Hannover (LiZ). In den vergang- enen Tagen wurde bekannt, daß die dringend nötige Rückholung des Atommülls aus dem "Versuchs-Endlager" Asse II möglicherweise bis ins Jahr 2036 verzögert werden soll. Im Januar 2010 war nach starkem öffentlichen Druck von der Bundesregierung versprochen worden, den Atommüll zu bergen. In den Jahren zuvor waren mehr und mehr gravierende Mängel und kriminelle Vertuschungen bekannt geworden. Nun kommt jedoch zutage, daß das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) derzeit Planungen zu einer gefährlichen Flutung des ehemaligen Bergwerks vorantreibt.
Seit zweieinhalb Jahren verspricht die Bundesregierung die Rückholung des Atommülls aus dem vom Einsturz bedrohten "Versuchs-Endlager" Asse II. Ständig wechselndes Personal ist mit der Ausarbeitung von Plänen beschäftigt, den Atommüll, der niemals in dem ehemaligen Salzbergwerk hätte eingelagert werden dürfen, zu bergen. Gleichzeitig wurden immer neue künstliche Hindernisse aufgebaut wie etwa der Bau einer eigenen Stickstoff-Fabrik auf dem Gelände des Bergwerks, da Stickstoff zur Bekämpfung eines möglichen Brandes in den Bergwerksstollen angeblich nicht auf andere Weise herangeschafft werden kann.
Einen Tag vor dem Besuch des neuen Bundes-"Umwelt"-Ministers Peter Altmaier in dem maroden Atommüll-Lager Asse II haben Bürgerinitiativen und Verbände heute in Hannover Zweifel und Mißtrauen geäußert, daß die Bundesregierung und die Landesregierung von Niedersachsen es mit der Räumung des Atommülls wirklich ernst meinen. Die Realität widerspricht den Beteuerungen der Partei-PolitikerInnen: Während die Maßnahmen zur Rückholung nicht vorankommen, wird die Flutung von Asse II – so, wie sie der alte Betreiber noch bis vor drei Jahren präferiert hat – unmittelbar vorbereitet.
"Wir haben kein Vertrauen," erklärt Andreas Riekeberg vom Asse-II-Koordinationskreis, "daß nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt jemand den Notfall ausruft und mit der Flutung beginnt. Wenn es tatsächlich noch bis 2036 dauern sollte, bis die Rückholung beginnt, dann wäre ja immerhin 24 Jahre Zeit, in der jederzeit geflutet werden kann. Sind jedoch erst einmal die Schleusen geöffnet, läßt sich der Atommüll nicht mehr zurückholen."
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) bereitet derzeit durch verschiedene Maßnahmen die Flutung von Asse II vor, nicht aber die Beherrschung größerer Wasserzutritte. Diese sind jedoch jederzeit zu erwarten. Bereits im Jahr 2007 wurde publik, daß seit 1988 Wasser in die Stollen von Asse II eindringt und dies geheim gehalten wurde. Bereits 1965 war bekannt, daß die beiden benachbarten Schächte Asse I und Asse III abgesoffen waren. Von dem weniger als zehn Kilometer entfernten Salzbergwerk Hedwigsburg war nach einem Wassereinbruch nur noch ein wassergefüllter Krater übrig geblieben.
Dr. Frank Hoffmann vom Asse-II-Koordinationskreis fand bei einem detaillierten Vergleich des sogenannten "Notfallkonzeptes" des BfS für Asse II mit dem Konzept "Vollverfüllung" des alten Betreibers GSF heraus, daß die Flutung mit Magnesiumchlorid-Lösung weiter planerisch vorbereitet wird. Bei einer Flutung der Bergwerksschächte und den darin enthaltenen weitgehend verrosteten Atommüll-Fässern würde es in unbekannten Zeiträumen an unbekannten Orten in Norddeutschland zu einer Freisetzung von Radioaktivität in unbekanntem Ausmaß kommen. Nach Berechnungen von Dr. Ralf Krupp aus dem Jahr 2010 kann dies innerhalb weniger Jahre geschehen.
Weiterhin lehnt der Asse-II-Koordinationskreis daher eine Flutung von Asse II strikt ab: "Die unabsehbaren Schädigungen von Mensch und Umwelt sind nicht zu verantworten." Zugleich fordern die UmweltschützerInnen, daß das BfS umgehend andere Konzepte für den "Notfall" des auslegungsüberschreitenden Lösungszutritts entwickeln und mit Hochdruck an der Umsetzung der Rückholung arbeiten müsse.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
BUND fordert Transparenz bei Endlagersuche
Transparenz bei einer Farce? (22.02.12)
Röttgen verplappert sich:
Illegaler Bau im Gorlebener Salzstock (2.01.12)
Endlagersuche in der Schweiz
20 "Standortareale" - ein Ziel: Benken (19.01.12)
Geologe warnt
vor geplantem "Endlager" Gorleben (13.12.11)
Bergung des Atom-Mülls aus Asse II
weiter verzögert
Bundes-"Umwelt"-Ministeriumn betreibt Obstruktion
(8.12.11)
Strahlen-Skandal Gorleben
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages
widerspricht Landesregierung (20.11.11)
Genehmigung für CASTOR-Transport
trotz Strahlen-Skandal (31.10.11)
Strahlen-Skandal in Gorleben
Grenzwert am Zaun bereits seit 2003 überschritten
(30.09.11)
Radioaktiver Müll in Gorleben
hohe Strahlenbelastung am Zaun (25.08.11)
Atommüll-Endlager in Deutschland?
EU macht Druck (20.07.11)
Atommüll-Endlager in der Schweiz?
Unmögliches soll realistisch erscheinen (12.07.11)
13. CASTOR nach Gorleben
angekündigt (3.06.11)
Gorlebener Salzstock vielfach angebohrt
Der Berg schlägt zurück (15.04.11)
Stark erhöhte Radioaktivität
im "Versuchs-Endlager" Asse II (14.04.11)
Drei Monate Denkpause
auch für Gorleben? (30.03.11)
"Versuchs-Endlager" Asse II
Wasserzutritt verdoppelt (15.12.10)
Erhöhte Krebs-Rate
um das "Versuchs-Endlager" Asse II (25.11.10)
Parteitag der Pseudo-Grünen
Gorleben als Verhandlungsmasse (21.11.10)
Neue wissenschaftliche Studie:
AKW und tote weibliche Embryos (19.11.10)
Akten über Explosion im Jahr 1969
Erdgas unter Gorleben (13.09.10)
Weiterer Erfolg des Gorleben-Widerstands:
Verwaltungsgericht Lüneburg stoppt Datensammlung
(4.09.10)
CASTOR-GegnerInnen siegen
vor Bundesverfassungsgericht (26.08.10)
Der Endlager-Schwindel
Greenpeace veröffentlicht Akten zu Gorleben (13.04.10)
In Asse II wird probegebohrt
Weitere Zeitverzögerung vor der Rückholung (27.03.10)
Einsturzgefahr im "Versuchs-Endlager" Asse II
Atommüll wird rückgeholt (15.01.10)
Endlager-Standort Gorleben
Bei der Auswahl spielte Geologie kaum eine Rolle
(10.01.10)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Mit Spezialbeton Hohlräume verfüllt (8.12.09)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Decke eingestürzt (9.10.09)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Rückholung des Atommülls laut Bundesamt möglich
(2.10.09)
Verstärkter Laugeneinbruch
im "Versuchs-Endlager" Asse II (18.09.09)
Skandal-Serie Asse II: Noch mehr Plutonium
im "Versuchs-Endlager" (29.08.09)
Skandal-Serie Asse II:
Hochradioaktiver Müll im "Versuchs-Endlager"?
MONITOR veröffentlicht Siemens-Unterlagen (24.07.09)
Skandal-Serie Asse II:
Erneuter Fund radioaktiver Lauge (15.07.09)
Skandal-Serie Asse II:
Nun auch noch Sprengstoff (26.06.09)
Asse II: Strom-Konzerne drückten
die Sicherheits-Standards (3.06.09)
Asse II: Mehr radioaktiver Müll als vermutet
Greenpeace findet Hinweise auf zu niedrige Angaben
in den Inventar-Listen (7.05.09)
Asse II: Einsturzgefahr in Kammer 7 akut
(29.04.09)
Asse II diente auch der Bundeswehr als Atomklo
Endlager-Skandal nimmt immer neue Dimensionen an
(24.04.09)
Asse II: Auch Fässer mit Pestiziden,
Arsen und Blei im "Versuchs-Endlager" Asse II (15.04.09)
Versuchslager Asse II
Wer hat den radioaktiven Müll produziert? (23.02.09)
Lauge aus Atommüll-Lager Asse erneut nach 'Mariaglück'
Dringend nötige Rückholung weiter verzögert (7.02.09)
Einsturzgefahr im Atommüll-Lager Asse
Seit Dezember nicht veröffentlicht (15.01.09)
Asse II: Der Wechsel zum BfS ist nur Pop
Rückholung des radioaktiven Mülls bislang nicht geplant
(5.09.08)
Gefahr durch atomares Versuchslager Asse II
nicht länger geleugnet
Atom-Minister Gabriel: "Zustände in Asse sind unhaltbar"
Wird das Bergwerk geräumt? (2.09.08)
Verdacht auf hochradioaktiven Müll
im Versuchslager Asse II
"Brennstäbe in Blechdosen" (29.07.08)
Skandal-Grube Asse II
Eindringendes Wasser radioaktiv kontaminiert (12.06.08)
Drohende Umweltkatastrophe
durch Atom-Lagerstätte Asse
Gabriel räumt Gefahren ein (21.11.07)
Endlager-Wahnsinn (28.02.01)
Das ungelöste Problem der Endlagerung
Folge 12 der Info-Serie Atomenergie