Explosionen in Atommüll-Deponie
im US-Staat Nevada
Carson City (LiZ). In einer unterirdischen, seit 1992 geschlossenen Atommüll-Deponie in der Nähe der Gemeinde Beatty war es am 18. Oktober zu mehreren Explosionen gekommen. Der anschließende Brand konnte mangels geeigneter Löschmittel nicht bekämpft werden. Die Mindesthaltbarkeitsdauer der für Millionen Jahre versprochenen Sicherheit ist offenbar schon nach weniger als einem Vierteljahrhundert abgelaufen.
Trotz einer offensichtlichen Nachrichtensperre durch überregionale Mainstream-Medien erreichte die brisante Nachricht Europa - mit einiger Verzögerung. Gestern berichtete der britische 'Guardian'. Es handelt sich nicht um den ersten Brand in einer US-amerikanischen Atommüll-Deponie (Siehe unsere Artikel v. 30.03.14, v. 27.02.14 und v. 16.02.14). Im vergangenen Jahr hieß es allerdings noch - fälschlich - bei der WIPP im US-Bundesstaat New Mexico handele es sich um die einzige unterirdische Atommüll-Deponie der USA. Offenbar existieren weitere Atommüll-Deponien in Barnwell, SC, und Richland, Wash.
Wie zum Hohn lautet der Name des privaten Unternehmens, das für die Atommüll-Deponie in der Nähe der Gemeinde Beatty, einer 1000-EinwohnerInnen-Gemeinde im Nye County im Süden des US-Bundesstaates Nevada, zuständig war: US Ecology. US-Behörden veröffentlichten nach öffentlichem Druck am 20. Oktober ein Video (ohne Tonspur) einer Überwachungs-Kamera, das 40 Sekunden der durch die Erdoberfläche schießenden Explosionen mit weißem Rauch und umherfliegendes Material zeigt.
Die Explosionen vom 18. Oktober in den USA beweisen, daß unterirdisch gelagerter Atommüll schon nach weniger als 25 Jahren nicht allein dann gefährlich werden kann, wenn er in Kontakt mit dem Grundwasser kommt, sondern auch, wenn sich - aufgrund welcher chemischen Reaktionen auch immer - eine Explosion in einer Atommüll-Deponie ereignet.
Das Gelände der 1992 geschlossenen Beatty-Atommüll-Deponie befindet sich rund 200 Kilometer nordwestlich von Las Vegas. Nach offiziellen Angaben lagert dort ausschließlich schwach-radioaktiver Atommüll. Doch der Betreiber hatte nach Angaben der Behörden schon vor 1992 durch Leckagen bei Transporten und laxe Aufsicht Ärger bekommen. So mußte die Lizenz der Firma etwa wegen falscher Handhabung bei Transporten in den 1970er-Jahren einmal ausgesetzt werden. 1979 hatte radioaktiver Atommüll in einem LkW auf dem US-Highway 95 in der Nähe des Tores der Deponie gebrannt. In den 1980er-Jahren wurden immer wieder undichte Lastwagen beanstandet. Die Firma US Ecology wurde im Jahr 2010 von der US-Behörde EPA mit einer Strafe von 500.000 US-Dollar belegt. Staatliche Inspekteure hatten zuvor in einer von US Ecology betriebenen "Entsorgungs"-Anlage für gefährlichen Industrie-Müll undichte Container entdeckt. Zudem waren die vorgeschriebenen Betriebs-Protokolle und Pflicht-Dokumentationen unvollständig und im Rauch der Anlage waren gefährliche Stoffe enthalten. Nach Angaben von JoAnn Kittrell, Sprecherin des Naturschutz-Departments von Nevada, nahm die Firma im Lauf von 5 Jahren mehr als 10 Millionen US-Dollar an Gebühren für die Einlagerung von gefährlichem Müll ein.
Die Firma US Ecology, die vor ihrer Umbenennung im Jahr 1981 'Nuclear Engeneering' (deutsch: Nuklear-Technik) hieß, erklärte, die Beatty-Atommüll-Deponie sei "unter verschiedenen Namen und verschiedenen Eigentümern" betrieben worden. Heute führt das Unternehmen demnach fünfzehn Einrichtungen zur Gefahrstoff-Behandlung, -Lagerung und -Deponierung im gesamten Land.
Die Beatty-Atommüll-Deponie nahm ihren Betrieb im Jahr 1962 auf, wurde 1992 geschlossen und 1997 ging das Gelände in den Besitz des US-Bundesstaates Nevada über. Martin Azevedo, ein staatlicher Brandschutz-Experte, inspizierte das Gelände der Beatty-Atommüll-Deponie am Mittwoch, 21. Oktober. Aus seinem Bericht geht hervor, daß sich im Explosions-Krater Feuchtigkeit erkennen läßt. Stark korrodierte Atommüll-Fässer mit einem Volumen von rund 200 Liter lägen in und um den Krater mit einem Durchmesser von rund 10 Metern. Trümmer seien im Umkreis von rund 60 Metern verstreut. Zwei der Fässer wurden außerhalb der Umzäunung gefunden.
Laut Aufzeichnungen der Bundesbehörden wurden rund 130 Millionen Liter nicht-flüssiger schwach-radioaktiver Atommüll im Untergrund des rund 160.000 Quadratmeter großen Geländes bei Beatty versenkt. Genehmigt war die Einlagerung von radioaktiv kontaminiertem Werkzeug, von Schutzkleidung, Maschinenteilen, medizinischem Gerät und Laborbedarf. Der frühere Gouverneur von Nevada, Robert List, der 1979 eine Untersuchung und die - vorübergehende - Schließung der Beatty-Atommüll-Deponie angeordnet hatte, erklärte dieser Tage: "Ich habe meine Zweifel, ob überhaupt jemand irgendwann herausbekommt, was sich tatsächlich unter der Erdoberfläche des Deponie-Geländes befindet." Und der frühere US-Senator Richard Bryan, Generalstaatsanwalt unter Gouverneur List und dessen Amtsnachfolger erinnert sich, es sei niemals die Rede davon gewesen, daß feuergefährliche Stoffe in der Atommüll-Deponie hätten eingelagert werden dürfen.
Wegen fehlender Informationen über die chemischen Eigenschaften der Stoffe, die zur Explosion und dem anschießenden unterirdischen Brand geführt hatten, konnte das Feuer am Sonntag, 18. Oktober, nicht mit Wasser gelöscht werden. Andere Löschmittel standen nicht zur Verfügung und so mußte abgewartet werden, bis der Brand von selbst erlosch. Feuerwehr-Chef Peter Mulvihill sagte am Dienstag, 20.10., die ErmittlerInnen hätten keinerlei Informationen, was die Ursache der "energetischen Verbrennung" in der Beatty-Atommüll-Deponie sei. Der unterirdische Brand habe eine ungewöhnlich starke Hitze entwickelt. Offenbar besteht Grund zu der Vermutung, daß eindringendes Wasser bei einer Reaktion mit deponierten Chemikalien die Explosionen und den Brand verursacht hat.
Das US-Energie-Ministerium, das zugleich für die Atomwaffen zuständig ist, hat offenbar die Messung von Gamma-Strahlung am 19.10. veranlaßt. Diese von Hubschraubern aus über der Beatty-Atommüll-Deponie vorgenommen Messungen haben laut unbestätigten Aussagen von vier Soldaten der Nationalgarde keine Befunde geliefert.
In einer Stellungnahme der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg heißt es, der Unfall in der Beatty-Atommüll-Deponie werfe erneut die Frage auf, ob es verantwortbar sei, hoch-radioaktiven Atommüll zusammen mit gas-entwickelnden und brennbaren radioaktiven Abfällen in ein und derselben Deponie abzulagern. BI-Sprecher Wolfgang Ehmke kritisiert vor diesem Hintergrund die jüngste Entscheidung von "Umwelt"- und Atom-Ministerin Barbara Hendricks, von dem Konzept abzuweichen, hoch-radioaktiven Atommüll getrennt von schwach- und mittel-radioaktiven Abfällen zu deponieren. Mit der 14. Novelle zum Atomgesetz hat der Deutsche Bundestag in diesem Monat mehrheitlich beschlossen, in einem "Endlager" eine solche Mischung von radioaktivem Müll zuzulassen. Hiermit wurde auch in den vermeintlichen Auftrag der Atommüll-Endlager-Kommission eingegriffen. Diese sollte - offiziell - Sicherheits-Anforderungen und Endlager-Kriterien für einen zu findenden Ort definieren, in dem hoch-radioaktiver Atommüll eingelagert werden könne.
Bis heute gibt es weder in den USA noch sonst irgendwo auf der Welt ein "Endlager" für hochradioaktiven Atommüll. Im Jahr 2004 wurde das US-amerikanische Endlager-Projekt vorläufig gestoppt: Ein US-amerikanisches Gericht bemängelte in seinem Urteil über die Pläne, hochradioaktiven Müll im Yucca Mountain in Nevada einzulagern, die von der US-Regierung abgegebene Sicherheitsgarantie für 10.000 Jahree. Diese sei unzureichend.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Wendland steht zusammen
Kotting-Uhl erlebt Fiasko als "Botschafterin" (1.10.15)
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Bundeskabinett setzt weiter auf Gorleben
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Info-Serie Atomenergie - Folge 12