Nitrat-Belastung im deutschen Grundwasser
steigt dramatisch
Brüssel (LiZ). Nach einem gestern veröffentlichten Bericht der EU-Kommission ist die Nitrat-Belastung in Deutschland und in Malta am höchsten in Europa. Die Verunreinigung der Gewässer durch Nitrate ist zwar in den vergangenen 20 Jahren leicht zurückgegangen, aber der Eintrag durch künstlichen Nitratdünger aus der industriellen Landwirtschaft steigt wieder dramatisch.
Aus dem Bericht über die Umsetzung der Nitrat-Richtlinie geht hervor, daß trotz insgesamt leicht positiver Tendenz die Nitrat-Belastung und Eutrophierung - also das übermäßige Wachstum von schädlichen Pflanzen und Algen, das das Leben in Flüssen und Seen erstickt - noch in vielen EU-Mitgliedstaaten Probleme bereitet. EU-Umweltkommissar Janez Potocnik mußte eingestehen, daß Nitrate eine "starke Belastung für die Biodiversität, die Gewässer und die Agrar-Flächen" darstellen. An eine Förderung der Biolandwirtschaft oder eine Umstellung der Agrar-Subventionen (siehe hierzu unseren Artikel v. 28.08.13) denkt in der EU-Bürokratie aber offensichtlich niemand. Der Bericht stellt lediglich fest, daß die Landwirtschaft "nicht genügend Anreize" erhalte, um den Einsatz von Nitratdünger einzuschränken.
Nicht länger geleugnet werden kann zudem, daß die Belastung der Wasserqualität durch die industrielle Landwirtschaft in einigen Gebieten immer noch zunimmt. Der EU-Bericht weist darauf hin, die Ursache hierfür seien "einige Verfahren der Intensivlandwirtschaft", die "stark von Düngemitteln abhängig sind, die die Gewässerqualität vor Ort verschlechtern". In Deutschland und Malta sind die Probleme beim Grundwasser am größten, während die Verunreinigung der Oberflächengewässer in Malta, Großbritannien und Belgien am stärksten ist. Beinahe vier von zehn Seen in Europa leiden demnach unter Eutrophierung. Akut ist die Lage in den Niederlanden, wo 100 Prozent des Süßwassers betroffen ist.
Bekanntlich trägt nicht nur der Einsatz von Mineraldünger in der industriellen Landwirtschaft, sondern auch die Massentierhaltung zu übermäßigen Nitrat-Konzentrationen bei. Nitrat aus den Exkrementen der Schweine-, Rinder- oder Geflügel-Haltung sickern in Bäche, Flüsse und Grundwasser ein. Sie verursachen häufig ein übermäßiges Algenwachstum (siehe hierzu etwa unseren Artikel v. 29.07.11), was zu Störungen der Wasser-Ökosysteme führt. Ebenso gehören Luftverschmutzung, gravierende Schädigungen der Wälder, Bedrohung der Biodiversität und die Ausbreitung von Todeszonen in der Ostsee zu den Folgen.
Durch die hohe Nitrat-Belastung des Grundwassers kommt es zu Verunreinigungen des Trinkwassers. Für Nitrat gilt in Deutschland ein relativ lascher Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter Trinkwasser. Nitrat kann im menschlichen Körper zu Nitrosaminen umgebaut werden kann. Diese sind krebserregend.
Im aktuellen Bericht lobt sich die EU-Bürokratie selbst dafür, daß sie vor 20 Jahren das Problem erkannt habe. Die Nitrat-Richtlinie trat EU-weit im Jahr 1992 in Kraft. Doch zugleich heißt es im Bericht: "Obwohl sie in den Mitgliedstaaten bereits gut eingeführt ist, ist ihre vollständige Umsetzung in einigen Ländern noch problematisch." So laufen derzeit gegen sechs Mitgliedstaaten (Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Lettland, Polen und die Slowakei) diesbezügliche Vertragsverletzungsverfahren.
Nach einer Untersuchung der Umweltbundesamtes (UBA), die im Juli bekannt wurde, stammt das Nitrat im Grundwasser hauptsächlich aus der industriellen Landwirtschaft - und zwar aus dem dort eingesetzten Stickstoffdünger. In Ackerbaugebieten lag bei 24 Prozent der Messstellen die Nitrat-Konzentration über 50 Milligramm je Liter Wasser - dem Grenzwert der Trinkwasser-Verordnung. Das UBA versuchte daher auf EU-Ebene auf eine Verschärfung der Dünge-Verordnung zu drängen. 'Report Mainz' veröffentlichte im Juli ein internes Schreiben der EU-Kommission an das deutsche Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV), laut dem diese über "die Entwicklung der Wasserqualität in Deutschland besorgt" ist. Darin fordert sie, daß Deutschland sicherstellen müsse, daß die Wasserqualität in einem angemessenen Zeitrahmen akzeptabel werde. Eine "Verbesserung der derzeit geltenden Maßnahmen" zum Grundwasserschutz sei erforderlich, um die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen.
Betreiber von Wasserwerken befürchten, den Grenzwert für Nitrat von 50 Milligramm pro Liter bald nicht mehr einhalten zu können. Bernhard Röhrle vom Zweckverband Landeswasserversorgung in Stuttgart erklärt gegenüber 'Report Mainz': "Die Situation ist besorgniserregend. Wir müssen dringend und kurzfristig reagieren, so daß es zu keinen Grenzwertüberschreitungen kommt." Und Egon Harms vom Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbund sagt: "Die Situation ist für uns hier mittlerweile hoch dramatisch, weil die Nitrat-Werte wieder steigen."
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Agrar-Subventionen
BUND fordert Neuausrichtung (28.08.13)
VGH-Urteil: Natürliches Mineralwasser
darf Pestizide enthalten (2.08.13)
Phosphat-Dünger
Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (7.05.13)
Dem deutschen Wald geht es schlechter
als in den 1980er-Jahren (4.02.13)
Pestizide vernichten Amphibien
Umweltbundesamt fordert Beschränkungen (1.02.13)
Speer-Azurjungfer ist Libelle des Jahres 2013
Vom Aussterben bedroht (5.01.13)
Umweltverbände: Aigners Pestizid-Aktionsplan
ist "mangelhaft" (25.10.12)
Flächenfraß weiter lebensgefährlich
BUND fordert Biotopverbund (17.07.12)
Greenpeace deckt auf
Pestizide in Obst und Gemüse (26.03.12)
Wald-AIDS greift um sich
Zustand der Buchen auf historischem Tiefpunkt (2.02.12)
Gartenrotschwanz bald ausgerottet
Vogel des Jahres 2011 (9.10.11)
Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)
Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig" (29.07.11)
BUND fordert Aufgabe der Pläne
zum Elbe-Ausbau und Elbe-Saale-Kanal (9.02.11)
Uran im Trinkwasser
foodwatch kritisiert neuen Grenzwert (29.11.10)
Appell gegen Massentierhaltung
Für eine Agrar-Wende (23.11.10)
Die Ostsee stirbt
Mord per Ackerbau und Viehzucht (27.07.10)
Hormone im Klärwasser
Arzneimittelrückstände bedrohen Fische (17.04.10)
Ostsee-Pipeline gefährdet Ökosystem
WWF fordert Kompensationen (21.12.09)
Uran im Trinkwasser
'Foodwatch' kritisiert zu hohe Belastung (26.11.09)
Umweltfrevel im Nationalpark
Nothafen Darßer Ort wird ausgebaggert (6.11.09)
Deutschlands Wasserverbrauch:
160 Milliarden Kubikmeter jährlich (3.08.09)
Der Rhein wird aufgeheizt
AKW Fessenheim mit maßgeblichem Beitrag (30.06.09)
Bundesregierung unterliegt:
Liste der Agrar-Subventionen endlich öffentlich (9.06.09)
Globale Wasserkrise steht bevor
Weltwasserforum 2009 in Istanbul (15.03.09)
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Plastikflaschen in der Kritik (12.03.09)
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Immer weniger Schweinswale (28.01.09)
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Steigende Pestizidbelastung
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agro-industrielle Landwirtschaft (24.07.08)
Umweltverbrechen Mais-Anbau
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in der Schule
Was hat Coca-Cola wirklich mit Wasser zu tun? (24.04.08)
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Gabriel desinteressiert (15.11.07)
Die Ostsee stirbt
Deutschland schaut zu (28.09.07)
Wasser,
globale Umweltzerstörung und Klimakatastrophe (14.05.07)
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Agrar-Wende
Nichts als heiße Luft (24.01.04)
Wasser und Weltbank (13.07.03)
Wer gräbt den Armen
das Wasser ab? (30.03.03)
Wucher mit Wasser
Die Folgen der Privatisierung der Wasserversorgung
(22.03.03)