Tausende Polinnen
gegen Verschärfung des Abtreibungs-Verbots
Warschau (LiZ). Auf einer Demo in Schwarz haben am Samstag tausende Polinnen und Polen vor dem Parlament in Warschau gegen einen Gesetzes-Entwurf zum vollständigen Verbot von Abtreibung demonstriert. Aufgerufen hatte das Komitee 'Rettet die Frauen'.
Das polnische Komitee 'Stoppt Abtreibung' konnte mit Unterstützung der katholischen Kirche die Initiative für einen Gesetzes-Entwurf im Parlament lancieren, mit dem das weitestgehende Abtreibungs-Verbot in Europa durchgesetzt werden soll. Von der regierenden reaktionären 'Partei für Recht und Gerechtigkeit' (PiS) und ihrer Ministerpräsidentin Beata Szydlo wurde dies mit Verve umgesetzt. Schwangerschafts-Abbrüche sollen in Polen zukünftig nur noch erlaubt sein, wenn das Leben der Schwangeren unmittelbar bedroht ist. Laut diesem vorliegenden Gesetzes-Entwurf, dem am 23. September in erster Lesung eine Mehrheit der polnischen ParlamentarierInnen zugestimmt hat, werden sowohl die ausführenden ÄrztInnen als auch die betroffenen Frauen mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht.
Das aktuelle und schon seit 1993 bestehende polnische Abtreibungs-Verbot ist bereits so scharf wie fast nirgendwo sonst in Europa. Erlaubt ist ein Schwangerschafts-Abbruch nur bei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren, Hinweise auf eine schwere unheilbare Erkrankung des Fötus oder bei Vergewaltigung oder Inzest. Dennoch ließ die polnische Bischofskonferenz im April einen "Hirten-Brief" in den Gottesdiensten verlesen, in dem die Politik aufgefordert wurde, "für den vollen Schutz des Lebens von der Zeugung an" zu sorgen.
Dabei ist es mehr als fraglich, ob das neue Gesetz überhaupt - mal abgesehen von unbewußten Motiven - die von den Abtreibungs-GegnerInnen erhoffte Wirkung hätte. Denn in der Realität verhindern Verbote keine Abtreibungen. Sie bewirken lediglich, daß Frauen diese unter oft fragwürdigen sowie unhygienischen Bedingungen im Geheimen durchführen und somit ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen. Das beweist eine Untersuchung des Guttmacher-Instituts auf der Grundlage der Daten von Abtreibungen weltweit in den Jahren 1990 bis 2014.
Darin wird ersichtlich, daß in Ländern, wo Abtreibungen ausnahmslos verboten sind, durchschnittlich 37 von 1000 Frauen im Alter zwischen 15 und 44 Jahren abgetrieben haben. In Nicaragua, Chile, El Salvador, der Dominikanischen Republik und Malta herrscht ein Totalverbot der Abtreibung. Dies bedeutet konkret: Auch wenn das Leben der Frau in Gefahr ist, gibt es keine legale Möglichkeit.
In Ländern, wo eine Abtreibung jedoch erlaubt ist, ist diese Zahl sogar geringer: Nämlich durchschnittlich nur 34 Frauen von 1000 haben hier eine Schwangerschaft angebrochen. Auch die InitiatorInnen der heutigen Demo erklärten, ihr Ziel sei es, daß in Polen so wenig Abtreibungen wie möglich stattfänden. Doch dieses Ziel könne mit besserem Sexualkunde-Unterricht in den Schulen und mit einfacherem Zugang zu Verhütungsmitteln erreicht werden - statt mit einem fundamentalistischen und irrationalen Abtreibungs-Verbot.
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jährlich über 68.000 Frauen weltweit, weil ihre Abtreibungen von Personen durchgeführt wurden, die keinerlei medizinische Ausbildung oder Ausstattung haben - und Millionen Frauen leiden an Komplikationen oder sogar lebenslangen gesundheitlichen Problemen.
"Ich bin wirklich wütend auf diese Anzugträger, die über das Leben von Menschen bestimmen wollen, die sich in einer unerträglichen Lage befinden," sagt Anna Blumsztajn bei der Demonstration in Warschau. "Stoppt die Fanatiker an der Macht," ist auf Plakaten der Demonstrantinnen zu lesen.
Anmerkungen
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