingegen UkrainerInnen mit ukrainischer Mentalität, den ukrainischen Traditionen und mit einer wohl etwas holprigen, in dieser russischsprachigen Umgebung aber dennoch ukrainischen Sprache. Diese Gebiete als "Neu-Rußland" zu installieren, würde die Lunte an ein Pulverfaß legen. Es käme - durch den "Westen" befeuert - zu einem jahrzehntelangen Partisanenkrieg.
Eine dauerhafte Lösung kann nur eine Föderalisierung der Ukraine und nur die echte Unabhängigkeit des Staates - sowohl von der EU und der NATO einerseits, als auch von Rußland andererseits ermöglichen. Es ist daran zu erinnern, daß die Blockfreiheit in der ukrainischen Verfassung verankert ist. Die Machthaber in Kiew behaupten auch immer wieder, daß sie daran nichts ändern wollen. Tatsächlich jedoch wurde der Krieg in der Ukraine durch die Bestrebungen des "Westens" ausgelöst, die Ukraine in die EU und in die NATO hineinzuziehen.
Bis heute ist in den europäischen und US-amerikanischen Mainstream-Medien ausschließlich von "prorussischen Separatisten" die Rede. Dies unterstellt, daß das Ziel der Aufständischen eine Abspaltung von der Ukraine, Eigenstaatlichkeit und ein mehr oder weniger direkter Anschluß an Rußland sei. Tatsächlich aber wurden deren Forderungen bislang unterschlagen. Würden diese Forderungen analysiert, käme zutage, daß es den meisten der Aufständischen um Föderalisierung und Dezentralisierung geht. Sie wollen über kommunale Belange selbst entscheiden – Sprache inbegriffen. Diese erweiterten Rechte könnten nicht nur östlichen und südlichen Provinzen, sondern allen ukrainischen Provinzen zugestanden werden.
Anmerkungen
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