"Stop watching us"
Bundesweit Demos
gegen Geheimdienst-Schnüffelei
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Berlin (LiZ). Insgesamt mehr als 10.000 Menschen sind heute in rund 30 deutschen Städten gegen die von Whistleblower Edward Snowden ins öffentliche Bewußtsein gerückte Geheimdienst-Schnüffelei auf die Straße gegangen. Auf vielen selbstgestalteten Plakaten und Transparenten wurde auch die Bundesregierung scharf kritisiert.
Als der Demo-Zug mit rund 2000 Menschen in Berlin an der US-Botschaft vorbeikommt, skandieren auch viele auffällig "unauffällig" gekleidete Menschen: "Scheiß NSA!" Seit der Whistleblower Edward Snowden Anfang Juni Geheim-Dokumente vorlegte, aus denen eine flächendeckende Überwachung von Telefon-, eMail- und Internet-Kommunikation ersichtlich ist, dringt das Wissen um die Geheimdienst-Schnüffelei in immer breitere Bevölkerungskreise. Noch vor wenigen Jahren hatte diese Thematik kaum jemanden interessiert und ein 'taz'-Journalist mit grün gefärbtem Parteibuch konnte noch im Jahr 2007 in unverkennbarer Häme schreiben, der Volkszählungsboykott der Achtzigerjahre habe sich "aus diffusen Ängsten gespeist". Daß sich mehr als zwanzig Jahre zuvor auch renommierte Wissenschaftler wie Professor Hoimar von Ditfurth dem Boykott angeschlossen hatten, diffamieren Pseudo-Grüne heute mit Verdächtigungen wie: "Der Widerstand kam nicht nur von der Alternativbewegung, die ihre WG-Verhältnisse nicht offenbaren wollte. In der Mittelschicht hatte mancher Angst, daß das Finanzamt etwas von dem mit Schwarzgeld gebauten Zweithaus erfahren könnte."
Tatsächlich ist die Rundum-Überwachung durch Geheimdienste wie NSA, BND, MAD, "Verfassungsschutz" u.s.w. mit den Veröffentlichungen Snowdens nicht im strengen Sinne bewiesen. Frech behauptet die US-Regierung nach wie vor nichts anderes, als daß die durch Snowden veröffentlichten Geheim-Papiere gefälscht seien. Doch bereits am 17.03.2000 hatte der ehemalige CIA-Chef R. James Woolsey ebenso frech in einem Interview mit dem 'Wall Street Journal' bekundet, daß die Bespitzelung des eMail-Verkehrs deutscher Unternehmen gerechtfertigt sei, weil "die Europäer potentielle Abnehmerstaaten bestechen" (siehe die Anmerkung im Artikel v. 21.01.2001).
Zu den heutigen Demonstrationen gegen die Geheimdienst-Schnüffelei hatte unter anderem das globale Bündnis '#StopWatchingUs' aufgerufen. Seltsam mutet es an, daß nun plötzlich Pseudo-Grüne, die in der "rot-grünen" Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder eine gigantische Ausweitung der Bespitzelung mitgetragen hatten, versuchen, sich an die Spitze der Proteste zu stellen. Falsch wird deshalb ein Satz wie der des Mitglieds des Bundesvorstands der Pseudo-Grünen, Malte Spitz, nicht: "Wenn Millionen Deutsche permanent überwacht werden, schränkt das die Freiheit ein und entbehrt jedweder Verhältnismäßigkeit." Auch von Kanzler-Kandidat Peer Steinbrück, der nun ebenfalls versucht, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, war in all den Jahren nie Kritik an der unter Schröder ausgeweiteten Bespitzelung zu hören. Doch für besondere Erheiterung unter den DemonstrantInnen sorgte Außenminister Guido Westerwelle, der neuerdings einen "Beauftragten für Cyber-Außenpolitik" einsetzen will. Vorgesehen für diesen PR-Job ist laut einer Meldung der 'Süddeutschen Zeitung' ausgerechnet der frühere NATO-Mitarbeiter Dirk Brengelmann.
In Hamburg folgten dem Demo-Aufruf sogar rund 3000 Menschen (Polizei: 700). In Berlin hatten die AnmelderInnen nur mit 500 TeilnehmerInnen gerechnet, es kamen rund 2000, die Polizei sprach von 600. In Frankfurt am Main beteiligten sich an der recht kurzfristig bekanntgemachten Demo immerhin rund 2000 Menschen, in München und Karlsruhe je rund 500. Auch in Dresden, Leipzig, Köln (400), Hannover, Stuttgart, Ulm und Tübingen demonstrierten mehrere hundert Menschen.
Auf Plakaten wurde etwa Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich mit Superman-Dress karikiert; "Supergrundrecht-Man" war darauf zu lesen. Viele Plakate zeigten die Abwandlung des ikonisierenden Wahlkampf-Portraits und Time-Titelbildes von Barack Obama, dem die Kopfhörer des fiktiven Stasi-Hauptmanns Gerd Wiesler aus dem Film "Das Leben der Anderen" aufgesetzt wurden - Überschrift "Yes we scan". Originell war auch ein Transparent mit der Aufschrift: "Lest das Grundgesetz, nicht unsere eMails". Viele DemonstrantInnen stimmten mit der Forderung des Datenschutzbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, überein: "Asyl für Edward Snowden!" Viele bekundeten auch Solidarität mit dem in den USA angeklagten Bradley Manning.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Big Brother hört mit
Hintertür per SIM-Karte (21.07.13)
Microsoft half offenbar bei Schnüffelei
und unterstützte NSA
beim Umgehen von Verschlüsselungen (12.07.13)
Snowden entwischt
Whistleblower flieht nach Ecuador (23.06.13)
Snowden: Britischer Geheimdienst GCHQ
spitzelt noch extremer als NSA (17.06.13)
Prism ist nichts Neues
Whistleblower macht latenten Skandal publik (7.06.13)
Big Brother wächst
Bundesrat macht Weg frei für Überwachungs-Staat (3.05.13)
"Anti-Terror-Datei"
Urteil der Bundesverfassungsgerichts
ebnet Weg zu neuer Gestapo (25.04.13)
Big Brother liest mit
Allein im Jahr 2011: 2,9 Millionen eMails und SMS (5.04.13)
Daniel Cohn-Bendit als Lobbyist
für Facebook & Co. (27.03.13)
Datenschutz und Meldegesetz
Verpatzter Schnellschuß im Bundestag (7.07.12)
Witz der Woche
Privatsphäre bei facebook (4.07.12)
Dein Handy, der Bewegungsmelder
Mobilfunkanbieter speichern illegal (18.06.12)
Schaar: Mit Staats-Trojaner
wurden Grundrechte verletzt (16.02.12)
Max-Planck-Institut:
Vorratsdatenspeicherung völlig ineffektiv (27.01.12)
Sicherheitslücke bei Apple entdeckt
IT-Sicherheitsexperte ausgesperrt (9.11.11)
Trojaner-Skandal weitet sich aus
"Big Brother" kann noch mehr (19.10.11)
0zapftis
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Verfassungsignoranz und Dilettantismus (8.10.11)
Vorratsdatenspeicherung
Schünemann bestätigt KritikerInnen (6.06.11)
Daten-Skandal
Schnüffel-Software in Apples iPhone (21.04.11)
Big Brother Award 2011 für
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ist im Anmarsch (22.02.11)
EU-Kommissarin Malmström
kämpft weiter für Internet-Zensur (17.02.11)
EU mit Appetit auf Passagier-Daten
Speicherung angeblich zum Zweck der Terrorabwehr
(3.02.11)
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