Stuttgart (LiZ). Der aus einer Bürgerinitiative hervorgegangene Ökostrom-Anbieter EWS steigt bei den Stuttgarter Stadtwerken ein. Dies ermöglicht nicht nur eine Steigerung der Versorgung Stuttgarts mit Ökostrom und Gas, sondern auch eine Befreiung vom Atomstrom-Konzern EnBW.
Der Ökostrom-Anbieter EWS setzte sich damit überraschend gegen die potenten Mitbewerber Thüga und Stawag durch. Entscheidend dürfte nicht zuletzt die Zustimmung des scheidenden "schwarzen" Stuttgarter Oberbürgermeisters Wolfgang Schuster gewesen sein, der sich dem Vernehmen nach für den Vertragsabschluß mit der EWS ausgesprochen hatte.
Über die Beweggründe, die dahinter stecken, kann derzeit nur spekuliert werden. Naheliegend wäre, daß Schuster den pseudo-grünen baden-württembergischen Ministerprä- sidenten Winfried Kretschmann, aus parteitaktischen Gründen in eine Zwickmühle zu manövrieren hofft. Denn Kretschmann hat offensichtlich bereits vor seiner Regierungsübernahme im März 2011 mit dem Atomstrom-Konzern EnBW einen "Modus vivendi" vereinbart und diesen mit einem gut dotierten Sitz im Aufsichtsrat vom EnBW für die frühere Bundesvorsitzende der Pseudo-Grünen Gunda Röstel besiegelt (siehe unseren Bericht vom 19.04.2011). Während der "grün-roten" Landesregierung nun in den kommenden Jahren in der Landeshauptstadt - direkt vor der Nase - demonstriert werden kann, wie ein realer Atom-Ausstieg funktioniert, muß Kretschmann mit allen Tricks versuchen, dem Atomstrom-Konzern EnBW zu einem grünen Mäntelchen zu verhelfen und den Betrieb der beiden Atom-Reaktoren in Neckarwestheim bei Heilbronn und Philippsburg bei Karlsruhe bis zum voraussichtlichen Ende seiner Amtszeit im Jahr 2016 zu gewährleisten.
Auch den Pseudo-Grünen Fritz Kuhn, der in den vergangenen Wochen in den Mainstream-Medien mit groß aufgemachten PR-Artikeln gepusht wurde, nachdem er seine Kandidatur für die Nachfolge Schusters auf dem Sessel des Stuttgarter Oberbürgermeisters angekündigt hatte, dürfte die original grüne Umsetzung einer Energie-Wende in der Landeshauptstadt zu einem schmerzhaften Spagat zwingen. Auf der einen Seite muß er versuchen, seine eigentliche Aufgabe zu erfüllen und nach dem Vorbild des pseudo-grünen Freiburger Oberbürgermeisters Dieter Salomon jegliche fortschrittliche Energiepolitik blockieren (siehe hierzu auch unseren Bericht vom 26.10.2010). Auf der anderen Seite läuft er Gefahr, daß er bei Fensterreden für eine Energie-Wende beim Wort genommen wird.
Die EWS mit Sitz in Schönau im Schwarzwald ist unter den vier deutschen Ökostrom-Anbietern der konsequenteste und erhielt bei einer Bewertung durch die Stiftung Warentest kürzlich die beste Note. Derzeit versorgt die EWS bundesweit 130.000 KundInnen. "Wir werden in Stuttgart zusammen mit den Stadtwerken das gleiche Stromprodukt anbieten, das alle unsere Kunden erhalten," erklärte Michael Sladek für die EWS. Hinsichtlich der Qualität des Angebotes sei die EWS beim Vertragsabschluß in Stuttgart keine Kompromisse eingegangen. Selbstverständlich sei weiterhin, keine Geschäftsverbindungen mit Firmen aus der Atomstrom-Branche einzugehen.
Nun wird der Vertragsabschluß in Schönau gefeiert. "Der Weg nach Stuttgart ist für uns ein kleiner Quantensprung!", freut sich Sladek. Bislang konnten die Schwarzwälder Öko-Stromer in Stuttgart erst rund 10.000 KundInnen gewinnen. "Natürlich denken wir daran, in Stuttgart auch die dezentrale Stromerzeugung auszubauen," so Sladek. "Für Blockheizkraftwerke gibt es in einer solchen Metropole viel Potenzial!"
Überlegungen gehen bereits dahin, eine Kooperation mit einem örtlichen Netzbetreiber einzugehen. Wie in vielen anderen Kommunen Baden-Württembergs läuft auch in Stuttgart der sogenannte Konzessionsvertrag demnächst aus. Dies bedeutet, daß das örtliche Stromnetz, das bislang vom Atomstrom-Konzern EnBW betrieben wurde, zurückgekauft werden kann (siehe unsere mit einem * versehenen Berichte der vergangenen Jahre). Der Ökostrom-Anbieter EWS hatte selbst erst eine Chance, im Wettbewerb zu überleben, nachdem es vor über zehn Jahren in einem langwierigen Übernahmekampf, der einem Krimi glich, gelungen war, das lokalen Stromnetz zu übernehmen. Die Stadtwerke Stuttgart, die erst im Juli 2011 gegründet wurden, beabsichtigen nun ebenfalls, das Strom- und das Gasnetz der Landeshauptstadt zurückkaufen. Die Stadtverwaltung hat bereits ein Gutachten erstellen lassen. Demnach soll das Stromnetz 105 Millionen und das Gasnetz 80 Millionen Euro wert sein.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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