Berlin (LiZ). Die Reallöhne der abhängig Beschäftigten sinken in Deutschland seit mehr als zehn Jahren kontinuierlich - und sie sinken weiter wie noch unveröffentlichte Daten des am Deutsches Institut für Wirt- schaftsforschung angesiedelten sozio-ökonomischen Panels beweisen. So kam der in den vergangenen fünf Jahren immer wieder verkündete wirtschaftliche Aufschwung bei zwei Dritteln der Deutschen niemals an.
Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren in den Mainstream-Medien von einem "dicken Plus" bei den Tarifverhandlungen, einem "kräftigen Schluck aus der Pulle" oder etwa über Polit-Ankündigungen wie jene, daß die Renten 2012 "deutlich steigen", berichtet (siehe unseren Artikel v. 28.10.11). Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache: Auch in den vergangenen Jahren wurden die meisten Lohnerhöhungen von der Inflation aufgefressen. Noch unveröffentlichte Daten des am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) angesiedelten sozio-ökonomischen Panels beweisen, daß die Reallöhne der Deutschen auch in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich gesunken sind.
Das sozio-ökonomische Panel ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Es wird als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter dem Dach der Leibniz Gemeinschaft (WGL) von Bund und Ländern gefördert. Für das sozio-ökonomische Panel werden jedes Jahr mehr als 20.000 Menschen in rund 11.000 Haushalten vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung befragt. Die Daten des sozio-ökonomischen Panels geben unter anderem Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung und Gesundheit. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden, können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends, sondern auch die gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen besonders gut analysiert werden.
Auch das reale Einkommen eines mittleren Angestellten ist in den vergangenen fünf Jahren bei Berücksichtigung der Inflation um rund sieben Prozent gesunken. Die Nominallöhne stieg zwar, doch die gewerkschaftlich erkämpften Lohnsteigerungen blieben immer unter der Inflationsrate, so daß stets ein Minus übrig bleibt.
Auch die Daten des Statistischen Bundesamtes belegen, daß die Tarifgehälter nicht schnell genug wuchsen, um die Inflation ausgleichen zu können. Hinzu kommt, daß durch die stetige Erweiterung des Niedriglohn-Sektors ein Druck erzeugt wird, der angemessenen Lohnerhöhungen entgegenwirkt. Mittlerweile griff dieser Abwärtssog auch auf höhere Einkommen über. Angesichts von Zeitarbeit, Teilzeit und befristeten Verträgen sind immer mehr Deutsche schon froh, wenn sie überhaupt einen regulären Arbeitsplatz besitzen und wagen gar nicht mehr, auch nur an einen Inflationsausgleich zu denken.
In den vergangenen fünf Jahren sind laut den vorliegenden Daten selbst die Stundenlöhne der angestellten Hochschulabsolventen gesunken. Vermutlich wurde der Abstieg ein wenig durch Nebenjobs gemildert. Ein weiterer Effekt, der viele über die tatsächliche Lage hinwegtäuscht, resultiert aus dem beruflichen Aufstieg. Wer nicht arbeitslos wird und sich bei einer funktionierenden Karriere einer Gehaltserhöhung erfreuen kann, gewinnt zwar oft auch real an Kaufkraft. Doch die Gehaltserhöhungen auf der Karriereleiter fallen von Jahr zu Jahr geringer aus. Der Vorgänger auf derselben Sprosse der Karriereleiter verdiente mehr und so wird gleiche Arbeit schlechter entlohnt als zuvor.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Renten: Minus auch in 2012
Inflation offiziell bei 2,5 Prozent (28.10.11)
Schuldenkrise in den USA
Kampf zwischen Elefant und Esel? (15.07.11)
Trotz Lohnerhöhungen:
Inflation bewirkt Minus (6.07.11)
Sozialabbau -
Renten seit 2001 real gekürzt (5.07.11)
Sozialabbau: Bufdis
bekommen weniger als Zivis (30.06.11)
Bundestagsabgeordnete wollen
mehr Diäten (27.06.11)
Starke Zunahme von "400-Euro-Jobs"
von "Rot-Grün" verursacht (27.04.11)
Frauen in Konzern-Vorstände?
Die realen Probleme bleiben ausgeblendet (8.03.11)
Verfassungsgericht:
Einführung von Hartz-IV war grundgesetzkonform
(29.12.10)
Discounter Lidl für 10 Euro Mindestlohn
Einzelhandel fürchtet Ost-Konkurrenz (21.12.10)
Mißbrauch von Ein-Euro-Jobs?
Der Zweck ist Lohndumping (15.11.10)
Real über 9 Millionen Arbeitslose
Die Tricks der Bundesregierung (28.10.10)
Von der Leyens Hartz-IV-Reform:
Nominal 5 Euro Plus ab 2011 - real ein Minus (26.09.10)
50 Milliarden Euro
für Subventionierung des Niedriglohn-Sektors (13.08.10)
Von der Leyens Hartz-IV-Reform
Erneuter Sozialabbau
trotz Urteil des Bundesverfassungsgerichts? (2.08.10)
Pisa 2010 und die Schere
zwischen Arm und Reich (23.06.10)
Ausgepreßt
Sozialabbau schwarz-gelb (7.06.10)
Hartz-IV-Regelsätze verfassungswidrig
Herbe Niederlage für "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" (9.02.10)
Rente wird gekürzt
"Nullrunde" heißt Minus (16.03.10)
DIW-Studie zum Vermögen in Deutschland
Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter
(19.01.10)
Bilanz von fünf Jahren Hartz IV
Repression als "Arbeitsmarkt-Reform"
Niederiglohn-Sektor massiv ausgeweitet (19.12.09)