"Schwarz-Rot-Gelb-Grün" einigt sich
auf Endlager-Such-Gesetz
Ziel bleibt Gorleben
Berlin (LiZ). Trotz ein wenig Gerangel um Details hat sich "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" darauf verständigt, mit einem gemeinsamen Gesetz den "Neustart der Endlagersuche" noch vor der Bundestagswahl am 22. September in die Wege zu leiten. Diese Vereinbarung läuft auf die Festlegung des hierfür ungeeigneten Gorlebener Salzstocks als Deponie für hochradioaktiven Müll hinaus.
In der Schweiz läuft alles auf die ebenfalls aus wissenschaftlicher Sicht für ein Atommüll-Endlager ungeeignete Opalinuston-Schicht unter dem Ort Benken im Zürcher Weinland hinaus. Bereits vor fünf Jahren versuchte die Schweizer Regierung mit einem "Neustart der Endlagersuche" davon abzulenken, daß die Auswahl längst getroffen ist.
In Deutschland und insbesondere vom pseudo-grünen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann wurde das in der Schweiz praktizierte "Auswahlverfahren" zur Findung eines Endlagers für hochradioaktiven Müll aus Atomkraftwerken als Musterbeispiel für ein transparentes, demokratisches Vorgehen gelobt. So hieß es etwa in einem Artikel der 'Badischen Zeitung' vom 16. Juni 2009: "Vor allem sind von Anfang an klare Kriterien festgehalten, nach denen die Suche erfolgt,..." Dies widerspricht jedoch diametral den Tatsachen (siehe unseren Artikel v. 18.06.09). Am 20. November 2010 erklärte Winfried Kretschmann, damals Landesvorsitzende der Pseudo-Grünen, in einem Interview mit der 'Badischen Zeitung' in Hinblick auf den deutschen "Endlager-Standort" Gorleben: "Wir brauchen ein transparentes Verfahren mit Bürgerbeteiligung nach Schweizer Muster."
Bundes-Atom-Minister Peter Altmaier ist dem Rat Kretschmanns seit seinem Amtsantritt im Mai 2012 offenbar konsequent gefolgt. Kretschmann bot öffentlichkeitswirksam an, in Baden-Württemberg die Suche nach einem potentiellen Endlager-Standort zuzulassen und auch den Weg frei zu machen, um CASTOR-Behälter aus La Hague und Sellafield in den Zwischenlagern der baden-württembergischen Atomkraftwerke Neckarwestheim und Philippsburg einzulagern: "Irgendwo muß das Zeug halt hin!" Für den 31. Mai hatte Bundes-Atom-Minister Peter Altmaier zu einem "Bürgerdialog" nach Berlin eingeladen. Doch 16 der 17 Bürgerinitiativen an Orten heutiger Zwischenlager sagten zu Altmaiers Einladung "Nein Danke". Und auch große Umweltschutz-Organisationen wie Greenpeace und der BUND erklärten, sich nicht an diesem "Bürgerdialog" zu beteiligen. Olaf Bandt, Bundesgeschäftsführer des BUND, sagte: "Das ist die Perversion von Bürgerbeteiligung." (Siehe unseren Artikel v. 29.05.13)
Auch in Frankreich ist die Regierung Hollande auf diese Marschrichtung umgeschwenkt: Im Mai sollte ein "Anhörungsverfahren" starten, obwohl Alternativen zu dem bereits 1994 festgelegten Standort Bure nie ernsthaft in Erwägung gezogen wurden (siehe unseren Artikel v. 7.06.13).
In Deutschland läuft es nicht anders als in der Schweiz und in Frankreich. Noch vor der Landtagswahl in Niedersachsen im Januar sprach "Rot-Grün" davon, eine neue Endlagersuche käme nur unter Ausschluß von Gorleben zustande. Das WählerInnen-Potential im Wendland kann schließlich bei einer niedersächsischen Landtagswahl den Ausschlag geben. Doch bereits im März brach die neugewählte "rot-grüne" Landesregierung ihr Wahlversprechen. Bei den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat ist die Zustimmung Niedersachsens für Altmaiers "Endlager-Such-Gesetz" notwendig.
Dafür, daß Gorleben in der "Auswahl" bleibt, hatte Altmaier der niedersächsischen Landesregierung angeboten, daß keine weiteren CASTOR-Behälter mit hochradioaktivem Müll nach Gorleben transportiert werden sollen. Dort stehen bereits 113 CASTOR-Behälter in einer oberirdischen Leichtbauhalle und strahlen so stark, daß die gesetzlichen Grenzwerte am Zaun des Geländes überschritten wurden.
Gerangel gab es nun zwischenzeitlich allerdings um die ungeklärte Frage, wohin denn nun die insgesamt 26 CASTOR-Behälter aus den Plutonium-Fabriken La Hague und Sellafield transportiert werden sollen. Denn die deutsche Regierung hat - im Dienste der "Großen Vier" - Verträge abgeschlossen, bis wann der Atommüll aus deutschen Atomkraftwerken zurückgenommen werden soll. Für die deutsche Regierung bestünde allerdings keine Pflicht, diese "völkerrechtlich verbindlichen" Verträge einzuhalten. Eine demokratische Regierung könnte diese zumindest solange auszusetzen, bis sämtliche Atomanlagen in Deutschland stillgelegt sind und - danach - in einem transparenten Auswahl-Verfahren der Standort ermittelt wird, wo der Atommüll mit dem geringsten Risiko gelagert werden kann. Stattdessen wurde in deutschen Mainstream-Medien suggeriert, es bestehe Zeitdruck: "Die 26 CASTOR-Behälter müssen irgendwohin."
Übrigens hatte die japanische Regierung im Jahr 2001 ihre Verträge mit der britischen Plutonium-Fabrik Sellafield zeitweise ausgesetzt, ohne Probleme zu bekommen. Und hinzuweisen ist auch darauf, daß es sich keineswegs um "Frankreich und England" handelt, denen "deutscher Atommüll" wieder abgenommen werden müsse: Die britische und die französische Regierung wollten im Interesse der atomaren Bewaffnung den Müll der deutschen Atom-Konzerne, um daraus das für die Atombombe benötigte Plutonium zu gewinnen. Und in wessen Interesse das neue "Endlager-Such-Gesetz" formuliert wurde, läßt sich daran erkennen, was darin fehlt: Die Kosten für die Erkundung anderer potentieller Endlager-Standorte sollen keineswegs die Verursacher des Atommülls finanzieren. Von einer finanziellen Beteiligung der "Großen Vier" ist an keiner Stelle die Rede. Dieses Gesetz soll nun "planmäßig" bis zum 5. Juli von Bundestag und Bundesrat von "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" beschlossen werden.
Und nun gibt es plötzlich keinen Zeitdruck mehr: Wohin die 26 CASTOR-Behälter aus den Plutonium-Fabriken La Hague und Sellafield transportiert werden, soll erst Anfang 2014 nach der Bundestagswahl geklärt werden. Noch vor wenigen Monaten hatte "Rot-Grün" erklärt, daß die 26 CASTOR-Behälter auf AKW-Zwischenlager in mindestens drei Bundesländern verteilt werden sollen und daß diese Lastenverteilung eine Bedingung für die Zustimmung zum Endlager-Such-Gesetz sei. Trotz Bemühungen Altmaiers hatten aber die "schwarz-gelb" regierten Bundesländer Hessen und Bayern jedes Entgegenkommen verweigert. "Der Beschluß, bis 2014 diese Lastenverteilung zu vertagen, zeigt, daß der Parteien-Kompromiss zum angeblichen Neustart der Endlagersuche völlig hohl ist," kommentiert die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg.
Anmerkungen
Siehe auch unseren Artikel:
Französische Regierung treibt Endlager-Projekt
in Bure voran (7.06.13)
"Nein Danke" zu Altmaiers Einladung
Anti-AKW-Gruppen lehnen Perversion
der Bürgerbeteiligung ab (29.05.13)
Fanatische Hetze gegen Holger Strohm
Qui bono? (7.05.13)
Atommüll im Ärmelkanal
und in den Weltmeeren (11.04.13)
Niedersachsen: "Rot-Grün" bricht
Wahlversprechen zu Gorleben (25.03.13)
"Rot-Grün" in Niedersachsen
Ist das "Nein" zu Gorleben glaubwürdig? (8.02.13)
Niedersachsen bleibt schwarz
Kein Lichtblick für Gorleben (20.01.13)
"Schwarz-Gelb" schafft Grundlage für Atommüll-Export
AtomkraftgegnerInnen kritisieren Dammbruch (4.01.13)
Bundes-Atom-Minister Altmaier sagt:
"Ich stoppe Gorleben!" (30.11.12)
Bau-Stop in Gorleben
Bürgerinitiative feiert Sensation (13.11.12)
Greenpeace: Gorleben als Endlager
genügt nicht einmal behördlichen Sicherheitsstandards
(26.09.12)
Im Salz unter Gorleben
wird illegal weitergebaut (20.08.12)
BI Lüchow Dannenberg warnt
vor neuem Endlagersuchgesetz (29.07.12)
Transparente Schweizer Endlager-Suche?
Illusion um Benken geplatzt (2.07.12)
Gorleben: Atomarer Irrweg wird fortgesetzt
Weitere CASTOR-Transporte angekündigt (7.06.12)
"Versuchs-Endlager" Asse II
Rückholung des Atommülls weiter verzögert
BfS bereitet stattdessen Flutung vor (31.05.12)
BUND fordert Transparenz bei Endlagersuche
Transparenz bei einer Farce? (22.02.12)
Endlagersuche in der Schweiz
20 "Standortareale" - ein Ziel: Benken (19.01.12)
Röttgen verplappert sich:
Illegaler Bau im Gorlebener Salzstock (2.01.12)
Geologe warnt
vor geplantem "Endlager" Gorleben (13.12.11)
Bergung des Atom-Mülls aus Asse II
weiter verzögert
Bundes-"Umwelt"-Ministeriumn betreibt Obstruktion
(8.12.11)
Strahlen-Skandal Gorleben
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages
widerspricht Landesregierung (20.11.11)
Genehmigung für CASTOR-Transport
trotz Strahlen-Skandal (31.10.11)
Strahlen-Skandal in Gorleben
Grenzwert am Zaun bereits seit 2003 überschritten
(30.09.11)
Radioaktiver Müll in Gorleben
hohe Strahlenbelastung am Zaun (25.08.11)
Atommüll-Endlager in Deutschland?
EU macht Druck (20.07.11)
Atommüll-Endlager in der Schweiz?
Unmögliches soll realistisch erscheinen (12.07.11)
13. CASTOR nach Gorleben
angekündigt (3.06.11)
Atom-Ausstieg in der Schweiz?
Regierung versucht Volksverdummung (26.05.11)
Gorlebener Salzstock vielfach angebohrt
Der Berg schlägt zurück (15.04.11)
Stark erhöhte Radioaktivität
im "Versuchs-Endlager" Asse II (14.04.11)
Drei Monate Denkpause
auch für Gorleben? (30.03.11)
"Versuchs-Endlager" Asse II
Wasserzutritt verdoppelt (15.12.10)
Erhöhte Krebs-Rate
um das "Versuchs-Endlager" Asse II (25.11.10)
Parteitag der Pseudo-Grünen
Gorleben als Verhandlungsmasse (21.11.10)
Neue wissenschaftliche Studie:
AKW und tote weibliche Embryos (19.11.10)
Akten über Explosion im Jahr 1969
Erdgas unter Gorleben (13.09.10)
Weiterer Erfolg des Gorleben-Widerstands:
Verwaltungsgericht Lüneburg stoppt Datensammlung
(4.09.10)
CASTOR-GegnerInnen siegen
vor Bundesverfassungsgericht (26.08.10)
Der Endlager-Schwindel
Greenpeace veröffentlicht Akten zu Gorleben (13.04.10)
In Asse II wird probegebohrt
Weitere Zeitverzögerung vor der Rückholung (27.03.10)
Einsturzgefahr im "Versuchs-Endlager" Asse II
Atommüll wird rückgeholt (15.01.10)
Endlager-Standort Gorleben
Bei der Auswahl spielte Geologie kaum eine Rolle
(10.01.10)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Mit Spezialbeton Hohlräume verfüllt (8.12.09)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Decke eingestürzt (9.10.09)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Rückholung des Atommülls laut Bundesamt möglich
(2.10.09)
Verstärkter Laugeneinbruch
im "Versuchs-Endlager" Asse II (18.09.09)
Skandal-Serie Asse II: Noch mehr Plutonium
im "Versuchs-Endlager" (29.08.09)
Skandal-Serie Asse II:
Hochradioaktiver Müll im "Versuchs-Endlager"?
MONITOR veröffentlicht Siemens-Unterlagen (24.07.09)
Skandal-Serie Asse II:
Erneuter Fund radioaktiver Lauge (15.07.09)
Skandal-Serie Asse II:
Nun auch noch Sprengstoff (26.06.09)
Desinformation in der 'Badischen Zeitung'
Die Schweizer Endlager-Suche (18.06.09)
Asse II: Strom-Konzerne drückten
die Sicherheits-Standards (3.06.09)
Asse II: Mehr radioaktiver Müll als vermutet
Greenpeace findet Hinweise auf zu niedrige Angaben
in den Inventar-Listen (7.05.09)
Asse II: Einsturzgefahr in Kammer 7 akut
(29.04.09)
Asse II diente auch der Bundeswehr als Atomklo
Endlager-Skandal nimmt immer neue Dimensionen an
(24.04.09)
Asse II: Auch Fässer mit Pestiziden,
Arsen und Blei im "Versuchs-Endlager" Asse II (15.04.09)
Versuchslager Asse II
Wer hat den radioaktiven Müll produziert? (23.02.09)
Lauge aus Atommüll-Lager Asse erneut nach 'Mariaglück'
Dringend nötige Rückholung weiter verzögert (7.02.09)
Einsturzgefahr im Atommüll-Lager Asse
Seit Dezember nicht veröffentlicht (15.01.09)
Demo gegen Schweizer
Atom-Endlager in Benken (20.09.08)
Asse II: Der Wechsel zum BfS ist nur Pop
Rückholung des radioaktiven Mülls bislang nicht geplant
(5.09.08)
Gefahr durch atomares Versuchslager Asse II
nicht länger geleugnet
Atom-Minister Gabriel: "Zustände in Asse sind unhaltbar"
Wird das Bergwerk geräumt? (2.09.08)
Verdacht auf hochradioaktiven Müll
im Versuchslager Asse II
"Brennstäbe in Blechdosen" (29.07.08)
Skandal-Grube Asse II
Eindringendes Wasser radioaktiv kontaminiert (12.06.08)
Endlager-Pläne in Ton zerbröseln
Konsequenzen für Benken (Schweiz)
und Bure (Frankreich) (4.01.08)