Halle (LiZ). WissenschaftlerInnen des EASAC haben in einem Gutachten im Auftrag der Europäischen Union nachgewiesen, daß bestimmte Pestizide für das seit 2003 immer wieder auftretende Bienensterben ursächlich sind. Im Dezember soll auf EU-Ebene über teilweise bestehende Verbote neu entschieden werden.
Nicht nur die für rund drei Viertel der gesamten menschlichen Nahrungsmittel-Produktion unverzichtbare Biene, sondern auch etliche Wildbienen- und Schmetterlings-Arten sind durch kleinste Mengen bestimmter Pestizide von der Ausrottung bedroht. Laut einem am gestrigen Mittwoch veröffentlichten Gutachten des EU-Wissenschaftsnetzwerkes European Academies Science Advisory Council (EASAC) können die zahlreichen Beweise nicht länger ignoriert werden. Beweise für die negativen Auswirkungen der Pestizid-Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide auf Bienen und andere Insekten waren bereits im Jahr 2008 so offenkundig, daß die italienische Regierung ein Anwendungsverbot für Clothianidin und eine Reihe weiterer Neonicotinoide verhängte (Siehe unseren Artikel v. 19.09.08).
Der EASAC ist ein Netzwerk von europäischen WissenschaftlerInnen, das als Beratungs-Gremium der EU fungiert. An dem nun vorliegenden Gutachten arbeitete eine Gruppe von 13 WissenschaftlerInnen. Daraus geht hervor, daß nicht nur Insekten massiv geschädigt werden, sondern daß auch deutliche negative Auswirkungen auf insektenfressende Vögel zu verzeichnen sind. Die Nervengifte, die in der industriellen Landwirtschaft eingesetzt werden, um Insekten, unerwünschte Pflanzen und Pilze zu töten, sind 5000- bis 10.000-mal giftiger als das altbekannte Agro-Gift DDT. Das Gutachten kommt außerdem zu dem Ergebnis, daß die Bestäubung von Nutzpflanzen durch die Bienen und damit die menschliche Nahrungsmittel-Produktion stark zurückgegangen ist. Drei Viertel der weltweit gehandelten Nutzpflanzen können ohne Bestäubung durch Bienen oder andere Insekten keine Früchte hervorbringen.
Im vergangenen Jahr mußten europäische ImkerInnen einen Umsatzrückgang von rund 140 Millionen Euro verzeichnen. Der Schaden, der in der Landwirtschaft durch fehlende Bestäubung entsteht, ist noch viel größer. Er wird auf 20 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Vögel und Marienkäfer erbringen als Vertilger der für die menschlichen Nutzpflanzen schädlichen Insekten eine Leistung, deren ökonomischer Wert auf rund 90 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt wird.
Bereits Albert Einstein sagte über die Bedeutung der Bienen für die gesamte Nahrungskette: "Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr - keine Bestäubung mehr - keine Pflanzen mehr - keine Tiere mehr - keine Menschen mehr..." Es kann nicht mehr länger geleugnet werden, daß die industrielle Landwirtschaft, die im Gegensatz zur Bio-Landwirtschaft nicht bereit ist, auf Pestizide und künstliche Düngemittel zu verzichten, die Lebensgrundlagen der Menschheit zerstört.
Die EU-Kommission hatte auf das seit 2003 immer wieder auftretende Bienensterben in Europa und den USA erst im Jahr 2013 reagiert und die Anwendung bestimmter Pestizide eingeschränkt. So wurde etwa der Einsatz bei der Behandlung von Saatgut verboten. Die Chemie- und Agro-Konzerne Bayer und Syngenta haben hiergegen geklagt. Der Verband der europäischen Pestizid-Hersteller kritisierte das EASAC-Gutachten sofort als "voreingenommen, irreführend und selektiv".
Mit Hilfe willfähriger WissenschaftlerInnen versuchten Bayer und Syngenta, den zunehmenden Befall von Bienenvölkern durch die Varroa-Milbe als ursächlich für den drastischen Rückgang darzustellen. Seit langem jedoch war unter ImkerInnen bekannt, daß erst bei geschwächten Bienenvölkern die Abwehrkräfte gegen den Parasiten zusammenbrechen. Mittlerweile liegen immer mehr wissenschaftliche Beweise dafür vor, daß der vermehrte Befall durch die Varroa-Milbe auf die Schädigung der Bienen durch Pestizide zurückzuführen ist.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Urteil pro Bienenschutz
BUND siegt gegen Bayer-Konzern (11.03.15)
Vorreiter der Umweltzerstörung
Bericht der Europäischen Umweltagentur (5.03.15)
Greenpeace-Protest gegen Bienenkiller
Agrar-Gift im Pollen entdeckt (16.04.14)
Bienensterben international
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(7.04.14)
Das Aussterben der Bienen kann
plötzlich und ohne Vorwarnung kommen (6.01.14)
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Auch Okapi-Bestände stark geschrumpft (26.11.13)
Honig darf verunreinigt werden
Bundesverwaltungsgericht läßt Gen-Kontamination zu
(25.10.13)
Flächenfraß
Täglich 74 Hektar mehr Siedlungs- und Verkehrsfläche
(13.10.13)
Bienen und Wildinsekten sind überlebenswichtig
Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (27.02.13)
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Umweltverbände: Aigners Pestizid-Aktionsplan
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EU-Kommission versucht Gen-Honig
durch die Hintertür einzuschmuggeln (24.10.12)
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