Tokio (LiZ). Über 200.000 Menschen haben heute in der japanischen Hauptstadt gegen den Kurs der Regierung demonstriert. Diese hatte dem Druck der Strom-Konzerne nachgegeben und gegen die Mehrheit der Bevölkerung die Wiederinbetriebnahme der 50 abgeschalteten japanischen Atom-Reaktoren erlaubt.
Die weltweite Atom-Industrie steht vor der Wiederkehr ihres Traumas von 1987. Erneut könnte sich eine Industrienation zu einem realen Atom-Ausstieg entscheiden. In Schweden (1986), in Deutschland (2001) und in Spanien (2008) war ein Atom-Ausstieg von der Regierung versprochen worden - das Versprechen wurde jedoch gebrochen. Lediglich in Italien (1987) und in Österreich (1978) konnte eine Mehrheit der Bevölkerung bisher den Atom-Ausstieg erzwingen.
Nachdem bereits in den vergangenen Wochen jeweils Freitags Zehntausende auf die Straßen gegangen waren (22. Juni: 45.000, 29. Juni: 200.000, 6. Juli: 160.000, 13. Juli: 160.000 - siehe unsere Berichte), kamen am heutigen Montag erneut 200.000 Menschen zum Protest gegen die Atompolitik der japanischen Regierung nach Tokio. In Sprech-Chören forderten sie: "Schluß mit der Atomenergie!"
Aus allen Regionen Japans waren TeilnehmerInnen nach Tokio gereist. Eine Rentnerin sagte auf der Demo: "Ich will dafür sorgen, daß meine Kinder und Enkel in einem sauberen Japan leben können!" Auf der Demo sprachen auch der japanische Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe und der bekannte Pop-Star Ryuichi Sakamoto. Oe forderte, die Verantwortlichen für die radioaktive Verseuchung der Region Fukushima müßten zur Verantwortung gezogen werden. "Dieses Unglück mit der japanischen Kultur begründen zu wollen, ist nichts als eine faule Ausrede." "Leben ist wichtiger als Geld," sagte Sakamoto und ergänzte: "Nach Fukushima zu schweigen ist barbarisch." Der Autor und Atomkraftgegner Takashi Hirose warnte davor, daß Japan mit dem Neustart der Atomenergie ein "nichtwiedergutzumachendes Verbrechen" begehe.
Die OrganisatorInnen hatten nicht mit der hohen TeilnehmerInnen-Zahl gerechnet, der Yoyogi-Park südöstlich des Stadtzentrums platzte aus allen Nähten. Sie hatten nach der Demo am Freitag nur rund 100.000 Menschen erwartet. Die Polizei veröffentlichte ebenso wie bereits am Freitag (13. Juli) keine Zahlen-Angaben.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Erneut 160.000 bei Demo in Tokio
Polizei-Absperrungen vergeblich (14.07.12)
160.000 in Tokio: "Saikado Hantai"
Protest gegen Neustart der Atomenergie (7.07.12)
Fukushima: 36 % der Kinder
haben veränderte Schilddrüsen (5.07.12)
200.000 in Tokio gegen Atomenergie
AKW Oi wird hochgefahren (30.06.12)
45.000 auf Demo in Tokio
"Nein zum Neustart der Atomenergie!" (23.06.12)
11.000 protestieren in Tokio
gegen Neustart der Atomenergie (16.06.12)
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Temperatur steigt (13.02.12)
Japan: Nur noch 3
von 54 Atom-Reaktoren am Netz
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(30.01.12)
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Der permanente Super-GAU von Fukushima
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Der permanente Super-GAU von Fukushima
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(13.10.11)
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Der permanente Super-GAU von Fukushima
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in Atom-Ruine Fukushima (2.08.11)
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Liefer-Stop für japanische Rinder (19.07.11)
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Erneute Explosion am 14. Juni? (16.06.11)
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TEPCO bestätigt Kernschmelze in 3 Reaktoren (24.05.11)
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Aktuelle Hintergrund-Informationen
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