Wageningen (LiZ). Ein Team von WissenschaftlerInnen der niederländischen Universität Wageningen warnt vor dem plötzlichen weltweiten Kollaps der Bienen-Populationen. Eine weitere Verschlechterung der Lebensbedingungen der Insekten, die für die Bestäubung vieler Pflanzen unverzichtbar sind, kann zum plötzlichen Aussterben vieler Arten führen.
Der weltweite Rückgang der Bienen, Schwebfliegen und anderen bestäubenden Insekten stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Artenvielfalt und damit auch für die Ernährung der Menschheit dar. Ein Team von WissenschaftlerInnen der Universität Wageningen, Niederlande, und der Biologischen Station Doñana haben eine Untersuchung in der renommierten Fachzeitschrift 'Ecology Letters' veröffentlicht. Darin zeigen sie auf, daß eine weitere Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Bestäuber zum plötzlichen Aussterben vieler Arten führen kann. Viele Pflanzenarten sind beim Hervorbringen von Samen und Früchten darauf angewiesen, daß bestäubende Insekten den Pollen von Blüte zu Blüte tragen. Im Gegenzug für diese harte Arbeit, erhalten die Bestäuber von den Pflanzen Nektar.
Pflanzen werden in aller Regel von einer großen Anzahl verschiedener Arten von Bestäubern besucht. Diese wiederum dienen einer Vielzahl unterschiedlicher Pflanzenarten. Die Gesamtheit dieser Beziehungen bildet ein robustes Netzwerk von Interaktionen zwischen Pflanzen und Bestäubern. Diese Netzwerke haben eine charakteristische Struktur, die sich auch in sehr unterschiedlichen Naturlandschaften ähnelt. Erstaunlicher Weise stellten die WissenschaftlerInnen fest, daß diese Struktur in den Grundzügen selbst in so unterschiedlichen Regionen wie Regenwäldern und Flußdeltas, aber auch in vom Menschen dominierten Landschaften mit Obstgärten, Feldern und Wiesen übereinstimmt. Sowohl Pflanzen als auch Bestäuber haben ihren spezifischen Platz innerhalb dieser Netzwerke und tragen so mit ihren wechselseitigen Beziehungen zum Nutzen jeder einzelnen Art bei. Das Zusammenspiel optimiert den Nutzen für jede der beteiligten Arten - auch für den Menschen.
Zunehmend extreme Lebensbedingungen
In zunehmendem Maße sind die Bestäuber weltweit dem Druck durch den Einsatz von Insektiziden, durch den Verlust des Lebensraums, durch Parasiten und Krankheiten ausgesetzt. Dieser wachsende Druck bewirkt einen Rückgang der Bestäuber, für die es immer schwieriger wird zu überleben.
Die WissenschaftlerInnen der Universität Wageningen konnten nun mit Hilfe mathematischer Modelle beweisen, daß die Auswirkungen einer weiteren Verschlechterung der Bedingungen für die Bestäuber stark davon abhängt, wie das betreffende Netzwerke zusammengesetzt ist. Dank der Struktur der Netzwerke unterstützen sich Bestäuber-Arten gegenseitig auch unter schwierigen Umständen. Bestäuber-Arten, die in der gleichen Region leben, können daher selbst unter extremen Bedingungen das Überleben für eine gewisse Zeit sichern.
Kipp-Punkt
Bienen und andere Bestäuber-Arten sind allerdings auch stark voneinander abhängig, wenn die Lebensbedingungen extrem sind. Die Bestäuber-Gemeinschaften - bestehend aus Bienen, Schmetterlingen, Schwebfliegen und vielen anderen Arten - können daher vollständig kollabieren, wenn zunehmend extreme Bedingungen einen kritischen Punkt überschreiten. Wenn die Lebensbedingungen diesen Kipp-Punkt überschritten haben, ist eine Wiederherstellung nur schwer möglich. Die hierfür erforderliche Verbesserung der Bedingungen könnte wesentlich größer sein als das, was nötig ist, um zu dem Niveau zurückzukehren, auf dem die Bestäuber-Gemeinschaft kollabierte.
Weltweit sind rund achtzig Prozent aller Pflanzen-Arten von der Bestäubung durch Insekten oder andere Tiere abhängig. Dazu gehört eine große Anzahl von Nutzpflanzen, die für den Menschen wichtig für die Produktion von Gemüse, Obst, Nüssen, Gewürzen und Ölsaaten sind. Der direkte Beitrag der Bestäuber für die weltweite Nahrungsmittel-Produktion wird auf jährlich 150 Milliarden Euro (200 Milliarden US-Dollar) geschätzt.
Das Aussterben der Bienen hätte eine katastrophale Folge für die Welternährung. Allein mit dem Verschwinden der Bienen, wäre das Aussterben des Menschen unwiderruflich besiegelt. Bereits Albert Einstein schrieb über die Bedeutung der Bienen für die gesamte Nahrungskette: "Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr - keine Bestäubung mehr - keine Pflanzen mehr - keine Tiere mehr - keine Menschen mehr..."
Quelle:
Der plötzliche Kollaps von Bestäuber-Gemeinschaften. 2014.
Jelle J. Lever, Egbert H. van Nes , Marten Scheffer und Jordi Bascompte
Ecology Letters, online 3. Januar 2014.
http://doi.wiley.com/10.1111/ele.12236
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Rote Liste wird länger
Auch Okapi-Bestände stark geschrumpft (26.11.13)
Honig darf verunreinigt werden
Bundesverwaltungsgericht läßt Gen-Kontamination zu
(25.10.13)
Flächenfraß
Täglich 74 Hektar mehr Siedlungs- und Verkehrsfläche
(13.10.13)
Bienen und Wildinsekten sind überlebenswichtig
Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (27.02.13)
Pestizide vernichten Amphibien
Umweltbundesamt fordert Beschränkungen (1.02.13)
Umweltverbände: Aigners Pestizid-Aktionsplan
ist "mangelhaft" (25.10.12)
EU-Kommission versucht Gen-Honig
durch die Hintertür einzuschmuggeln (24.10.12)
Bio-Lebensmittel
- nur ein Mythos? (4.09.12)
Flächenfraß weiter lebensgefährlich
BUND fordert Biotopverbund (17.07.12)
Bio-Landwirtschaft
Volkswirtschaftlich kostengünstiger (30.04.12)
Artenvernichtung
Osterhase gefährdet? (4.04.12)
Gerichtsurteil zu Gen-Honig
Niederlage für ImkerInnen (28.03.12)
Greenpeace deckt auf
Pestizide in Obst und Gemüse (26.03.12)
Artenvernichtung beschleunigt
Elefant und Nashorn in höchster Gefahr (3.03.12)
Artenvernichtung
Rote Liste wird länger (10.11.11)
Gartenrotschwanz bald ausgerottet
Vogel des Jahres 2011 (9.10.11)
Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig"
(29.07.11)
Neu im Supermarkt:
Pestizid-Cocktail mit Johannisbeeren
Nur Bioläden stehen abseits (27.07.11)
UN-Artenschutzkonferenz in Nagoya
Mehr als nur wohlklingende Beschlüsse? (30.10.10)
Erfolg der Bio-Landwirtschaft
mit Artenvielfalt statt Pestiziden (5.07.10)
Artenschutzkonferenz zündet nächste Stufe
zur Zerstörung der Lebensgrundlagen (18.03.10)
Greenpeace: Salate nach wie vor
stark mit Pestiziden belastet (3.02.10)
Bio-Landwirtschaft
Option für Klimaschutz
und Sicherung der Welternährung (26.01.10)
Gentechnik erhöht Pestizidverbrauch
in den USA
US-Landwirtschaft benötigte 145.000 Tonnen mehr
(18.11.09)
Bienensterben:
Pestizide bislang verharmlost (25.06.09)
Braunschweiger Gericht mag Gen-Honig
Imker verliert Klage gegen BVL (12.02.09)
Bienensterben:
Bayer-Insektizid Clothianidin bleibt verboten (10.02.09)
Bienentod im Maisfeld
Guttationswasser gefährlicher als Beizmittel-Staub
(5.02.09)
Gentechnik auf dem Acker
Honig wird zu Sondermüll (30.09.08)
Italien verbietet Bienengift Clothianidin
Druck der ImkerInnen erfolgreich (19.09.08)
Steigende Pestizidbelastung
bei konventionellem Obst und Gemüse
Politik fördert weiterhin einseitig
agro-industrielle Landwirtschaft (24.07.08)
Maiswurzelbohrer erneut in Südbaden
Millionen Bienen im Frühjahr sinnlos vergiftet (23.07.08)
Greenpeace prangert Chemie-Konzerne an
Umweltgefahren durch Pestizide (16.06.08)
Augsburger Verwaltungsgericht:
Kein Schutz für Imker vor Gen-Mais
Koexistenz obsolet (1.06.08)
Umweltverbrechen Mais-Anbau
Nitrat und Pestizide verseuchen das Grundwasser
(18.05.08)
Bayer-Chemikalie Clothianidin gestoppt
Zusammenhang mit Bienensterben
nun doch nachgewiesen (17.05.08)
Bienensterben in Baden
Ursache Agro-Chemikalien? (27.04.08)
Bio-Mandarinen deutliche besser
Pestizid-Cocktail auf "normalen" Mandarinen (25.11.07)
Bienen-AIDS auch in Deutschland?
ImkerInnen wehren sich gegen Anbau von BT-Mais
(13.03.07)
Bienen-AIDS in den USA
Ist Gentechnik die Ursache? (6.03.07)
Paprika mit Pestiziden
Greenpeace enthüllt fortlaufendes Versagen von Künast
(2.07.04)
Bayer und BASF
wegen Bienensterben angeklagt (19.02.04)
Obst- und Gemüse
aus dem Bio-Laden (21.09.03)
Bienensterben
und noch ein Insektizid (14.08.03)
Bienentod durch Imidacloprid
Bayer-Konzern verliert Prozeß (10.07.03)
Nach dem Bienensterben
nun auch ein Rückgang bei den Hummeln (18.06.03)
Bienensterben zweite Stufe (6.06.03)
Bienensterben
nimmt bedrohliche Ausmaße an (30.05.03)