AKW Fessenheim
Betriebsdauer von 60 Jahren?
Paris (LiZ). Mit Hilfe unerprobter technischer Einbauten soll dem mit rund 36 Jahren ältesten französischen Atomkraftwerk zu einer Betriebsdauer über das Jahr 2016 hinaus verholfen werden. Auch für Reaktor II gab die französische Atomaufsicht ASN Anweisungen, einen "core catcher" einzubauen und das Notkühlsystem zu verbessern. Das Wahlversprechen des französischen Präsidenten Hollande, das AKW Fessenheim bis spätestens 2016 stillzulegen, hat sich bereits in den vergangenen Monaten als heiße Luft erwiesen.
Die Bodenplatte unter dem Reaktor soll von 1,50 auf 2 Meter verstärkt werden. Außerdem wird ein sogenannter core catcher, ein Transferkanal im Schacht unter dem Reaktordruckbehälter gebaut, der im Falle eines Super-GAU den geschmolzenen Kern in einen benachbarten, ebenfalls verstärkten Bereich leiten soll. Diese sogenannten Sicherheits-Nachrüstungen würden - falls die theoretischen Überlegungen zutreffen - eine massive Freisetzung von Radioaktivität um maximal 20 Stunden verzögern.
Heftige Kritik an den im AKW Fessenheim vorgesehenen Arbeiten äußerte Dieter Majer, Diplom-Ingenieur und früherer Ministerialdirigent: So können nach seiner Einschätzung die direkt unter dem Reaktordruckbehälter eingesetzten Arbeitskräfte "in diesem Bereich höchsten 30 bis 60 Minuten arbeiten", weil sie dort einer enormen radioaktiven Strahlung ausgesetzt sind. Außerdem stellt Majer die "technische Machbarkeit" der von der ASN vorgegebenen baulichen Maßnahmen in Frage.
Was von den Wahlversprechen Hollandes zu halten ist, zeigte sich bereits in den vergangenen Monaten: Der eigens von der französischen Regierung beauftragte "Stilllegungskoordinator" Francis Rol-Tanguy bekundete ganz unverhohlen, die Vorbereitung einer Stilllegung des AKW Fessenheim dürfe eine im Frühjahr 2017 neugewählte Regierung nicht daran hindern, die Betriebsgenehmigung des AKW Fessenheim weiter zu verlängern. Vor diesem Hintergrund ist daher auch offensichtlich, wie ernst die mit der aktuellen Anweisung verknüpfte Drohung der ASN zu nehmen ist: Sollten die Veränderungen am AKW nicht bis zum Jahresende abgeschlossen sein, werde es bereits vor dem für 2016 festgelegten Betriebsende stillgelegt.
Tatsächlich stellt die ASN dem Betreiber EdF im Falle der Realisierung der vorgegebenen Veränderungen eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung um weitere zehn Jahre in Aussicht. Bereits 2008 hatte der damalige EdF-Präsident Pierre Gardonneix mit einem Lapsus linguae für mediale Aufmerksamkeit gesorgt: Mit Blick auf die laufende 10-Jahres-Inspektion im AKW Fessenheim hatte Gardonneix von einer Verlängerung für die "kommenden Jahrzehnte" gesprochen (Siehe unseren Artikel vom 4.12.08). Bekanntlich träumen Atom-Manager von einer AKW-Betriebsdauer von 60 Jahren (Siehe unseren Artikel vom 15.11.12)
Auch in anderen europäischen Staaten erwiesen sich Versprechen von Seiten der Parteien-Politik über einen Atomausstieg als wenig verlässlich. Bereits 1980 hatte sich eine Mehrheit bei einer Volksabstimmung in Schweden gegen Atomenergie ausgesprochen. 1998 versprach die schwedische Regierung die Stilllegung von zwei der insgesamt 12 Atom-Reaktoren an vier Standorten. Doch während die Einlösung des Versprechens verzögert wurde, konnte durch das Aufrüsten der übrigen Reaktoren erreicht werden, daß Schweden heute mehr Atomstrom produziert als zuvor.
In Spanien hatte Ministerpräsident José Zapatero im Wahlkampf versprochen, das älteste spanische AKW Garoña im Jahr 2010 stillzulegen. Im Juli 2009 brach Zapatero sein Wahlversprechen und verlängerte die Betriebsdauer des AKW Garoña um vier Jahre. Übrigens bezeichnen sich sowohl Zapatero als auch Hollande als Sozialisten.
Und auch in Deutschland hatte sich der vor über zwölf Jahren versprochene Atomausstieg als "arglistige Täuschung" erwiesen - so damals Holger Strohm, Atomkraft-Kritiker der ersten Stunde und Mitbegründer der Grünen. Von den zur Jahrtausendwende in Betrieb befindlichen 19 deutschen Atom-Reaktoren wurden bis 2010 lediglich zwei stillgelegt. Im Herbst 2010 versuchte die "schwarz-gelbe" Bundesregierung sogar, die bis dahin gültige wachsweiche gesetzliche Regelung über einen Atomausstieg so zu verändern, daß die 17 in Betrieb befindlichen Atom-Reaktoren für eine weitere Legislaturperiode vor der Stilllegung geschützt blieben. Erst der Super-GAU von Fukushima hat diese Pläne im März 2011 - vorläufig - über den Haufen geworfen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Französischer Physik-Professor fordert
Stilllegung des AKW Fessenheim (15.02.13)
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(21.12.12)
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Belegschaft riskiert Atomkatastrophe (16.12.12)
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15 Prozent mehr EU-Finanzmittel für Atomenergie (15.11.12)
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