Colmar (LiZ). Laut französischen Medien ereignete sich heute im AKW Fessenheim ein Chemie-Unfall. In der am Oberrhein gelegenen und derzeit wegen Wartungsarbeiten abgeschal- teten Anlage kam es zu einem unvorhergesehen Austritt von Wasserstoffperoxid-Dampf. Nach ersten Meldungen wurden zwei Menschen trotz Arbeitshand- schuhen an den Händen verletzt. Später dementierte der Betreiber EdF.
Nach Angaben des Betreibers EdF habe der "Zwischenfall" gegen 15 Uhr einen Feuer-Alarm ausgelöst. Weiter heißt es, es habe sich jedoch nicht um einen Brand gehandelt, sondern lediglich um ein "kleines Problem". Der "Zwischenfall" habe sich nicht im Reaktorgebäude ereignet. Durch den Austritt des Dampfes sei vermutlich - so EdF - die Löschanlage aktiviert worden. Die beiden Verletzten seien "durch ihre Handschuhe hindurch" verletzt worden. Etliche Stunden nach den ersten Meldungen dementierte EdF: Niemand sei verletzt worden. Bei den beiden Mitarbeitern sei es lediglich zu "Hautirritationen" gekommen.
Wasserstoffperoxid wurde offenbar in einen Kessel geleitet, in dem sich Wasser befand und es kam zu einer heftigen Reaktion, bei der sich Wasserstoffperoxid-Dampf bildete. Die Feuerwehr rückte nach eigenen Angaben mit rund 50 Einsatzkräften an. Sie war jedoch nicht in der Lage, Auskunft über die Zahl der Verletzten oder zur Schwere der Verletzungen zu geben. Wie üblich heißt es in den Mainstream-Medien, es habe keine Gefährdung von Umwelt und Bevölkerung gegeben.
Das im Elsaß direkt am Rheinseitenkanal an der deutschen Grenze gelegene Atomkraftwerk ist seit über 35 Jahren in Betrieb. Seine beiden Druckwasserreaktoren sind die ältesten noch in Betrieb befindlichen in Frankreich. Die Zahl der Unfälle und sogenannten Pannen im AKW Fessenheim nimmt von Jahr zu Jahr zu. Atomkraft-GegnerInnen bezeichnen das Uralt-AKW als "extrem gefährlich", zumal seine Betonhülle mit einer Stärke von 80 Zentimetern nicht einmal dem gezielten Absturz eines Cessna-Kleinflugzeugs standhalten kann, geschweige denn dem eines gekaperten Linienflugzeugs nach Vorbild des 11. September 2001. Am 7. März, dem 35. Jahrestag der Inbetriebnahme, hatten Umweltschutz- und Anti-Atom-Organisationen eine ganze Reihe weiterer Mängel und spezifischer Risiken der Anlage kritisiert (Siehe unseren Artikel vom 7.03.12).
Die Anti-AKW-Initiativen dies- und jenseits des Rheins sind skeptisch, ob es sich tatsächlich nur um ein "kleines Problem" gehandelt hat. In einer Stellungnahme erinnern sie daran, daß der Betreiber EdF in der Vergangenheit schon "häufig dabei ertappt" wurde, als er Störfälle herunterspielte. Ingo Falk von der Anti-Atom-Gruppe Freiburg weist darauf hin, daß der Betreiber-Konzern derzeit rund 30 Millionen Euro in das AKW Fessenheim investieren will, um Auflagen der französischen Atomaufsicht ASN zu erfüllen. "Eine solche Investition tätigt EdF sicherlich nicht auf gut Glück, sondern vermutlich nur vor dem Hintergrund, daß intern eine Laufzeit des Atomkraftwerks über das Jahr 2017 hinaus politisch abgesichert ist," so Falk.
Axel Mayer vom BUND sieht ein schwerwiegendes Problem in der Häufung extrem vieler kleiner und großer Vorfälle und Unregelmäßigkeiten. "Dies spricht für eine schlechte Sicherheitskultur im Atomkraftwerk. Und eine schlechte Sicherheitskultur ist immer auch eine Gefahr für die Menschen," so Mayer.
Der neu gewählte französische Präsident François Hollande versprach im Wahlkampf die Stilllegung des AKW Fessenheim im Jahr 2017. Da seine Amtszeit jedoch 2017 abläuft, bedeutet dies, daß das älteste Atomkraftwerk Frankreichs auf unbestimmte Zeit in Betrieb bleibt. Ähnlich wie in Deutschland vor 14 Jahren als Gerhard Schröders mit dem Versprechen in den Wahlkampf zog, "Rot-Grün" werde sechs Atomkraftwerken innerhalb von vier Jahren stilllegen, ist auch in Frankreich kein Atom-Ausstieg von der Parteien-Politik zu erwarten. Aussicht auf eine baldige Stilllegung des ältesten französischen Atomkraftwerks besteht allenfalls dann, wenn der nächste Super-GAU in Zentraleuropa stattfindet oder die Anti-AKW-Bewegung aus einem anderen Anlaß erheblichen Zulauf erfährt.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Tour de Fessenheim endet mit Kundgebung
vor 200 Menschen in Ungersheim (25.06.12)
»Tour de Fessenheim 2012«
Interview mit Elke Brandes (17.06.12)
Feuer im AKW Fessenheim
Stilllegungung weiterhin ungewiß (25.04.12)
65.000 für Atom-Ausstieg
bei Internationaler Menschenkette im Rhônetal
(11.03.12)
Reaktor II des AKW Fessenheim
wieder am Netz (7.03.12)
Atomkraftwerke
Kernschmelz-Risiko unterschätzt (1.03.12)
Schaden im AKW Cattenom
19 Tage lang verharmlost (6.02.12)
25.000 bei Anti-Atom-Protesten in Frankreich
Peinlicher Auftritt einer Präsidentschaftskandidatin
(16.10.11)
Nuklear-Nomade im AKW Fessenheim verstrahlt
Krebs bei 1.600 Euro im Monat? (23.09.11)
Brücken-Aktion am Rhein
Forderung nach sofortiger Stilllegung
des AKW Fessenheim (18.09.11)
Explosion in Nuklear-Anlage Marcoule
Ein Toter (12.09.11)
Witz der Woche
Der gleiche strenge Stress-Test... (10.08.11)
AKW Fessenheim
bekommt Persilschein (6.07.11)
AKW Mühleberg abgeschaltet
Schwere Vorwürfe gegen Schweizer Atom-Aufsicht ENSI
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Menschenkette am AKW Fessenheim
Für sofortige Stilllegung (27.06.11)
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Studie: AKW Fessenheim nicht ausreichend
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"Panne" im AKW Fessenheim
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Reihe schwerer Sicherheitsmängel
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Erhöhtes Risiko im AKW Fessenheim
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Schrott-AKW Tricastin
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Automatische Abschaltung von Block I (20.10.10)
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Der siamesische Zwilling: Atombombe
Folge 4 der Info-Serie Atomenergie
Atomenergie in Frankreich
Folge 11 der Info-Serie Atomenergie