Kassel (LiZ). Im Gegensatz zu einem Urteil des Berliner Sozialgerichts vom April entschied das Bundessozialgericht in Kassel, der derzeit gültige ALG-II-Satz (374 Euro) decke das Existenzminimum. Daher sei das im Volksmund als "Hartz IV" bezeichnete Almosen- und Schikanierungs-Reglement "verfassungskonform".
Die Klage einer Hartz-IV-Betroffenen aus dem Rhein-Neckar-Kreis, die damit begründet war, die Höhe der ALG-II-Zahlungen sei "nicht in verfassungs- widriger Weise festgelegt worden", wies das Bundes- sozialgericht zurück (AZ: B 14 AS 153/11 R). Ausdrücklich bescheinigte Peter Udsching, Vorsitzender Richter des 14. Senats des Bundessozialgerichts (BSG), am Donnerstag in Kassel dem von "Rot-Grün" im Jahr 2004 eingeführten und nach dem Schröder-Spezi und VW-Manager Peter Hartz benannte Almosen- und Schikanierungs-Reglement "verfassungskonform" zu sein. Die Klägerin hatte sich darauf berufen, daß der seit der Einführung zum 1. Januar 2005 real immer weiter abgesenkte Regelsatz nicht ihr Existenzminimum decke.
Der sogenannte Regelsatz (nach dem die Zahlungen für "Bedarfsgemeinschaften", Kinder und Jugendliche entsprechend absurden Prozent-Tabellen pauschal berechnet werden) wurde am 1. Januar 2005 auf 345 Euro festgesetzt. Unter Einberechnung der offiziellen Inflationsrate müßte dieser Regelsatz heute 388 Euro betragen. Damit wäre keine reale Erhöhung verbunden, sondern es würde lediglich der Kaufkraftverlust ausgeglichen. Eine entsprechende Berechnung ist in der folgenden Tabelle in der Spalte "Null-Runden" eingetragen:
Tatsächlich jedoch lagen die nominalen Erhöhungen jedes mal unter der Inflationsrate (rote Zahlen der rechte Spalte). Dies bedeutet, daß der ALG-II-Satz und damit die Zahlungen an die Betroffenen Jahr für Jahr real gekürzt wurden. Da es für viele Menschen schwer verständlich ist, daß es sich um Kürzungen handelte, wenn die Regierung und die Mainstream-Medien Erhöhungen verkündeten, war der Widerstand in den vergangenen Jahren gegen diese Form verdeckten Sozialabbaus entsprechend gering. Auch von den Gewerkschaften bekamen die "Hartz-IV"-Betroffenen allenfalls warme Worte zu hören, wurden jedoch in den vergangenen sieben Jahren im Regen stehen gelassen.
Auch die Vorinstanz, das Landessozialgericht Baden-Württemberg, hatte die Klage der Frau aus dem Rhein-Neckar-Kreis abgewiesen. Das BSG sah in seinem Urteilsspruch am Donnerstag "keinen Anlaß" das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen. Das BSG kanzelte auch das Urteil des Berliner Sozialgerichts (Siehe unseren Artikel vom 25.04.12) ab und beschied, deren Argumente könnten "nicht überzeugen". Offensichtlich ist die "Lebenswirklichkeit" von RichterInnen, die monatlich rund 10.000 Euro verdienen eine andere als die von Menschen am unteren Ende der sozialen Leiter.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Panik-Aktion
EZB senkt Leitzins unter 1 Prozent (5.07.12)
IG Metall Pilot-Tarifabschluß
Eis in der Sonne (20.05.12)
Berliner Sozialgericht
Hartz IV ist nicht menschenwürdig (25.04.12)
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