22.10.2018

Neuer atomarer Rüstungswettlauf?
IPPNW mahnt: Rettet den INF-Vertrag!

Atombomben-Test Grable, 25. Mai 1953 - Foto: gemeinfrei
Berlin (LiZ). Die ärztliche Friedens­organisation IPPNW weist aufgrund der angedrohten Kündigung des INF-Vertrages auf die Gefahr eines neuen atomaren Wettrüstens zwischen den USA und Rußland hin. Der INF-Vertrag, der 1987 geschlossen wurde, regelte die Vernichtung der atomaren Mittelstreckenraketen in Europa. Er ist laut IPPNW "einer der wichtigsten Pfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur".

"Noch haben die USA den INF-Vertrag nicht gekündigt. Es gibt ein kurzes Zeitfenster, in dem die Bundesregierung vermitteln könnte und müßte, denn es geht um die Sicherheit Europas," erklärt Dr. med. Alex Rosen, Vorsitzender der IPPNW. Eine Neuverhandlung des INF-Vertrags könne dann eine Chance sein – wenn Verhandlungen über einen allgemeinen Rüstungsbegrenzungs-Vertrag neben Russland und den USA weitere Staaten wie China einbeziehen und alle Abschuß- sowie Raketenabwehr-Systeme umfassen würden.

Die nukleare Abschreckung als Mittel zur Sicherheit birgt immer die Gefahr, daß es zu Eskalations-Spiralen und schließlich zum Einsatz von Atomwaffen kommt. Nach wie vor birgt das Arsenal von weltweit mehr als 15.000 einsatzbereiter Atomsprengköpfen das Risiko eines Atomkriegs aus Versehen. Laut Michail Gorbatschow, der 1987 den INF-Vertrag mit US-Präsident Ronald Reagan schloß, reicht dieses atomare Potential aus, um die Erde 70 Mal zu vernichten. Und Gorbatschow sagt auch ganz offen, daß es schon mindestens drei Mal nur ganz knapp nicht zum Atom-Krieg kam und die Menschheit dabei nur einen Hauch von ihrer Selbstvernichtung entfernt war.

IPPNW mahnt, daß es deswegen auch so wichtig sei, daß alle Staaten ihre Verpflichtungen aus Artikel VI des Atomwaffen-Nichtverbreitungs-Vertrages erfüllen. Diese Verpflichtungen beinhalten ein Ende des Wettrüstens und die Abschaffung aller Atomwaffen. Der Atomwaffen-Verbots-Vertrag (TPNW), dem 122 der 193 UN-Mitgliedsstaaten am 7. Juli 2017 zustimmten, ist auf der UN-Generalversammlung im September 2017 zunächst von 53 Staaten unterzeichnet worden. Bis April 2019 hatten 70 Staaten unterzeichnet und 23 Staaten – darunter Österreich – den Vertrag ratifiziert.

Da der TPNW-Vertrag nach Ansicht der IPPNW vor dem Hintergrund der drohenden atomaren Aufrüstung im europäischen und damit auch im deutschen Sicherheitsinteresse sei, fordert die ÄrtzInnen-Organisation die Bundesregierung erneut auf, diesem Abkommen beizutreten. Dies wäre ein wichtiges Signal an die USA und Rußland. Die Friedensorganisation kritisiert, daß deutsche Bundeswehrsoldaten in Büchel regelmäßig den Einsatz atomarer Massenvernichtungswaffen üben. Entgegen einem Bundestags-Beschluß vom 26. März 2010 sind im Fliegerhorst Büchel nach wie vor US-amerikanische Atombomben stationiert.

"Die Ankündigung von Donald Trump aus dem INF-Vertrag auszusteigen ist ein Zeichen, daß die Beziehung zwischen den USA und Rußland wieder an einem Tiefpunkt angekommen sind. An dieser Situation haben sowohl Rußland als auch die USA ihren Anteil. Beide werfen sich gegenseitig den Bruch des Vertrags vor. Die kürzlichen Aufrüstungsschritte beider Seiten, vor allem die Entwicklung von Mittelstrecken-Marschflugkörpern, aber auch die russische Stationierung von Kurzstreckenraketen in Kaliningrad und der Aufbau eines Raketenabwehrsystems durch die USA in Rumänien und Polen widersprechen aus Sicht der IPPNW definitiv dem Geist des INF-Abkommens, auch wenn bis heute keine stichhaltigen Beweise für einen tatsächlichen Vertragsbruch vorliegen," so Rosen.

Der große Verlierer der neuen Ost-West-Konfrontation könnte Europa sein, fürchtet IPPNW. Vor dem Abschluß des INF-Vertrages vor 30 Jahren gab es ein unkontrolliertes Wettrüsten zwischen den Großmächten. Wäre damals durch Absicht oder einen Fehler ein Atomkrieg ausgebrochen, wäre Europa als erstes ausgelöscht worden. Mit der Kündigung des Vertrages durch die USA droht ein Rückfall in die Zeiten des Kalten Krieges. Schon heute spricht die US-Regierung von einer Stationierung neuer US-Atomwaffen in Europa, worauf Rußland voraussichtlich mit eigenen Stationierungen reagieren würde. "Wir fürchten ein unkontrolliertes Wettrüsten," erklärt die IPPNW-Abrüstungs-Expertin Xanthe Hall. "Da sowohl die USA als auch Rußland viel Geld in die Modernisierung ihrer Atomwaffen-Arsenale gesteckt haben, wollen sie diese Systeme auch zur Geltung bringen. Rüstungskontroll-Verträge stehen einem Wettrüsten im Wege. Wir brauchen aber nicht weniger, sondern mehr internationale Abrüstungsverträge," so Xanthe Hall.

 

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Anmerkungen

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Siehe auch unseren Hintergrund-Artikel:

      Der siamesische Zwilling: Atombombe
      Info-Serie Atomenergie - Folge 4