Erneuerbare Energien
In einer realen Marktwirtschaft
müßten die Strompreise sinken
Leipzig (LiZ). Solarstrom hat im Juni in Deutschland erneut einen Rekord gebrochen. An der Leipziger Strombörse EEX ist der Strompreis bereits in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich gesunken. Wenn die Marktwirtschaft auf diesem Markt Realität wäre, müßten die Strompreise für die VerbraucherInnen sinken.
Im Juni wurden nach Berechnungen des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme 4,3 Terawattstunden (TWh) Solarstrom produziert. Erst im Monat zuvor - Mai 2013 - hatte Solarstrom mit 4,1 TWh einen Rekord aufgestellt. Bei steigendem Angebot und gleichbleibender Nachfrage müßte nach den Regeln der Ökonomie der Preis sinken. Und tatsächlich sank der Strompreis an der Leipziger Strombörse EEX (European Energy Exchange) in den vergangenen drei Jahren. Das Oligopol der "Großen Vier" - RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, die den deutschen Strommarkt beherrschen - behauptet dagegen, daß sie den Haushalten Jahr für Jahr höhere Strompreise abverlangen müssen, weil die Konzerne an langfristige Bezugsverträge gebunden seien.
Vergleichbar wäre dies mit einem Bäcker, der sich der Billig-Konkurrenz eines "Backshops" an der nächsten Ecke ausgesetzt sieht. Industriell gefertigte tiefgefrorene Teiglinge, die von einer Kette geliefert werden und nur aufbacken werden müssen, unterbieten die Preise des Bäckers. Was würde wohl geschehen, wenn nun dieser Bäcker gegenüber seinen KundInnen argumentierte, er müsse die Preise erhöhen, weil seine Lieferanten nicht mit dem Preis heruntergehen? Die "Großen Vier" jedoch können sich eine illegale Preisabsprache leisten, weil sie zum einen kaum Konkurrenz auf dem deutschen Strommarkt ausgesetzt sind, und weil sie zum anderen darauf vertrauen können, daß das Bundeskartellamt nicht einschreitet.
Das Oligopol der "Großen Vier" treibt seit zwölf Jahren die Strompreise in Deutschland mit Hilfe heimlicher Preisabsprachen so stark nach oben, daß diese höher sind als in den meisten anderen EU-Staaten:
In dieser Grafik ist deutlich erkennbar, daß der Preisanstieg unabhängig von der Höhe der EEG-Umlage ist (Siehe auch unsere Artikel v. 7.03.13 und v. 9.11.12). Bereits im Jahr 2007 war bekannt - auch der 'spiegel' berichtete hierüber - , daß das Kartellamt über die entsprechenden Beweise verfügt, um dem Treiben der "Großen Vier" einen Riegel vorschieben zu können (Siehe unseren Artikel v. 5.11.07). Daß die Macht der "Großen Vier" seit mehr als zwölf Jahren weder zu Zeiten einer "rot-grünen", noch einer "schwarz-roten", noch einer "schwarz-gelben" Bundesregierung angetastet wurde, zeigt, daß "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" den Konzernen RWE, E.on, Vattenfall und EnBW zu Diensten ist. Und daher ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß die Energie-Wende von "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" weiterhin gebremst und sabotiert wird.
An der Leipziger Strombörse sind nur GroßkundInnen zugelassen. Dort kam es am 16. Juni wegen des Überangebots an Strom sogar zu einem paradox anmutenden Phänomen: StromhändlerInnen im Auftrag der Konzerne bekamen die Ware der Strom-Erzeuger nicht nur geschenkt, sondern erhielten einen Bonus. Wenn sie gegen 16 Uhr einen Vertrag abschlossen, bekamen sie nicht nur Strom zum Nulltarif, sondern zusätzlich noch 100 Euro pro Megawattstunde geschenkt. So würde es sich lohnen, diesen Strom etwa in Druckluftspeicher-Kraftwerken oder Pumpwasserspeicher-Kraftwerken zu speichern. Doch die großen Konzerne blockieren Investitionen in solche Anlagen, weil sie damit ihre eigene Geschäftsgrundlage - Großkraftwerke - unterminieren würden. Im Juni wurde die Hälfte des Stroms im kurzfristigen Handel für unter 30 Euro je Megawattstunde verkauft. Doch bislang gehen die sinkenden Strompreise an den End-KundInnen in Deutschland vorbei.
Solange die "Großen Vier" nicht zerschlagen werden, hat die Energiewende - und damit auch ein Atomausstieg - in Deutschland keine Chance, schnell durchgesetzt zu werden! Dies hatte schon Hermann Scheer erkannt und unmißverständlich formuliert.
"Es bleibt keine andere Wahl, als die Strukturmacht des etablierten Energiesystems zu brechen,... "
"Investitionen in Großkraftwerke und Infrastrukturen haben Amortisationszeiten von zwei bis drei Jahrzehnten. Die jeweiligen einzelnen Investitionen erfolgen nie zum gleichen Zeitpunkt. Die Zahl vorfinanzierter Großinvestitionen ist immer ungefähr so groß wie die der abgeschriebenen. (...) Die Lokomotivführerrolle für erneuerbare Energien wird auch in Zukunft nicht aus dem konventionellen Energiesystem kommen."
"... das atomar-fossile Energiesystem kann das voraussichtlich letzte Gefecht zu seiner Selbsterhaltung nicht mehr gewinnen. Der Versuch, die praktische Umorientierung auf erneuerbare Energien mit gezinkten Zukunftsoptionen zu verhindern, ist zum Scheitern verurteilt. (...) Beruhigend ist das nicht, denn die Gefahr, daß der bevorstehende Untergang des etablierten Energiesystems die Gesellschaften mit in den Abgrund reißt, ist zu groß."
"Jede lineare Entwicklung bricht irgendwann ab, wenn die natürlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kreisläufe ihr entgegenstehen, wenn sie sich nicht mehr ausreichend rückkoppelt und ihre eigenen Stellgrößen nicht mehr verändert. Ist ein System übermächtig, kann es seine Existenz eine Zeitlang über Gebühr verlängern. Doch auch mit wachsender Größe werden die Unternehmen der Energieversorgung unbeweglicher - nicht trotz ihrer Kapital- und Organisationsmacht, sondern wegen ihr. Der Selbsterhaltungsversuch findet dann selbst wider bessere Einsicht oder Erkenntnis ihrer Verantwortlichen statt, denen die möglichen Bruchpunkte nicht verborgen bleiben können."
(Alle Zitate aus: Hermann Scheer, "Energieautonomie - Eine neue Politik für erneuerbare Energien", Verlag Antje Kunstmann, 2005)
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Parteien-Politik sabotiert Solarwärme
Deutschland im EU-Vergleich auf Platz 6 (27.06.13)
Sozial ist, Arbeitsplätze
zu vernichten? (28.03.13)
OLG Düsseldorf kippt Netzkosten-Befreiung
Auswirkungen auf den Strompreis? (7.03.13)
Steinbrück für höhere Strompreise
Der "rote" Lobbyist für ThyssenKrupp (8.01.13)
Rekord beim Stromexport
Eine Folge der Energie-Wende (8.01.13)
Strompreiserhöhungen wegen Energie-Wende?
Zur Zeit werden Lügen verbreitet (9.11.12)
Ist die Energie-Wende zu teuer?
Im Gegenteil: jährlich könnte
über drei Milliarden Euro eingespart werden (19.10.12)
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Energie-Effizienz bei Neubauten (14.09.12)
Erneuerbare Energien über 25 Prozent
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Energie-Wende? Centrotherm insolvent
"Schwarz-Gelb" zerschlägt deutsche Solar-Branche
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