5.09.2012

Erneuter "Störfall" im AKW Fessenheim
Gab es Verletzte?

AKW Fessenheim
Colmar (LiZ). Laut französischen Medien ereignete sich heute im AKW Fessenheim ein Chemie-Unfall. In der am Oberrhein gelegenen und derzeit wegen Wartungsarbeiten abgeschal- teten Anlage kam es zu einem unvorhergesehen Austritt von Wasserstoffperoxid-Dampf. Nach ersten Meldungen wurden zwei Menschen trotz Arbeitshand- schuhen an den Händen verletzt. Später dementierte der Betreiber EdF.

Nach Angaben des Betreibers EdF habe der "Zwischenfall" gegen 15 Uhr einen Feuer-Alarm ausgelöst. Weiter heißt es, es habe sich jedoch nicht um einen Brand gehandelt, sondern lediglich um ein "kleines Problem". Der "Zwischenfall" habe sich nicht im Reaktorgebäude ereignet. Durch den Austritt des Dampfes sei vermutlich - so EdF - die Löschanlage aktiviert worden. Die beiden Verletzten seien "durch ihre Handschuhe hindurch" verletzt worden. Etliche Stunden nach den ersten Meldungen dementierte EdF: Niemand sei verletzt worden. Bei den beiden Mitarbeitern sei es lediglich zu "Hautirritationen" gekommen.

Wasserstoffperoxid wurde offenbar in einen Kessel geleitet, in dem sich Wasser befand und es kam zu einer heftigen Reaktion, bei der sich Wasserstoffperoxid-Dampf bildete. Die Feuerwehr rückte nach eigenen Angaben mit rund 50 Einsatzkräften an. Sie war jedoch nicht in der Lage, Auskunft über die Zahl der Verletzten oder zur Schwere der Verletzungen zu geben. Wie üblich heißt es in den Mainstream-Medien, es habe keine Gefährdung von Umwelt und Bevölkerung gegeben.

Das im Elsaß direkt am Rheinseitenkanal an der deutschen Grenze gelegene Atomkraftwerk ist seit über 35 Jahren in Betrieb. Seine beiden Druckwasserreaktoren sind die ältesten noch in Betrieb befindlichen in Frankreich. Die Zahl der Unfälle und sogenannten Pannen im AKW Fessenheim nimmt von Jahr zu Jahr zu. Atomkraft-GegnerInnen bezeichnen das Uralt-AKW als "extrem gefährlich", zumal seine Betonhülle mit einer Stärke von 80 Zentimetern nicht einmal dem gezielten Absturz eines Cessna-Kleinflugzeugs standhalten kann, geschweige denn dem eines gekaperten Linienflugzeugs nach Vorbild des 11. September 2001. Am 7. März, dem 35. Jahrestag der Inbetriebnahme, hatten Umweltschutz- und Anti-Atom-Organisationen eine ganze Reihe weiterer Mängel und spezifischer Risiken der Anlage kritisiert (Siehe unseren Artikel vom 7.03.12).

Die Anti-AKW-Initiativen dies- und jenseits des Rheins sind skeptisch, ob es sich tatsächlich nur um ein "kleines Problem" gehandelt hat. In einer Stellungnahme erinnern sie daran, daß der Betreiber EdF in der Vergangenheit schon "häufig dabei ertappt" wurde, als er Störfälle herunterspielte. Ingo Falk von der Anti-Atom-Gruppe Freiburg weist darauf hin, daß der Betreiber-Konzern derzeit rund 30 Millionen Euro in das AKW Fessenheim investieren will, um Auflagen der französischen Atomaufsicht ASN zu erfüllen. "Eine solche Investition tätigt EdF sicherlich nicht auf gut Glück, sondern vermutlich nur vor dem Hintergrund, daß intern eine Laufzeit des Atomkraftwerks über das Jahr 2017 hinaus politisch abgesichert ist," so Falk.

Axel Mayer vom BUND sieht ein schwerwiegendes Problem in der Häufung extrem vieler kleiner und großer Vorfälle und Unregelmäßigkeiten. "Dies spricht für eine schlechte Sicherheitskultur im Atomkraftwerk. Und eine schlechte Sicherheitskultur ist immer auch eine Gefahr für die Menschen," so Mayer.

Der neu gewählte französische Präsident François Hollande versprach im Wahlkampf die Stilllegung des AKW Fessenheim im Jahr 2017. Da seine Amtszeit jedoch 2017 abläuft, bedeutet dies, daß das älteste Atomkraftwerk Frankreichs auf unbestimmte Zeit in Betrieb bleibt. Ähnlich wie in Deutschland vor 14 Jahren als Gerhard Schröders mit dem Versprechen in den Wahlkampf zog, "Rot-Grün" werde sechs Atomkraftwerken innerhalb von vier Jahren stilllegen, ist auch in Frankreich kein Atom-Ausstieg von der Parteien-Politik zu erwarten. Aussicht auf eine baldige Stilllegung des ältesten französischen Atomkraftwerks besteht allenfalls dann, wenn der nächste Super-GAU in Zentraleuropa stattfindet oder die Anti-AKW-Bewegung aus einem anderen Anlaß erheblichen Zulauf erfährt.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Tour de Fessenheim endet mit Kundgebung
      vor 200 Menschen in Ungersheim (25.06.12)

      »Tour de Fessenheim 2012«
      Interview mit Elke Brandes (17.06.12)

      Feuer im AKW Fessenheim
      Stilllegungung weiterhin ungewiß (25.04.12)

      65.000 für Atom-Ausstieg
      bei Internationaler Menschenkette im Rhônetal
      (11.03.12)

      Reaktor II des AKW Fessenheim
      wieder am Netz (7.03.12)

      Atomkraftwerke
      Kernschmelz-Risiko unterschätzt (1.03.12)

      Schaden im AKW Cattenom
      19 Tage lang verharmlost (6.02.12)

      25.000 bei Anti-Atom-Protesten in Frankreich
      Peinlicher Auftritt einer Präsidentschaftskandidatin
      (16.10.11)

      Nuklear-Nomade im AKW Fessenheim verstrahlt
      Krebs bei 1.600 Euro im Monat? (23.09.11)

      Brücken-Aktion am Rhein
      Forderung nach sofortiger Stilllegung
      des AKW Fessenheim (18.09.11)

      Explosion in Nuklear-Anlage Marcoule
      Ein Toter (12.09.11)

      Witz der Woche
      Der gleiche strenge Stress-Test... (10.08.11)

      AKW Fessenheim
      bekommt Persilschein (6.07.11)

      AKW Mühleberg abgeschaltet
      Schwere Vorwürfe gegen Schweizer Atom-Aufsicht ENSI
      (4.07.11)

      Menschenkette am AKW Fessenheim
      Für sofortige Stilllegung (27.06.11)

      Anne Lauvergeon, eine der härtesten
      Atomkraft-Kämpferinnen tritt ab (18.06.11)

      Studie: AKW Fessenheim nicht ausreichend
      gegen Dammbruch gesichert (14.06.11)

      "Panne" im AKW Fessenheim
      fünf Tage verspätet bekanntgegeben
      Radioaktivität ausgetreten (7.04.11)

      Sarkozy und die Atombombe
      für Gaddafi (23.02.11)

      Reihe schwerer Sicherheitsmängel
      in französischen AKW (22.02.11)

      Erhöhtes Risiko im AKW Fessenheim
      20 Prozent Meßungenauigkeit bei Druck-Sensor (4.02.11)

      Schrott-AKW Tricastin
      ASN verlängert Laufzeit um 10 Jahre (6.12.10)

      AKW Flamanville
      Dach eingestürzt (5.12.10)

      AKW Fessenheim: Kurzschluß
      Automatische Abschaltung von Block I (20.10.10)

      Radioaktives Cäsium im Kanal
      beim AKW Fessenheim (14.10.10)

      Radioaktive Wolke aus AKW Fessenheim
      erst nach über einem Monat publik (26.09.10)

      Rheinerwärmung durch AKW Fessenheim
      Gastbeitrag von Axel Mayer (16.07.10)

      Brand im AKW Fessenheim
      Keine Nachricht in deutschen Mainstream-Medien
      (15.07.10)

      Frankreich: Laufzeitverlängerung auf 40 Jahre
      kostet 600 Millionen Euro pro Reaktor
      AKW Fessenheim bis 2017? (27.06.10)

      "Störung" im AKW Fessenheim
      im Dezember gravierender als bislang bekannt
      (23.02.10)

      Verbrecherische Menschenversuche
      bei französischen Atombomben-Tests (17.02.10)

      "Störung" im AKW Fessenheim
      Reaktor konnte nicht hochgefahren werden (27.12.09)

      Atomenergie verursacht Stromlücke
      in Frankreich (18.12.09)

      Notabschaltung im französischen AKW Cruas
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      Erdbeben der Stärke 4,5 bei Steinen
      AKW Fessenheim nach wie vor unsicher (5.05.09)

      Euratom,
      Milliarden-Subventionen und die Bombe (22.04.09)

      IAEA: AKW Fessenheim
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      Versprecher oder Insider-Wissen? (4.12.08)

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      Fortlaufende Pannen beim Bau
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      (17.07.08)

      AKW Tricastin:
      Flüsse in Südfrankreich radioaktiv kontaminiert (8.07.08)

      1,5 Milliarden Zusatzkosten beim EPR-Atomkraftwerk
      Siemens blamiert sich
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      Neues EPR-Atomkraftwerk
      kann durch Flugzeug-Attacke zerstört werden (26.03.08)

      AKW Fessenheim: Block 2 abgeschaltet
      Leck im Primärkreislauf (20.02.08)

      Erneut Leiharbeiter im AKW Fessenheim verstrahlt
      (27.11.07)

      DR Kongo: 18 Tonnen radioaktives Material
      im Mura-Fluß abgekippt
      Uran aus der Atombomben-Mine Shinkolobwe (7.11.07)

      AKW Fessenheim: Arbeiter
      vor vier Tagen "leicht verstrahlt"
      Informationen dürftig und zeitverzögert (27.10.07)

      Laufzeit AKW Fessenheim bis 2017?
      100-Millionen-Euro-Investition (3.10.07)

      Störfall im AKW Fessenheim verschwiegen
      Laut 'TV Südbaden' bereits Anfang August (31.08.07)

      Zwei Irre und die A-Bombe
      Sarkozy offeriert Gaddafi AKW als Eintritt in den Club
      (27.07.07)

      AKW Fessenheim mit schlechten Noten
      49 "Störfälle" im Jahr 2006
      Französische Atomaufsicht unzufrieden (5.07.07)

      AKW Fessenheim: 30 Jahre tödliche Gefahr (7.03.07)

      Der Anschlag auf Greenpeace
      Französischer Geheimdienst tötete 1985 einen Menschen
      beim Versenken der 'Rainbow Warrior'

      Der siamesische Zwilling: Atombombe
      Folge 4 der Info-Serie Atomenergie

      Atomenergie in Frankreich
      Folge 11 der Info-Serie Atomenergie