2.06.2014

Die Linkspartei und die Braunkohle
Dialog mit Greenpeace geplatzt

Reden oder handeln - Foto: Greenpeace
Berlin (LiZ). Der Dialog zwischen Linkspartei und Greenpeace um die beabsichtigte Zustimmung der Partei zu neuem Braunkohle-Tagebau in Brandenburg ist geplatzt. Die Parteiführung hatte heute Morgen in einer Pressekonferenz bekräftigt, daß sie an ihrer Kohlepolitik festhalten wird.

Ihr Wahlversprechen, keine neuen Tagebaue zu genehmigen, will die Linkspartei (die "versehentlich" in den Mainstream-Medien immer wieder mit der Linken gleichgesetzt wird) nicht halten. Morgen wird sie in Brandenburg für die vom Energie-Konzern Vattenfall vorgesehene Erweiterung des Braunkohle-Tagebaus um 2000 Hektar, für Welzow-Süd II, stimmen. Sie ist dort zusammen mit der "S"PD, die einer ökologisch ausgerichteten Politik nicht verdächtig ist, an der "rot-roten" Landesregierung unter Ministerpräsident Dietmar Woitke beteiligt.

Nachdem die Spitze der Linkspartei mit der provokativ veranstalteten Pressekonferenz ihre Kompromißlosigkeit offenbarte, sah Greenpeace keinen Sinn in einer Fortsetzung des am vergangenen Montag begonnen Dialogs (Siehe unsere Artikel v. 26. und 27.05.14). Eine Fortsetzung der Gespräche sei nur sinnvoll, wenn sie "ergebnisoffen" geführt würden. Unter den jetzt gegebenen Bedingungen hätten sie nur den Effekt, daß sich die Linkspartei ein grünes Mäntelchen umhängen könne. Laut Greenpeace habe die Partei mit der morgendlichen Pressekonferenz bewiesen, daß sie "zu hundert Prozent unglaubwürdig" sei. Co-Vorsitzender Bernd Riexinger vermied eine konkrete Aussage zum Konflikt-Thema Braunkohle und gab statt dessen die Sprachregelung aus, Greenpeace habe es auf einen "kalkulierten Eklat" abgesehen. Auch Co-Vorsitzende Katja Kipping drückte sich vor einer inhaltlichen Stellungnahme. Statt dessen versucht sie es mit einem Ablenkungsmanöver: "Greenpeace hat sich in der Adresse geirrt." Die UmweltschützerInnen sollten gefälligst vor der Parteizentrale der "S"PD protestieren.

Allerdings wäre das Verdikt, die Linkspartei sei nun "zu hundert Prozent unglaubwürdig", überzogen, wenn es allein auf die Haltung der Linkspartei zu Umwelt-Themen bezöge. Viele Basis-Mitglieder der Linkspartei argumentieren jedoch immer noch - ähnlich wie Basis-Mitglieder der Pseudo-Grünen zu Zeiten der "rot-grünen" Bundesregierung in den Jahren zwischen 1998 und 2005 - eine kleine Partei könne schließlich nicht alle ihre Forderungen in einer Koalition durchsetzen. Unausgesprochen kommt hierbei die Hoffnung zum Ausdruck, die Linkspartei sei etwa zur Durchsetzung sozialer Forderungen hilfreich. Doch ebenso wie eine Bilanz der "rot-grünen" Jahre zwischen 1998 und 2005 erweist eine vorurteilsfreie Überprüfung der Politik der Linkspartei in Landesregierungen (Siehe etwa die Dokumentation v. 21.05.04), daß deren Wirkung sowohl unter ökologischen als auch sozialen Kriterien unterm Strich oft sogar noch verheerender ist, als die vergleichbarer Regierungen mit "schwarzer" Dominanz.

Nach der Pressekonferenz heute Morgen erklärte Karsten Smid, Energieexperte von Greenpeace, die Linkspartei versuche offenbar, "Greenpeace zu Statisten in einem Schmierentheater zu machen." Seit Montag, 26. Mai, campierten Greenpeace-AktivistInnen im Innenhof der Parteizentrale der Linkspartei in Berlin und protestierten dagegen, daß die Partei auf der einen Seite immer wieder den Ausstieg aus dem Braunkohle-Abbau verspricht, auf der anderen Seite aber dem zuwider handelt.

Der Landesvorstand der Linkspartei Brandenburg verkündete heute, an der Zustimmung zu Welzow-Süd II festzuhalten. Smid erklärte, die Partei habe bisher den Anschein erweckt, "der Zivilgesellschaft und Umweltbewegten eine politische Heimat" zu bieten. "Jetzt wird klar, daß sich die Partei als braver Koalitionspartner versteht, der jede Überzeugung schnell über Bord wirft."

Die Linkspartei ist beim Konflikt-Thema Braunkohle zwischen Oben und Unten gespalten - viele Mitglieder an der Partei-Basis solidarisieren sich mit dem Greenpeace-Protest und stehen hinter dem geforderten Stop neuer Tagebaue und dem Ausstieg aus der Braunkohle. Das zeigt auch ein heute veröffentlichter Offener Brief von stellvertretenden Parteivorsitzenden und UmweltpolitikerInnen der Linkspartei zum Braunkohle-Beschluß in Brandenburg. Caren Lay, Tobias Pflüger, Axel Troost und Janine Wissler aus dem Bundesvorstand sowie vier Bundestagsabgeordnete der Linkspartei warnen davor, daß eine Zustimmung zum neuen Tagebau Welzow-Süd II "gravierende Folgen" haben werde. Dabei haben sie nicht nur die Folgen der Verbrennung der Braunkohle im Blick, die mit 1.228 Gramm des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) pro Kilowattstunde mit Abstand die klimaschädlichste Form der Stromerzeugung darstellt (selbst ein Steinkohle-Kraftwerk liegt mit 938 Gramm pro Kilowattstunde deutlich darunter), sondern auch die unausweichlich sinkende Glaubwürdigkeit der Linkspartei. Bezeichnend sind in diesen Statements allerdings sprachliche Verrenkungen, wie sie von Pseudo-Grünen bekannt sind: "...hätten uns gewünscht..."

Die repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid zeigt, daß auch eine deutliche Mehrheit der Deutschen weiteren Braunkohle-Tagebau abgelehnt. 79 Prozent der BrandenburgerInnen lehnen neue Tagebaue für Braunkohle ab. Deutschlandweit sagen sogar 87 Prozent "Nein". Besonders blamabel für die Linkspartei: 94 Prozent ihrer WählerInnen sprachen sich in der aktuellen Umfrage für einen Ausstieg aus der Braunkohle bis spätestens 2030 aus (Siehe unseren gestrigen Artikel).

Nach über einer Woche Protest-Campen im Innenhof der Berliner Parteizentrale der Linkspartei brachen die Greenpeace-AktivistInnen nun ihre Zelte ab. Als Erinnerung ließen sie ein Banner mit dem Rosa-Luxemburg-Zitat zurück: "Du wirst nicht danach beurteilt, was du sagst, sondern was du tust."

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Umfrage im Auftrag von Greenpeace:
      79 Prozent in Brandenburg gegen Braunkohle (1.06.14)

      Die Linkspartei und die Braunkohle
      Greenpeace-Disput vorerst ohne Ergebnis (27.05.14)

      Greenpeace stellt Linkspartei
      Glaubwürdigkeit oder Braunkohle (26.05.14)

      Linkspartei für und
      gegen Braunkohle-Abbau? (26.01.14)

      Liebesbrief an "Rot-Grün"
      Das verschmähte Aufgebot (1.10.13)

      Lackmus-Test
      Sind "Rot" und "Grün" farbecht? (25.09.13)

      Im Sommerschlußverkauf:
      Gysi wirft Linkspartei auf den Grabbeltisch (4.08.13)

      Linkspartei beschließt Wahlprogramm
      Parteitag in Dresden (16.06.13)

      Neustart bei der Linkspartei?
      Kipping und Riexinger als Doppelspitze (4.06.12)

      Linkspartei: Lob der Diktatur
      Geburtstagsgrüße an Fidel Castro (21.08.11)

      Kurswechsel der Linkspartei
      beim Thema Atom-Ausstieg (14.05.11)

      Landtagswahl
      Recycling in Baden-Württemberg (27.03.11)

      Linkspartei Brandenburg weiter auf Rechtskurs
      Wirtschaftsminister Christoffers setzt sich mit CCS durch
      (7.03.11)

      Wikileaks-Enthüllung:
      Gysi schleimt bei US-Regierung
      Linkspartei wird "politikfähig" (20.12.10)

      Stuttgart 21
      Schlichtung oder schlicht Volksverdummung? (1.12.10)

      Linkspartei erwirkt Urteil:
      Schwarz-Gelb in Schleswig-Holstein verfassungswidrig
      (31.08.10)

      Nordrhein-Westfalen
      Berechenbare Linkspartei (11.07.10)

      Linkspartei nominiert Luc Jochimsen
      Gaucks Chancen schwinden (8.06.10)

      Lafontaine kontert Gabriel:
      "...aus Niederlagen nichts gelernt" (28.03.10)

      Eigentum und Herrschaft
      "Verfassungsschutz" überwacht weiterhin Linkspartei
      (16.03.10)

      Bundestags-Entscheidung zum Afghanistan-Krieg:
      Mehrheit erhöht Militär-Einsatz
      Linksfraktion setzt Zeichen (27.02.10)

      Offizielle Parteispenden über 20 Millionen Euro
      Rund 14 Millionen Euro für "C"-Parteien (16.02.10)

      Lafontaine zieht sich
      krankheitsbedingt in die zweite Reihe zurück (24.01.10)

      Rede in Saarbrücken
      Lafontaine markiert politische Eckpunkte (20.01.10)

      Linkspartei-Landeschefs für Lafontaine und Bartsch
      Richtungskampf um klare Konturen oder Anpassung
      (6.01.10)

      Haß-Kampagne gegen Lafontaine
      Deutsche Mainstream-Medien von FAZ
      über 'spiegel' bis 'taz'
      auf Toilettenpapier-Niveau (17.11.09)

      Brandenburg: Linkspartei auf Anpassungs-Kurs
      Neben Klima-Politik gehen auch soziale Inhalte über Bord
      (30.10.09)

      Brandenburg: Linkspartei fällt um
      Platzeck darf weiter
      klimaschädliche Braunkohle verstromen (19.10.09)

      Ramelow markiert Anpassungs-Kurs an "S"PD
      Anerkennung von NATO und Kapitalismus
      als Voraussetzungen für "Politikfähigkeit" (6.10.09)

      Kampagnen-Journalismus:
      'spiegel' verunglimpft Ulla Jelpke (8.09.09)

      Dokumentation der Austrittserklärung
      von Christel Buchinger aus der Linkspartei (17.03.09)

      Europa und die Linkspartei
      Warum die Journaille vor Wut schäumt (28.02.09)

      "Ausforschungs-Paragraphen"
      Bundestags-Abgeordnete Ulla Jelpke fordert Streichung
      (24.07.08)

      Lafontaine in Freiburg
      Wahre Worte, wenig Glaubwürdigkeit, schwache Resonanz
      (1.07.07)

      Lafontaine will die Systemfrage stellen
      Ist die neue "Linkspartei" antikapitalistisch? (17.06.07)

      Thema Mindestlohn im Bundestag
      Von einem Versuch, die SPD zu stellen (14.05.07)

      Bisky zum vierten Mal "düpiert"
      Wenn selbst ein ARD-Kommentar... (8.11.05)

      Wie lange noch
      bis "Rot-Rot-Grün"? (24.09.05)

      Bündnis von PDS und WASG
      - eine historische Chance? (1.06.05)

      Lafontaines Sprung aus dem Tanker
      Vereinigung von WASG und PDS unter seiner Führung?
      (24.05.05)

      Gründung der ASG in Göttingen
      Sternstunde der Staatsgläubigkeit (22.01.05)

      Warnung vor der Wut
      Peter Porsch von der PDS warnt... (1.08.04)

      Auferstehung
      der deutschen Sozialdemokratie? (5.07.04)

      Wählen oder nicht wählen
      - eine existentielle Frage? (30.05.04)

      Dokumentation der Austrittserklärung
      von Winfried Wolf aus der PDS (21.05.04)

      Nur verbalradikal oder antikapitalistisch?
      Wohin steuert 'attac'? (21.04.03)

      In der Linken knirscht's
      Mit oder gegen "Rot-Grün"? (19.01.03)

      attac!
      attac? (6.04.02)