Snowden beibt vorerst in Rußland
"Keine Auslieferung an USA"
Moskau (LiZ). Der Whistleblower Edward Snowden hat in Rußland politisches Asyl erhalten und danach den Flughafen Scheremetjewo nach 39 Tagen in der Transitzone verlassen. Es ist die Rede von einem US-amerikanischen Boykott der Olympischen Spiele in Sotschi.
Der 30-jährige Snowden, der das Verdienst hat, die Weltöffentlichkeit auf die flächendeckende Schnüffelei der US-amerikanischen Geheimdienste aufmerksam gemacht zu haben, erhielt eine russische Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr. Nach Angaben seines russischen Anwalts Anatoli Kutscherena hat er vorläufiges Asyl für ein Jahr erhalten. In dieser Zeit könne er sich in Rußland frei bewegen.
Snowden soll den Moskauer Flughafen Scheremetjewo mit einem Taxi verlassen haben. Sein neuer Aufenthaltsort ist unbekannt. "Er ist derzeit einer der meistgesuchten Menschen der Welt", sagte sein Anwalt. Solange sich Snowden nicht mit dem russischen oder chinesischen Regime einläßt, bleibt er für die USA gefährlich. Ansonsten kann die US-Regierung ihn als Verräter denunzieren. Deshalb will Snowden auch in ein südamerikanisches Land weiterreisen. Mehrere Regierungen hatten ihm Asyl angeboten. Doch ohne Papiere saß er im Moskauer Flughafen fest.
Nachdem Snowden von Hongkong kommend am 23. Juni in Moskau eintraf, um von dort nach Ecuador weiterzufliegen, hatte die US-Regierung seinen Paß annulliert und so den Weiterflug verhindert. Wie weit der lange Arm der US-Regierung reicht, zeigte sich am 3.07., als der bolivianischen Präsidenten Evo Morales gezwungen wurde, in Wien zwischenzulanden. Mehrere europäische Regierungen hatten auf den Druck aus den USA reagiert und der aus Moskau kommenden Präsidenten-Maschine die Überflugrechte entzogen. Der Grund: Der bolivianische Präsident stand im Verdacht, er habe Snowden an Bord genommen. Morales mußte eine "freiwillige" Durchsuchung seines Flugzeugs über sich ergehen lassen.
Snowdens Vater hatte seinem Sohn vor wenigen Tagen empfohlen, in Rußland zu bleiben. "Ich denke, daß Rußland fest entschlossen und in der Lage ist, meinen Sohn zu beschützen," sagte Lon Snowden dem Fernsehsender Rossia 24. "Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich in Rußland bleiben."
Das vorläufige Asyl dürfte die Beziehungen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama weiter belasten. Obama beabsichtigte im September zu einem Treffen mit Putin nach Moskau zu fliegen und anschließend an einem G-20-Gipfel in St. Petersburg teilzunehmen. Der US-Senat hat bereits Sanktionen gegen Regierungen vorangetrieben, die Snowden Asyl anbieten. Dazu gehörten neben der russischen auch die Venezuelas, Nicaraguas und Boliviens. Snowden könnte während seines bis zu einjährigen Aufenthalts in Rußland eine verdeckte Weiterreise in eines der lateinamerikanischen Länder planen.
Bereits am 3. Juli hatte US-Außenminister John Kerry die russische Regierung mit "Folgen" gedroht, falls Snowden nicht ausgeliefert werde. Heute sprach der "republikanische" Senator und ehemalige Präsidentschaftskandidat John McCain von einer Ohrfeige für die USA und forderte eine angemessene Antwort auf die Asylgewährung für Snowden. Senator Charles Schumer drohte, der Kreml werde nicht so einfach davonkommen. Sein Kollege Lindsey Graham schlug vor, die Olympischen Spiele in Sotschi zu boykottieren. Außerdem wurde US-Präsident Barack Obama in einem Resolutionsentwurf aufgerufen, den G20-Gipfel von St. Petersburg an einen anderen Ort verlegen zu lassen.
Snowdens Enthüllungen sind für Obama vor allem ein innenpolitisches Problem. Er ist daher daran interessiert, daß die Causa Snowden in Vergessenheit gerät. Eine Rückkehr Snowdens in die USA würde das Bewußtsein von dem antidemokratischen und die Freiheit unterminierenden Treiben der Geheimdienste in der Öffentlichkeit wach halten und dem Nimbus Obamas, der seit seiner ersten Wahl im Jahr 2008 stetig am verblassen ist, weiter schaden (Siehe auch unseren Artikel v. 9.10.08).
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
"Stop watching us"
Bundesweit Demos gegen Geheimdienst-Schnüffelei
(27.07.13)
Big Brother hört mit
Hintertür per SIM-Karte (21.07.13)
Microsoft half offenbar bei Schnüffelei
und unterstützte NSA
beim Umgehen von Verschlüsselungen (12.07.13)
Snowden entwischt
Whistleblower flieht nach Ecuador (23.06.13)
Snowden: Britischer Geheimdienst GCHQ
spitzelt noch extremer als NSA (17.06.13)
Prism ist nichts Neues
Whistleblower macht latenten Skandal publik (7.06.13)
Big Brother wächst
Bundesrat macht Weg frei für Überwachungs-Staat (3.05.13)
"Anti-Terror-Datei"
Urteil der Bundesverfassungsgerichts
ebnet Weg zu neuer Gestapo (25.04.13)
Big Brother liest mit
Allein im Jahr 2011: 2,9 Millionen eMails und SMS (5.04.13)
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