Wiesbaden (LiZ). Neues Material ist aufgetaucht, aus dem hervor- geht, daß das Bundeskriminalamt (BKA) die Mobiltelefon-Daten einer Person im Umkreis der Neonazi-Terrorbande löschen ließ. BKA-Chef Jörg Ziercke bestätigte den Vorgang. Er trat aber dem Verdacht, daß es sich dabei um eine bewußte Behinderung der Polizeiarbeit gehandelt habe, in scharfer Form entgegen.
"Das BKA schützt weder Neonazis, noch Informanten aus der rechten Szene. Das BKA hat Beweismittel weder unterdrückt, noch manipuliert, noch vernichtet," behauptete Ziercke am heutigen Sonntag. Das BKA habe im Dezember lediglich eine Bitte an die Bundespolizei gerichtet, Informationen zu löschen, von denen Kopien vorhanden seien. Laut Zierke seien die "sensiblen Daten" vernichtet worden, um sie beim BKA zu "konzentrieren." "Richtig ist, daß dem BKA die ausgelesenen handy-Daten weiterhin vollständig und unverändert für die Ermittlungen des Generalbundesanwaltes und des BKA zur Verfügung stehen," so der BKA-Chef.
Nach diesen neuen Erkenntnissen verdichten sich die Hinweise, daß die staatlichen UnterstützerInnen der Neonazi-Terrorgruppe NSU, der zwischen 1998 und 2011 mindestens zehn Menschen zum Opfer fielen, nicht aus geheimdienstlichen Strukturen heraus, sondern vom Sitz des BKA in Wiesbaden aus gelenkt wurden. Offenbar hatten im vergangenen Jahr SpezialistInnen der Bundespolizei Daten auf dem Mobiltelefon ("handy") eines mutmaßlichen Mitglieds der Terrorbande entschlüsselt. Nun wäre es möglich gewesen, über diesen Ansatz weitere Ermittlungen zu führen, um mehr über die Verflechtungen im Umkreis der Terrorbande zu erfahren. Dies konnte jedoch durch die "Bitte" des BKA verhindert werden.
Offensichtlich weicht dieser Vorgang deutlich von der üblichen Vorgehensweise im Verhältnis zwischen Bundespolizei und BKA und von den Dienstpflichten der Bundespolizei ab. So muß die Bundespolizei etwa Ermittlungsergebnisse mindestens bis zum Abschluß des betreffenden Gerichtsverfahrens aufbewahren. Selbst in den deutschen Mainstream-Medien wird hierzu ein anonymer Sicherheitsexperte mit der Aussage zitiert: "Für die zielgerichtete Vernichtung von Beweismitteln durch eine Polizeibehörde in einem laufenden Ermittlungsverfahren, noch dazu auf Wunsch des BKA, kann es keine harmlose Erklärung geben."
Bei dem heute aufgetauchten Material handelt es sich um den eMail-Verkehr zwischen BKA und Bundespolizei. Eine BKA-Mitarbeiterin hatte am 9. Dezember dem zuständigen Kollegen bei der Bundespolizei geschrieben: "Ich habe die Daten auf unserer Seite gesichert, du kannst die bitte löschen.“ Die Bundespolizei kam dieser "Bitte" umgehend nach. Es handelte sich offenbar um Daten zweier Mobiltelefone. Eines davon war den FahnderInnen am 24. November bei der Verhaftung von André E. in die Hände gefallen. Dieser steht im Verdacht der Unterstützung der Neonazi-Terrorbande NSU. Insbesondere soll er das Propaganda-Video der Bande produziert haben. Die bei der Entschlüsselung der Mobiltelefone gewonnenen Daten standen in den vergangenen Monaten offenbar weder den polizeilichen ErmittlerInnen noch der Justiz zur Verfügung, da sie nicht ins Ermittlungsverfahren eingebracht worden waren.
Laut BKA-Stellungnahme liegt - nach zwei Monaten - "noch kein Bericht in der Ermittlungs-Akte", weil derzeit der "Datenbestand noch ausgewertet" werde. Die Sicherstellung der Mobiltelefone sei aber darin vermerkt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich versprach heute eine "umfassende Erklärung". Eine weitere Aufklärung ist allerdings eher von einem Amtshilfeersuchen der deutschen Justiz zu erwarten, die diese an US-Stellen richtete, um Informationen über die Internet-Aktivitäten der Neonazi-Terrorbande NSU zu erhalten.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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hinter der Neonazi-Terrorbande NSU? (30.01.12)
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Beate Z. wurde 2007 polizeilich vernommen (29.01.12)
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"Verfassungsschutz" war detailliert informiert (31.12.11)
Weitere Hinweise auf Terror-Beihilfe:
Kontakt im Jahr 1999 (22.12.11)
Weitere Hinweise auf Terror-Beihilfe
durch Staatsorgane (20.12.11)
Wie kam die Neonazi-Terrorbande
zu gefälschten Pässen? (18.12.11)
Neonazi-Terrorbande
Die Spur führ nach Ludwigshafen (17.12.11)
Bericht eines US-Geheimdienstes:
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(30.11.11)
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