Washington (LiZ). Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses stoppten die Markteinführung des ersten genmanipulierten Fisches. Konzerne, die Millionen US-Dollar investiert haben, kämpfen weiter für die Durchsetzung des Gen-Lachses "AquaAdvantage" als Nahrungsmittel. Das gentechnische Konstrukt wäre ein Türöffner bei der Beherrschung eines wegen der Überfischung der Ozeane unterversorgten Welt-Marktes.
Nach Angaben der UN-Ernährungsorganisation FAO wurden 2009 mehr als mehr als 1,4 Millionen Tonnen Atlantischer Lachs "produziert" - fast vollständig in Aquakultur. Die USA sind längst nicht mehr in der Lage, den eigenen Bedarf zu decken. Sie importierten im vergangenen Jahr 176.400 Tonnen des Fisches im Wert von rund 1,4 Milliarden US-Dollar. Während die Fangerträge in den Weltmeeren rückläufig sind, wächst die Nachfrage nach Fisch - ein Markt, der steigende Profite verspricht.
Seit Jahren kämpft der US-Konzern AquaBounty Technologies mit Unterstützung mächtiger Financiers für die Marktzulassung seines genmanipulierten Lachses "AquaAdvantage". Das lebende Konstrukt wird zwar nicht größer als seine natürlichen Artgenossen, wächst aber Dank eines eingebauten Wachstumhormons fast doppelt so schnell. Ins Erbgut dieses genmanipulierten Kunst-Lebewesens wurden Gene des Chinook-Lachses aus dem Pazifik und Gene des aalähnlichen Meeresdickkopfs eingefügt.
Einen Antrag auf Zulassung des Gen-Lachses hat AquaBounty bereits vor mehr als zehn Jahren bei der US-Lebensmittelbehörde FDA gestellt. Der von KritikerInnen als "Frankenstein-Fisch" bezeichnete Gen-Lachs wäre das weltweit erste genmanipulierte tierische Lebensmittel gewesen. AquaBounty witterte exorbitante Profit-Raten und beabsichtigt, auch genmanipulierte Forellen und Barsche auf den Markt bringen.
Das US-Repräsentantenhaus verabschiedete am Mittwoch einen Gesetzentwurf, der der Lebensmittelbehörde FDA Geld für die Zulassung versagt. Der Abgeordnete Don Young aus Alaska argumentierte, mit dem Gen-Lachs werde der wirtschaftlich wichtige Fang des Wildlachses in seinem Heimatstaat bedroht. Der Gesetzentwurf muß zwar noch den Senat passieren, doch voraussichtlich kann der heftig umstrittene Gen-Lachs in den USA auf absehbare Zeit nicht als Lebensmittel zugelassen werden. Dies würde einen herben Rückschlag für eine Milliarden-Industrie bedeuten. Die Entscheidung der FDA wurde bis Ende dieses Jahres erwartet. Im Dezember 2010 hatte sie den Gen-Lachs für gesundheitlich unbedenklich erklärt.
Vor dem Weißen Haus in Washington fand im September 2010 eine Großdemonstration gegen den "Frankenstein.Fisch" statt. VerbraucherInnen-Verbände und Umwelt-Organisationen in den USA hatten sich in einem Bündnis zusammengeschlossen ("Say No To FrankenFish") und waren gegen den Gen-Lachs zu Felde gezogen. Sie befürcheten, die FDA öffne die "Büchse der Pandora". In der griechischen Mythologie handelt es sich bei der "Büchse der Pandora" um eine Geschenk der Götter, in der alles Übel der Welt eingeschlossen war. Doch die Neugier der Menschen setzte sich über das Gebot hinweg, die Büchse nicht zu öffnen. Mit der Zulassung des Gen-Lachses drohe die Freisetzung in den Nahrungskreislauf und in der Folge nicht wiedergutzumachendes Unheil.
Heise.de berichtete bereits im Herbst 2010 von Labor-Studien, in denen der Gen-Lachs bei Futtermangel seine natürlichen Artgenossen aussticht: "Gelangen nur 60 gentechnisch veränderte Lachse in die freie Wildbahn, könnte dies eine natürliche Population von 60.000 Lachsen in weniger als 40 Fischgenerationen auslöschen," warnte Eric Hoffman von 'Friends of the Earth' unter Berufung auf eine Studie der National Academy of Sciences.
Die Gen-Lachse seien steril und würden in Fischfarmen an Land aufgezogen, sie könnten sich nicht mit wilden Lachsen paaren, konterte Ronald Stotish, Geschäftsführer von AquaBounty. Zugleich wiesen KritikerInnen auf den enormen Wasser- und Energieverbrauch bei Aquakulturen an Land hin.
Konkret wiesen UmweltschützerInnen auch nach, daß eine Studie, der die Entscheidung der FDA zugrunde lag, auf wissenschaftlichen Daten basiere, die von AquaBounty selbst stammten. Mitte September änderte die FDA ihren Kurs: die bisherigen Studien reichten nicht aus, weitere Studien vor der Zulassung des Gen-Lachs in den USA seien nötig.
Welches gigantische Profit-Potential in der Gentechnik steckt, zeigen die Umsätze mit genmanipulierten Pflanzen. Nach Angaben der industrienahen Organisation ISAAA hatten Ernten mit Gen-Mais, Gen-Soja und Gen-Baumwolle im Jahr 2009 ein Volumen von 150 Milliarden US-Dollar. Allerdings ist auch bekannt, daß der Anbau wegen zunehmender Probleme mit resistenten Unkräutern und rückläufiger Ernteerträge bei gleichzeitig steigendem Pestizid-Einsatz in vielen Ländern seinen Zenit überschritten hat.
Bei der europäischen Zulassungsbehörde EFSA wurde bislang kein Antrag für den Gen-Fisch gestellt. Angesichts der bei Meinungsumfragen seit Jahren in der gesamten EU deutlichen Ablehnung von Gentechnik in der Landwirtschaft, dürften genmanipulierte Tiere als Lebensmittel bei den europäischen VerbraucherInnen wenig Erfolg haben. In Deutschland etwa wird seit Jahren über die bereits zugelassene Gen-Kartoffel Amflora des Chemie-Konzern BASF gestritten. Sie soll nicht als Nahrung, sondern als Stärkelieferant in der Industrie verwendet werden. Doch selbst die Stärke-Industrie zeigt sich wenig an Amflora interessiert.
Im Gegensatz zu den USA gibt es in Europa eine EU-weite Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Lebensmittel. Dies gilt auch dann, wenn die genetische Veränderung im Endprodukt nicht mehr nachweisbar ist. Zugleich gibt es allerdings erhebliche Lücken im Kennzeichnungs-System: Eier, Fleisch und Milchprodukte von Tieren, die mit genmanipulierten Pflanzen gefüttern wurden, müssen auch in Europa nicht gekennzeichnet werden.
Anmerkungen
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