Wiesbaden (LiZ). Das Bundeskriminalamt (BKA) hat in einem 21-seitigen Bericht mit Vorurteilen aufgeräumt: Flüchtlinge begehen in Deutschland nicht mehr Straftaten als Deutsche. Allerdings stieg die Kriminalität im Zusammenhang mit Flüchtlingen in einer Hinsicht deutlich: Straftaten gegen Asylbewerber-Unterkünfte.
Zudem stellte das BKA fest, daß der größte Anteil der von ZuwanderInnen begangenen Straftaten Bagatelldelikte sind: Rund 34 Prozent davon seien Diebstähle. Ein weiteres Drittel seien Vermögens- und Fälschungsdelikte, darunter hauptsächlich das Nutzen von öffentlichen Verkehrsmittel ohne Fahrschein. Dagegen sind laut BKA die Straftaten gegen Asylbewerber und Asylbewerber-Einrichtungen "quantitativ und qualitativ stark angestiegen". Untersuchungs-Zeitraum war Januar bis September 2015.
Gewalt-Delikte wie Raub oder Körperverletzung belaufen sich laut der BKA-Statistik auf 16 Prozent. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung lägen "unter einem Prozent". Noch geringer ist mit 0,1 Prozent der Anteil der Straftaten gegen das Leben (Mord, Totschlag). Unter den Tatverdächtigen seien Menschen aus Serbien, dem Kosovo und Mazedonien überrepräsentiert im Vergleich zum Nationalitäten-Anteil in der Erstaufnahme-Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Auch die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern widerspricht Gerüchte in kommerziellen Internet-Netzwerken wie facebook, laut denen die Kriminalität durch Flüchtlinge zugenommen habe. Weder sei ein Anstieg bei Diebstählen zu verzeichnen, noch haben Flüchtlinge Pferde geschlachtet.
Aus dem BKA-Bericht geht zugleich hervor, daß die Bundesländer keine einheitlichen Statistiken führen und damit die Vergleichbarkeit eingeschränkt sei. Lediglich zwölf der sechzehn Bundesländer haben zum Stichtag Zahlen an das BKA geliefert, es könnten mithin nur "Trendaussagen" abgeleitet werden - "Unschärfen" seien "gegenwärtig unvermeidlich".
Asyl-BewerberInnen werden in der Kriminal-Statistik nicht extra erfaßt, sodaß das BKA den Begriff "Zuwanderer" benutzt. Darunter fallen Asyl-BewerberInnen, Personen mit einer Duldung, Kontingents- oder Bürgerkriegs-Flüchtlinge und Personen, die sich in Deutschland "unerlaubt" aufhalten. Hilfsweise greift das BKA auf die Staats-Angehörigkeit oder auf die Registrierung in einer Asylbewerber-Unterkunft zurück.
Die Kriminalität in Erstaufnahme-Einrichtungen habe deutlich zugenommen. Schwerpunkte seien Eigentums-Delikte und Raub oder Körperverletzung. Offenbar ist dies nicht zuletzt durch die unmenschlichen Bedingungen in Massen-Unterkünften bedingt. Viele Flüchtlinge werden in Deutschland aus Gründen der Abschreckung in Massen-Unterkünfte gepfercht. In umgewidmeten Turnhallen ist der private Raum oft nur durch aufgehängte Decken abgegrenzt. Das BKA macht deutlich, daß die Geschädigten dabei selbst Asyl-BewerberInnen seien. Insgesamt sei ein Anstieg von Straftaten zu verzeichnen, bei denen Zuwanderer Opfer geworden sind. Insbesondere seien SyrerInnen und AfghanInnen betroffen.
Darüber hinaus haben sich Straftaten gegen Asylbewerber-Unterkünfte im Vergleich zur Gesamtzahl im Vorjahr bereits mehr als verdreifacht. Übergriffe auf Einrichtungen, darunter Gewalt-Straftaten wie etwa Brandstiftungen, Sachbeschädigung und Propaganda-Delikte, bei denen das BKA ein rechtsextremes Motiv vermutet, belaufen sich im Zeitraum Januar bis Anfang November 2015 auf mehr als 600.
Seit Monaten werden immer mehr Gerüchte über einen Anstieg der Kriminalität durch Asyl-BewerberInnen in Deutschland verbreitet. Innen-Minister Thomas de Maizière hatte deshalb Anfang Oktober den Bericht beim BKA und den Landes-Polizei-Behörden in Auftrag gegeben. Diese erste Daten-Erhebung des BKA steht in deutlichen Gegensatz zu den Gerüchten. De Maizière mußte dies bestätigen: "Insgesamt zeigen uns die derzeit verfügbaren Tendenz-Aussagen, daß Flüchtlinge im Durchschnitt genauso wenig oder oft straffällig werden wie Vergleichsgruppen der hiesigen Bevölkerung." Er ergänzte: "Damit Extremisten nicht mit Gerüchten und Halbwahrheiten Stimmung machen, müssen wir ihnen Fakten entgegenhalten." Und André Schulz, der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, kommentierte: "Nicht Flüchtlinge sollten uns Angst machen, sondern die Welle der braunen Gewalt in Deutschland."
Anmerkungen
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