"Uran-Abbau ist äußerst gefährlich"
Menschenrechts-Aktivist Golden Misabiko
in Freiburg
Freiburg (LiZ). Golden Misabiko, Menschenrechtsaktivist und Atomkraftgegner aus der D.R. Kongo, sprach am Dienstag in der Universität Freiburg zum Thema "Uranabbau, Atom-Konzerne und Neo-Kolonialismus". Eindringlich warnte er davor, daß der Uran-Abbau nicht nur für Afrika, sondern auch für Europa eine enorme Gefahr darstelle.
Am einen Ende der atomaren Kette stehe in Afrika und in etlichen Ländern in anderen Erdteilen der Abbau in Uran-Minen, wo die Erde über weite Gebiete radioaktiv verseucht wird, die lokale Bevölkerung nicht selten brutal vertrieben wird und wo es zur Absenkung des Grundwasserspiegels kommt. Und am anderen Ende stehe die radioaktive Verseuchung durch Atomkraftwerke, Katastrophen wie die von Tschernobyl und Fukushima und die Bedrohung des gesamten Lebens auf dieser Erde durch die Atombombe.
Aus der D.R. Kongo, dem Heimatland Misabikos, in dem er wegen seinen Aktivitäten gegen Uran-Abbau und für Menschenrechte ins Gefängnis gesteckt wurde, stammte das Uran für die Atombombe, die am 6. August 1945 auf Hiroshima abgeworfen wurde. Die Uran-Mine Shinkolobwe in der kongolesischen Provinz Katanga wurde schon mehr als 20 Jahre zuvor von den belgischen Kolonialherren ausgebeutet und weist einen teilweise extrem hohen Urangehalt von bis zu 65 Prozent auf. Die Katastrophen von Hiroshima und Nagasaki lasteten politisch auch auf dem Kongo und als andere Mächte versuchten, zum Atombombenbau an das uranhaltige Erz in Katanga zu gelangen, wurde die Mine Shinkolobwe 1957 geschlossen, die beiden Hauptstollen geflutet und mit Beton-Platten versiegelt. Außerdem wurde die Mine von Soldaten bewacht.
Doch unter der Regierung von Mobutu wurde die Mine kurz vor dessen Sturz im Jahr 1997 wieder geöffnet. Mobutu suchte nach Möglichkeiten, sich gegen die Rebellen um Laurent Désiré Kabila zu behaupten. Auf Anordnung Mobutus wurde radioaktives Material aus den versiegelten Stollen mit Hilfe des staatlichen Unternehmens Gécamines verkauft und nach Europa transportiert, um mit dem eingenommenen Geld seine Armee aufzurüsten. Laut Recherchen Misabikos wurde in dieser Zeit fast ein Drittel der Produktion von Gécamines illegal aus dem Land geschafft.
Erneut wurde die Mine in Shinkolobwe unter Kabila im Januar 2004 offiziell geschlossen. Doch im Juli des selben Jahres gab es erste Anzeichen, daß die Mine nach wie vor in Betrieb war: Ein alter Stollen war zusammengebrochen und acht Minenarbeiter verloren ihr Leben. Dreizehn weitere wurden verletzt.
Als der Staats-Konzern Gécamines, der zeitweilig 70 Prozent der gesamten Export-Einnahmen der D.R. Kongo erbracht hatte, aufgrund von politischen Umbrüchen und als Folge der von der Weltbank erzwungenen Privatisierungen zerschlagen wurde, übernahmen private Bergbau-Gesellschaften das Eigentum und die Konten von Gécamines - auch die von Shinkolobwe. In der Folgezeit gab es aufgrund von Kriegen und wechselnden Regierungen keinerlei Kontrolle und eine Vielzahl einzelner Schürfer, Gruppierungen und kleinerer bis größerer Unternehmen nahm den Uran-Abbau wieder auf. Insgesamt hatten in dieser Zeit rund 60.000 Menschen Zugang zu der höchst gefährlichen und weitgehend strahlenverseuchten Mine. Die meisten von ihnen arbeiteten ohne Schutzvorkehrungen oder Schutzanzüge. Manche Minen-Arbeiter waren Minderjährige, einige von ihnen jünger als zwölf Jahre.
Laut Misabiko hatte die über viele Jahrzehnte fehlende Kontrolle der Mine zur Folge, daß jährlich rund 35.000 Tonnen Uran aus dem Kongo an Interessenten in der ganzen Welt gelangten. Der Transport verlief dabei über die Grenze von Kasumbalesa in der Provinz Katanga, durch Sambia oder Simbabwe bis zu den Häfen von Namibia, Südafrika und Tansania. Von dort gelangte das Uran nach Nord-Korea, Iran, China oder Pakistan.
Im Juli 2006 veröffentlichte ein Komitee des UN-Sicherheitsrates einen Bericht, der 149 Schürfstätten in der Region um Shinkolobwe zählte. Eine Untersuchung durch ExpertInnen hatte aufgedeckt, daß der Schmuggel von radioaktivem Material häufiger vorkam als angenommen.
Am 26. März 2009 besuchte der damalige französische Präsident Nikolas Sarkozy in einer Delegation zusammen mit der damaligen Areva-Chefin Anne Lauvergeon die D.R. Kongo. Trotz der Kürze des Aufenthalts von nur fünf Stunden in der Hauptstadt Kinshasa wurde ein Vertrag abgeschlossen, der es Areva erlaubt, Uran im gesamten Staatsgebiet zu fördern. Das Abkommen wurde weder im Parlament noch in der Öffentlichkeit debattiert. Am Tage ihres Besuchs verkündete Lauvergeon gegenüber Radio France International sowie über Radio und TV Congo National, daß es sich um das bedeutendste Abkommen in der Geschichte von Areva handele und daß es den Neid Vieler in der ganzen Welt hervorrufen werde.
Misabiko machte am Ende seines Vortrags deutlich, daß Staaten wie die D.R. Kongo trotz des Reichtums an Uran ebenso wie etwa der Niger, der als viertgrößter Uran-Lieferant der Welt gilt, weiterhin zu den ärmsten Ländern zählen. Laut einem Ranking der UN-Entwicklungsorganisation UNIDO steht der Niger an vorletzter und die D.R. Kongo an letzter Stelle.
Golden Misabiko war Leiter der ASADHO, einer afrikanischen Menschenrechts-Organisation. Bereits im Jahr 2001 hatte er sich mit dem Kabila-Regime angelegt. Die ASADHO protestierte gegen Todesurteile. Im Juli 2009 veröffentlichte ASADHO einen Bericht über den illegalen und äußerst gesundheitsgefährdenden Weiterbetrieb der Mine Shinkolobwe. Dann deckte er einen Deal auf, in dem Präsident Kabila unter Ausschluß von Öffentlichkeit und Parlament dem französischen Atom-Konzern Areva die Rechte für Erkundung und Abbau von Uran im gesamten Staatsgebiet übertrug. Dies führte zur Verhaftung Misabikos. Er wurde der "Verletzung der Staatssicherheit" angeklagt und verurteilt. Dank des Einsatzes von Amnesty International und Frontline Defenders kam Misabiko vorzeitig frei. Seit 2010 lebt er im Exil in Südafrika. Im vergangenen Jahr wirkte er bei dem Dokumentarfilm "Atomic Africa" mit.
Veranstalter der Vortrags an der Universität waren die Anti-Atom-Gruppe Freiburg, FESA, Transition Town Freiburg, BUND Ortsgruppe Freiburg, iz3w, ECOtrinova, Menschenrechte 3000 und das Eine Welt Forum Freiburg.
Anmerkungen
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