Klimakatastrophe ist Gemeinwohl
Braunkohleabbau triumphiert vor Gericht
Karlsruhe (LiZ). 20 Jahre lang kämpfte der Polizist Stephan Pütz um den Erhalt seiner Heimat und gegen den landschaftszerstörenden und klimaschädigenden Braunkohleabbau. In letzter Instanz gab nun das Bundesverfassungsgericht freie Fahrt in die Klimakatastrophe.
Kein Energieträger ist so klimaschädigend wie Braunkohle. Pro Kilowattstunde erzeugtem Strom bläst ein Braunkohle-Kraftwerk 1.228 Gramm des Treibhausgases Kohlendioxid (CO₂) in die Atmosphäre. Selbst ein Steinkohle-Kraftwerk liegt mit 938 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde deutlich darunter. Kohle wird in Deutschland mit jährlich rund 13 Milliarden Euro ähnlich hoch wie Atomenergie (11 Milliarden Euro pro Jahr) subventioniert - die erneuerbaren Energien dagegen werden seit über zwei Jahren mit Hilfe einer beispiellosen Kampagne in den Mainstream-Medien verleumdet und für die Strompreis-Erhöhungen verantwortlich gemacht.
Die Heimat von Stephan Pütz ist heute bereits nahezu menschenleer. Der Ort Immerath, in dem einmal rund 1.500 Menschen lebten, wurde in der zweiten Hälfte der 1990-er-Jahre mit der Genehmigung des Braunkohleabbau-Gebietes Garzweiler II durch eine Landesregierung unter Johannes Rau der Vernichtung anheim gestellt. Kaum mehr bekannt ist heute, daß die pseudo-grüne Bärbel Höhn 1998 als Ministerin unter Johannes Rau bei der mit vielen Klagen bekämpften Genehmigung des Braunkohletagebaus Garzweiler II mitgespielt hatte - ein Spiel mit verteilten Rollen, das letztlich der "Befriedung" des Widerstands diente. Auch die gegenwärtige "rot-grüne" Landesregierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft betreibt "schwarze" Politik (Siehe hierzu etwa unseren Artikel v. 13.12.13)
Garzweiler II umfaßt eine Fläche von 48 Quadratkilometern, auf der kein Stein auf dem anderen bleibt. Das Braunkohleabbau-Gebiet Garzweiler I betraf eine Fläche von 66 Quadratkilometern. UmweltschützerInnen laden immer wieder jene, die von einer "Verspargelung der Landschaft" durch Windkraftwerke schwadronieren, dazu ein, sich einmal diese Mondlandschaften zu Gemüte zu führen.
Der Polizist Stephan Pütz harrte jahrelang in Immerath aus, weil er nicht glauben konnte, daß die Interessen eines Konzerns in Deutschland schwerer wiegen als sein Recht auf Heimat. Nun hat das Bundesverfassungsgericht heute seine Klage zurückgewiesen und den Braunkohletagebau Garzweiler II gebilligt. Die Genehmigung sei wegen des "Gemeinwohlbelangs der Energieversorgung" nicht zu beanstanden (Akten-Zeichen: 1 BvR 3139/08 und 1 BvR 3386/08).
Dabei ist seit vielen Jahren klar, daß Deutschland zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt werden könnte und sowohl Atomenergie als auch Kohle für die Energieversorgung verzichtbar sind. Doch das Überleben der "Großen Vier" - also RWE, E.on, Vattenfall und EnBW - hängt am Weiterbetrieb von Atomkraftwerken und Kohlekraftwerken. Und die SPD in NRW war schon immer von der Kohle-Industrie und Konzernen wie RWE abhängig. Die "rote" Hannelore Kraft galt schon vor ihrer Zeit als NRW-Ministerpräsidentin als Lobbyistin für RWE.
RWE verfeuert die Braunkohle aus dem Garzweiler-Abbaugebiet in mehreren Kraftwerken. Eines darunter ist das nahegelegene Braunkohle-Kraftwerk Neurath mit einer Leistung von 2.200 Megawatt. Insgesamt betreibt RWE Braunkohle-Kraftwerke mit einer Gesamt-Leistung von rund 10.000 Megawatt in Deutschland und ist damit der mit Abstand größte Klimakiller Europas.
Nach dem höchstrichterlichen Urteil aus Karlsruhe steht nunmehr dem bis 2045 geplanten Abbaggern riesiger Flächen nichts mehr im Wege. Für den Ort Immerath bedeutet das Urteil wohl das Ende. Die gigantischen Schaufelrad-Bagger des Energie-Konzerns RWE werden Immerath - und damit auch das Haus von Stephan Pütz - voraussichtlich im Jahr 2017 erreichen. Die meisten BewohnerInnen gaben nach und nach dem Druck und verlockenden Angeboten nach und übersiedelten nach "Immerath (neu)". Wie Hohn muß es auf sie wirken, daß sich der Abbau der 1,3 Milliarden Tonnen Braunkohle "unter ihrem Dorf" (das Gesamtvolumen von "Garzweiler II wird auf 1,3 Milliarden Tonnen Braunkohle geschätzt) genau betrachtet nicht einmal lohnt. Der Profit für die Konzerne resultiert allein daraus, daß eine korrupte Parteien-Politik jährlich 13 Milliarden Euro an Subventionen in den Kohleabbau pumpt - letztlich handelt es sich also eine Umverteilung von Steuergeldern von unten nach oben.
Und wie der Gipfel des Zynismus mutet es an, daß die Zerstörung von Heimat zum Zwecke des Profits nur auf der Grundlage eines Nazi-Gesetzes möglich ist. Bis 1937 garantierte das "Allgemeine Berggesetz", daß GrundeigentümerInnen "niemals" gezwungen werden konnten, "mit Wohn-, Wirtschafts- oder Fabrikgebäuden bebauten Grund" abzutreten. Unter der Nazi-Herrschaft fiel dieses Verbot, und in der Bundesrepublik blieb es dabei, daß bei "überwiegenden öffentlichen Interessen" auch Wohn- und Betriebsgrundstücke enteignet werden können.
Durch dieses Relikt aus der Nazi-Zeit haben die betroffenen Menschen - sei es in der Lausitz, in Gorleben oder im Landkreis Neuss - keine wirksamen Widerspruchsrechte und kaum Chancen vor Gericht. Dies gilt zumindest so lange, wie RichterInnen in Deutschland mitspielen - und das laut Gesetz vorrangige "Gemeinwohl" im Sinne der Konzerne auslegen. So argumentierten auch jetzt die Bundesverfassungs-RichterInnen, daß "mit dem Abbau von Braunkohle ein gesetzlich hinreichend bestimmtes und ausreichend tragfähiges Gemeinziel umgesetzt" werde. Sie verstecken sich damit hinter der Parteien-Politik, die dafür zuständig sei, zu bestimmen, was als "Gemeinwohl" zu gelten habe und welcher Energiemix gerade in Berlin zwischen den Interessen der Bevölkerungs-Mehrheit und denen der Konzerne ausgehandelt wurde (Mitte 2012: erneuerbare Energien 25 %, Braunkohle 26 %, Steinkohle 19 %, Atomenergie 16 %, Gas 8 %, sonstige 6 %).
Gewissermaßen als Trostpflaster sprachen sich die Bundesverfassungs-RichterInnen dafür aus, den BürgerInnen, die bei großen Bergbau-Projekten von Enteignung und Umsiedlung bedroht sind, bereits im Zulassungs-Verfahren mehr Gehör zu schenken - zuständig dafür ist jedoch die Verwaltung und nicht die Gerichte. Nicht mal ein Trostpflaster ist hingegen die formal betrachtet positive Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine ebenfalls verhandelte Klage des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Enteignung eines BUND-Grundstücks war zwar "verfassungswidrig" - die Obstwiese ist allerdings längst abgebaggert. Wo einst die Wiese war, schauen die UmweltschützerInnen heute in ein 200 Meter tiefes Loch.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Rauchzeichen von "Rot-Grün"
NRW bleibt schwarz (13.12.13)
Klima: WMO gibt neuen Höchststand
bei CO₂ bekannt (6.11.13)
Atom-Ausstieg?
Ein Vergleich zwischen D und GB (2.11.13)
Schwarze Kassen bei der "grünen" EnBW?
Baden-württembergische Staatsanwaltschaft ermittelt
(28.10.13)
EU-Kommissar Oettinger manipuliert
Subventionsbericht zu erneuerbaren Energien (14.10.13)
Tschechien: Stop der Förderung
der erneuerbaren Energien -
Subventionierung der Atomenergie? (15.09.13)
Erneuerbare Energien - In einer realen Marktwirtschaft
müßten die Strompreise sinken (12.07.13)
Pleitewelle rollt weiter
Solarfirma Conergy insolvent (5.07.13)
Parteien-Politik sabotiert Solarwärme
Deutschland im EU-Vergleich auf Platz 6 (27.06.13)
Mehrheit in Polen gegen AKW
Trotz erfolgloser Propaganda bleibt Regierung
auf Atom-Kurs (19.04.13)
Jährlich 3.100 Tote
durch deutsche Kohlekraftwerke (3.04.13)
Dem deutschen Wald geht es schlechter
als in den 1980er-Jahren (4.02.13)
Braunkohle-Protest in Brandenburg
Sternmarsch gegen "rot-rote" Energiepolitik (6.01.13)
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BUND: "Energie-Wende erfordert Effizienz-Verbesserung"
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Trotz Kälte
kein Strommangel in Deutschland (3.02.12)
Steuergelder für CO₂-Schleudern
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Vattenfall plant Abbaggerung von Dörfern
Sternmarsch gegen Braunkohle-Abbau (2.01.11)
Greenpeace deckt auf:
Deutsche Kohle-Subvention mit jährlich 13 Milliarden Euro
(4.06.10)
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für Kohlekraftwerks-Projekt Düsseldorf (26.04.10)
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(28.09.07)