11.02.2015

Wald-AIDS 2014
Zustand zwischen Leben und Tod

Wald-AIDS
Berlin (LiZ). Bundesagrarminister Christian Schmidt hat den "Waldzustandsbericht 2014" vorgelegt. Der elende Zustand der deutschen Wälder zwischen Leben und Tod wird zwar in der offiziellen - stark geschönten - Statistik dokumentiert. Dennoch versuchte der Minister den positiven Befund, daß der Anteil der gesunden Eichen im vergangenen Jahr von 19 auf 24 Prozent gestiegen sei, in den Mittelpunkt zu rücken.

Die durch Luftschadstoffe verursachte Immunschwäche des Waldes macht ihn sowohl anfälliger für Insekten wie den Borkenkäfer und den Buchenspringrüssler, als auch für Pilze (Eschensterben) und für den Stress infolge der klimatischen Veränderungen. Anders als in den 1980er-Jahren stammen über 80 Prozent der Schadstoff-Emissionen - Stickoxide und Ammoniak - aus der industriellen Landwirtschaft, der Rest vor allem vom Autoverkehr. Diese Schadstoffe sind ursächlich für den Zustand des Waldes und nicht etwa - wie von Regierungsseite und in den Mainstream-Medien verbreitet wird - der "Klimawandel".

Waldschäden von 1983 bis 2014

vergrößerte Grafik: hier

"Gerade die Eiche verkörpert für viele Menschen den deutschen Wald. Daher ist es schön, sagen zu können: Viel Laub auf Deutschlands Eichen," sagte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Wer in der obigen Grafik, die auf der offiziellen Statistik beruht, die dunkelgrüne und die schwarze Linie über den gesamten Beobachtungszeitraum seit Beginn der "Waldschadensberichte" im Jahr 1983 verfolgt, erkennt, daß die Kurven innerhalb des Schwankungsbereichs der vergangenen 20 Jahre liegen. Die leichte Verbesserung bei den Eichen ist also keineswegs ein Grund zur Entwarnung.

Während bei den Eichen immer noch 76 Prozent als krank (36 Prozent stark und 40 Prozent mittelstark geschädigt) eingestuft werden müssen, ist liegt der Anteil der kranken Bäume im Durchschnitt aller Baumarten bei 67 Prozent. Im Vergleich zu 2013 stieg er um 5 Prozent.

Ein beliebtes Mittel, die Statistik zu manipulieren, besteht darin, die Bäume immer jünger zu fällen. Damit verschiebt sich das Gewicht in der Statistik hin zu den jüngeren - naturgemäß noch nicht so stark befallenen Beständen. Während etwa Eichen 850 Jahre alt werden können, Buchen gut und gerne 250 Jahre oder Fichten etwa 300 Jahre, beträgt das durchschnittliche Alter der Bäume in Deutschlands Wäldern nur mehr 80 Jahre. Wurden in den 1990er-Jahren noch jährlich 40 Millionen Kubikmeter "geerntet" sind es mittlerweile mehr als 50 Millionen Kubikmeter pro Jahr - bei nahezu gleichbleibender Waldfläche.

Besonders schlecht geht es den Buchen in deutschen Wäldern. Der Anteil der gesunden Buchen ist von 23 Prozent (in 2013) auf 14 Prozent (in 2014) gesunken. Auch im Falle der Buchen versucht der jetzt vorgelegte "Waldzustandsbericht 2013" Ursache und Wirkung zu vertauschen: "Der auffällige Anstieg bei der Kronenverlichtung bei den Buchen von 35 auf 48 Prozent lässt sich durch die starke Eckernbildung (Fruktifikation) erklären. In Jahren, in denen die Buchen viele ihrer Früchte tragen, werden weniger Blätter gebildet und die Kronen sind entsprechend schütter."

ForstwissenschaftlerInnen beobachten jedoch seit dem Jahr 2000 gehäuft auftretende "Mastjahre" der Buche. In einer Art "letztem Aufbäumen" produzieren die Buchen eine extreme Masse an Bucheckern, um das Überleben der Art langfristig zu sichern. Die Substanz, die für die Produktion der Frucht aufgebracht wird, fehlt den Buchen dann für die Ausbildung der Blätter. Die Überlebenschance der so geschwächten Bäume sinkt dadurch dramatisch. Nicht die Fruktifikation ist ursächlich für die Immunschwäche der Buchen, sondern umgekehrt: Die Schadstoff-Emissionen führen zur Immunschwäche und diese ist wiederum die Ursache für die evolutionär angelegte Strategie der Buchen, alle restliche Kraft in die Bucheckern zu stecken. Im vergangenen Jahr wurden außerdem noch erhebliche Fraßschäden durch den Buchenspringrüssler beobachtet.

Auf dem Höhepunkt des BSE-Skandals im Jahr 2001 hatte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder den amtierenden "roten" Agrar-Minister Karl-Heinz Funke gegen die pseudo-grüne Renate Künast eingetauscht und großmäulig eine Agrar-Wende und das "Ende der industriellen Tierproduktion" versprochen. Es gab jedoch keinen realen Kurswechsel, sondern lediglich Korrekturen am Image. Auch die Verkehrs-Wende, die mit einem drastischen Umsteuern vom Individualverkehr zu Bahn und ÖPNV dem deutschen Wald eine Chance zum Überleben lassen würde, wurde in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend verhindert.

Wer wirklich etwas für den Erhalt und die Genesung der deutschen Wälder tun möchte, darf sich nicht auf "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" verlassen, sondern muß für die Durchsetzung der Agrar-Wende, der Energie-Wende und der Verkehrs-Wende kämpfen. Insbesondere kann eine Energie-Wende hin zu einer Vollversorgung durch erneuerbare Energien nur dann durchgesetzt werden, wenn ein realer Atom-Ausstieg erkämpft wird. Der von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Unterstützung von vier Parteien im Sommer 2011 verkündete Atom-Ausstieg ist ebenso eine arglistige Täuschung wie der von "Rot-Grün" im Jahr 2000 verkündete Atom-Ausstieg und die im Jahr 2001 verkündete Agrar-Wende. Erst eine tiefgreifende Veränderung der Wirtschaft im Energie-, im Verkehrs- und im Agrar-Sektor wird eine Dezentralisierung und damit Demokratisierung der Wirtschaft ermöglichen.

Und erst auf dieser ökonomischen Basis wird es möglich sein, eine Demokratisierung der Politik zu realisieren. Denn es ist grundsätzlich nicht möglich, das Pferd vom Schwanz her aufzuzäumen: Im Kapitalismus gibt es kein "Primat der Politik über die Ökonomie", sondern die Politik wird im Gegenteil überwiegend von Kapital-Interessen bestimmt. Von jeher war es eine Illusion, über den Weg politischer Veränderungen, also Veränderungen des Überbaus, die gesellschaftliche Basis, also die wirtschaftlichen Grundlagen der Gesellschaft, transformieren zu können. Eine solche Transformation der Ökonomie, die nicht zuletzt nötig ist, um die Klimakatastrophe abzuwenden, erfordert allerdings mehr, als nur im Bioladen einzukaufen oder eine Solaranlage auf dem Dach zu installieren.

 

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Anmerkungen

Siehe auch:

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg
      Buchen besonders stark geschädigt (4.12.14)

      Buschbeller Wald bei Köln bedroht
      Unsinniger Sandabbau (21.07.14)

      Wald-AIDS 2013
      Zustand schlechter - nicht besser (10.03.14)

      Nationalpark im Schwarzwald kommt
      Kleiner Fortschritt in Baden-Württemberg (28.11.13)

      Wald zu 98 Prozent Rohstofflieferant
      Nur 2 Prozent Naturwald dienen als Alibi (15.10.13)

      Dem deutschen Wald geht es
      schlechter als in den 1980er-Jahren (4.02.13)

      Wald-AIDS greift um sich
      Zustand der Buchen auf historischem Tiefpunkt (2.03.12)

      Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
      Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)

      Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
      Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig"
      (29.07.11)

      Keine Entwarnung bei Wald-AIDS
      Zustand kaum verändert (1.02.11)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg
      Schäden innerhalb der Schwankungsbreite
      Zustand der Eichen nach wie vor "alarmierend" (27.11.10)

      Appell gegen Massentierhaltung
      Für eine Agrar-Wende (23.11.10)

      Bayerischer Forstminister
      und wenig Promille (18.08.10)

      Globale Waldvernichtung:
      13 Millionen Hektar pro Jahr (26.03.10)

      Wald-AIDS weiter virulent
      Aigner veröffentlicht "Waldzustandsbericht 2009"
      (22.01.10)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg:
      Oettinger legt desaströsen "Waldzustandsbericht" vor
      Haupt-Verursacher Massentierhaltung weiter verleugnet
      (1.12.09)

      Baden-Württemberg: Wald liefert 37 Prozent
      weniger Gewinn
      Wald-AIDS, Nachwirkungen von Sturm Lothar
      und Klimawandel spürbar (21.08.09)

      Trotz Wald-AIDS:
      Deutsche Forstwirtschaft nicht nachhaltig (21.07.09)

      "Waldzustandsbericht" 2008 veröffentlicht
      Wald-AIDS verschlimmert sich schleichend (21.02.09)

      Wald-AIDS auch in den USA
      Sterberate in 20 Jahren verdoppelt (24.01.09)

      Wald-AIDS:
      Elende Zustände in Baden-Württemberg (18.11.08)

      Wald-AIDS wird beschwiegen
      Mainstream-Medien leugnen weiterin Hauptverursacher
      (19.03.08)

      Wald-AIDS im Jahr 2007
      und das Elend der Politik (30.01.08)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg
      Nur drei Jahre seit 1983 waren schlimmer... (24.11.07)

      Wald-AIDS im Jahr 2006
      Haupverursacher Landwirtschaft (25.01.07)

      Seehofer will die jährlichen
      "Waldschadensberichte" canceln (14.07.06)

      Wald-AIDS im Jahr 2005
      Der Waldzustandsbericht und die Ursachen (22.01.06)

      Der Wald hat AIDS
      "Rot-Grün" schaut zu (18.03.05)

      Wald-AIDS so schlimm wie nie zuvor (8.12.04)

      Wald-AIDS - Zustand schlimmer als 1983 (19.10.04)

      WWF sieht "Rot-Grün" auf dem Holzweg
      "Holz-Charta" offenbart Mißachtung der Wälder (3.09.04)

      Der Wald hat AIDS
      Aktuelle Befunde am Krankenbett (28.06.04)

      Auch "Rot-Grün" kann nicht länger leugnen:
      Dem Wald geht's immer schlechter (12.12.03)

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