IPCC legt neuen Klimabericht vor
Der Meeresspiegel steigt schneller
Stockholm (LiZ). Der Weltklimarat hat heute in Stockholm seinen fünften Weltklimabericht vorgelegt. Demnach steigt der Meeresspiegel schneller als bislang prognostiziert. Unsicherheit gibt es nur noch bei der Erklärung der Veränderungen der globalen Durchschnittstemperatur.
Laut IPCC wird selbst bei größten Klimaschutz-Anstrengungen der Meeresspiegel nach den verbesserten Klima-Modellrechnungen bis Ende dieses Jahrhunderts um mindestens 26 Zentimeter steigen - im ungünstigsten Fall werden es 82 Zentimeter sein. Dies ist durch die bereits eingetretene menschengemachte Emission von Klimagasen in die Atmosphäre des blauen Planeten "eingespeist". Zum Vergleich: Im vierten Weltklimabericht wurde ein Anstieg des Meeresspieles zwischen 18 und 59 Zentimetern prognostiziert. Der Anteil des Kohlendioxids in der Atmosphäre hat mittlerweile einen neuen Rekordwert erreicht und liegt knapp unter 400 ppm. Für mittlere Breiten - wie etwa Deutschland - rechnen die KlimaforscherInnen mit mehr extremen Niederschlägen und anhaltenden Dürreperioden.
"Während sich die Ozeane erwärmen und Gletscher und Eisdecken schmelzen, wird der globale Meeresspiegel weiter steigen, aber schneller, als wir es in den vergangenen 40 Jahren erlebt haben," sagte einer der Co-Vorsitzenden der zuständigen Arbeitsgruppe 1, der chinesische Klimaforscher Qin Dahe. Offenbar gelangt ein größerer Teil der Wärmemenge, die sich durch den Treibhauseffekt in der Atmosphäre sammelt, in die Ozeane. "Die Erklärung, daß eine größere Menge Energie im Moment in den Ozean geht, ist plausibel und wahrscheinlich, ob sie alles erklärt, ist unklar," sagt der Klimatologe Reto Knutti von der ETH Zürich, einer der koordinierenden Leitautoren des aktuellen Weltklimaberichts. Das Meßnetz des Ozeans war lange Zeit relativ grobmaschig, daher seien Vergleiche mit früheren Perioden schwierig. Zudem seien die natürlichen Schwankungen der globalen Durchschnittstemperatur bis heute nicht so gut erforscht.
Die zweite Kernaussage: In Folge der Ignoranz der US-Regierung und vieler anderer "westlicher" Regierungen wird das immer wieder propagierte "Ziel" einer Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad deutlich verfehlt. Die Durchschnittstemperatur der Erde wird nach der Prognose des IPCC bis zum Jahr 2100 - je nach Szenario - um 1,5 bis 4 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter ansteigen. 0,8 Grad davon sind längst erreicht. Allerdings hat sich der Anstieg der Temperatur im Vergleich zu früheren Prognosen verlangsamt. Dies ist durch die Überlagerung natürlicher Schwankungen zu erklären. Bei einem Temperaturanstieg um mehr als zwei Grad fürchten die IPCC-WissenschaftlerInnen katastrophale Umweltfolgen. Nie war es dem Bericht zufolge seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wärmer als im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, obwohl die Erwärmung stagniert. "Mehr Temperaturrekorde sind gebrochen worden als in jedem anderen Jahrzehnt," sagte der Generalsekretär der Weltmeteorologie-Organisation WMO, Michel Jarraud.
Von Seiten der deutschen Umweltverbände kommen teilweise grotesk traumtänzerische Verlautbarungen. So forderte etwa Hartmut Vogtmann, Präsident des Deutschen Naturschutzrings: "Angela Merkel muß wieder Klimakanzlerin werden!" Im November findet in Warschau die dreizehnte Weltklimakonferenz statt (Siehe hierzu unsere Artikel). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird es auch dort lediglich Resolutionen, aber keine verbindlichen Vereinbarungen geben. Dennoch verbreitet auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) lediglich den illusionären Aufruf, die Industriestaaten müßten "sofort handeln". Übersehen wird dabei, daß der Zwang zur Profitmaximierung eine Grundbedingung des Kapitalismus ist, der jegliche rationale Erwägung außer Kraft setzt. Den Kapitalismus in Frage zu stellen, wagen die großen Umweltverbände jedoch nicht.
Erst am Mittwoch hatte der Präsident von Kiribati, Anote Tong, eindringlich vor dem Untergang seines pazifischen Inselstaats gewarnt: "Der Anstieg des Meeresspiegels bedroht das Überleben unseres Volkes," sagte Tong vor der UN-Vollversammlung in New York. "Was wir derzeit auf den niedrig gelegenen Atollen erleben, ist nur eine Vorwarnung vor dem, was wir noch erleben werden. Niemand wird verschont bleiben. Wir können unseren Planeten nicht weiter so mißbrauchen."
"Wir" ist jedoch eine unangebrachte diplomatische Floskel, denn allein die BewohnerInnen der USA tragen zu über 60 Prozent zur kaum mehr zu stoppenden Klimakatastrophe bei. Die reichen oberen zehn Prozent der BewohnerInnen Europas und Japans stehen ihnen kaum nach. Daß der Ausstoß von Klimagasen wie Kohlendioxid aus der Verbrennung fossiler Rohstoffe und Methan aus der industriellen Landwirtschaft verantwortlich für die klimatischen Veränderungen ist, bestreiten allenfalls noch jene, die sich hartnäckig weigern, die Ergebnisse der Wissenschaft zur Kenntnis zu nehmen. Der IPCC ist sich in seinem neuen Bericht noch sicherer als in seinem vorherigen Bericht von 2007, daß die registrierten klimatischen Veränderungen weit überwiegend menschengemacht sind.
KlimaforscherInnen räumen durchaus ein, daß noch viele Fragen offen sind. "Die großen Fragezeichen sind vor allem die Ozeane, aber auch die Wolken und die Staubteilchen in der Atmosphäre," erklärte der Klimaforscher Ulrich Cubasch, Professor an der Freien Universität Berlin und einer der beiden Hauptautoren für die Einleitung des neuen Klimaberichts. Zugleich gebe es heute mehr Detailwissen. "Wir machen ständig neue Hochrechnungen und berücksichtigen neue Daten, besonders von neuartigen Ozean-Meßsonden und Satelliten," so Cubasch. "Daß dann die Antworten von heute nicht dieselben sind wie vor 20 Jahren ist klar, denn sonst hätten wir uns ja die Arbeit sparen können."
Der vollständige Report erscheint an diesem Montag. Teil 2 und 3 des fünften Weltklimaberichts behandeln die Auswirkungen des Klimawandels und die politischen Möglichkeiten, ihn zu bremsen. Sie werden im Frühjahr 2014 in Japan und Berlin vorgestellt.
Am nun veröffentlichten ersten Teil des neuen Weltklimaberichts haben 259 HauptautorInnen vier Jahre lang gearbeitet, unterstützt von Hunderten weiteren ForscherInnen. Nach Angaben der UN-Klimachefin Christiana Figueres ist der neue Klimabericht "ein Weckruf".
Anmerkungen
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