Boris Nemzow ermordet
Die dampfende Gerüchteküche
Moskau (LiZ). Boris Nemzow, früherer Politiker der neoliberalen Partei 'Union der rechten Kräfte', wurde in der Nähe des Kreml auf offener Straße ermordet. In den Mainstream-Medien wird sofort mit Andeutungen gearbeitet, die einen Auftrags-Mord des russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstellen.
Die bislang vorliegenden Informationen deuten darauf hin, daß die TäterInnen genau wußten, wo sich Newzow aufhielt. Vermutlich schossen mehrere Personen, denn gefunden wurden sechs Patronenhülsen verschiedener Hersteller am Tatort - einer Brücke in der Nähe des Kreml. Nemzow war in Begleitung seiner langjährigen ukrainischen Lebensgefährtin Anna Duritskaya, die jedoch offenbar nicht verletzt wurde und zur Zeit von den russischen Ermittlungs-Behörden vernommen wird. Der 55-Jährige Nemzow wurde von vier Schüssen in den Rücken getroffen. Das Paar wollte anscheinend nach einem Abendessen zu nahe gelegenen Wohnung Nemzows gehen.
Aus Kreisen der Ermittlungs-Behörden war zu erfahren, daß vieles darauf hindeute, daß der Tatort mit Bedacht ausgewählt wurde. Die Schüsse seien aus einem weißen Auto heraus auf Nemzow abgefeuert worden. Nach dem Auto wird gefahndet. Bekannt wurde zudem, daß die TäterInnen eine Makarow-Pistole benutzt hätten. Dieser Waffen-Typ wird auch vom russischen Militär und der Polizei verwendet.
Nemzow war zuletzt 2012 öffentlich in Erscheinung getreten, als er bei Protesten gegen die Wiederwahl Putins Reden hielt. In den vergangenen Jahren hatte er unbewiesene Behauptungen verbreitet, wonach die Eskalation des Ukraine-Konflikts auf den Einfluß der russischen Regierung zurückzuführen sei. Wiederholt hatte er angekündigt, Beweise für ein militärisches Eingreifen russischer Truppen und Panzer in der Ukraine vorlegen zu können.
Unter dem russischen Präsidenten Boris Jelzin war Nemzow in ungewöhnlich jungem Alter zwischen 1997 und 1998 Vize-Ministerpräsident der Russischen Föderation. Er entstammt als Sohn eines hohen KPdSU-Funktionärs der sowjetischen Nomenklatura und setzte sich - wie so viele seiner Generation - nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion für ein rücksichtsloses und an den Interessen weniger ausgerichtetes Ausschlachten der Reichtümer des Landes ein. Die skrupellose Bereicherung Weniger verursachte eine tiefe Wirtschaftskrise, die darin gipfelte, daß Rußland am 17. August 1998 zahlungsunfähig - also de facto pleite - war. Bei den russischen Parlamentswahlen im Dezember 1999 erreichte Nemzows Partei 'Union der rechten Kräfte' lediglich 8,6 Prozent der Stimmen. Im Juli 2000 organisierte Nemzow ein Treffen von 21 führenden russischen Oligarchen mit dem neuen Präsidenten Wladimir Putin. Dieser machte hierbei erstmals klar, daß er das "Primat der Politik über die Ökonomie" einführen werde und - anders als Jelzin - nicht als ihr Erfüllungsgehilfe zu agieren gedenke. Nemzow unterstützte aktiv die "Orange Revolution" im November/Dezember 2004 in der Ukraine und wurde nach deren Sieg zum Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko ernannt (Siehe unseren Artikel v. 1.01.05). 2008 wurde Nemzow von seiner Partei bei der Präsidentschaftswahl als Kandidat aufgestellt, zog sich jedoch vor der Wahl zurück.
Wenige Stunden nach dem Mord an Nemzow hieß es von der Pressestelle Präsident Putins, dessen Tod weise viele Anzeichen eines Auftrags-Mordes auf und habe einen "extrem provokativen Charakter". Ein mit Nemzow verbundener Anwalt, Wadim Prochorow, äußerte, Nemzow habe in den vergangenen Monaten "viele Drohungen" erhalten und mutmaßte, das Motiv für den Mord sei seine "politische Tätigkeit". Dies deutet an, Putin habe ein Interesse an dem Mord gehabt. Nun kommen allerdings auch einige Kommentatoren "westlicher" Mainstream-Medien nicht darum herum, festzustellen, daß das geringe politische Gewicht Nemzows für Putin keine "ernsthafte Gefahr" darstellte. Dennoch wird zugleich durch Zitate dubioser "Oppositioneller" in den Nachrichten suggeriert, der Mord könne von Putin in Auftrag gegeben worden sein. Eine ähnliche Funktion erfüllen Zitate des früheren georgischen Marionetten-Präsidenten Michail Saakaschwili. Es werden selbst dunkle Andeutungen bemüht, es gäbe Parallelen zur Zeit des Beginns der stalinistischen Schauprozesse in den 1930er-Jahren. In manchen Mainstream-Medien findet sich zudem eine seltsame logische Pirouette: Obwohl eigentlich kein Motiv Putins zu erkennen ist, habe dieser "ein Klima geschaffen, in dem Andersdenkende um ihr Leben fürchten" müssten - und daher sei "fast zweitrangig", ob Putin für die Ermordung "direkt verantwortlich" sei.
Anmerkungen
Siehe auch unseren Artikel:
Krone-Schmalz bei Maischberger:
"Zar Wladimir I. – Was will Putin wirklich?" (25.02.15)
Ukraine-Friedensabkommen unterzeichnet
Minsker Abkommen vom September konkretisiert (12.02.15)
Nazi-Propaganda in der ARD
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