23.06.2011

WWF in der Kritik
Kommerz vor Umwelt?

Ist
Bremen (LiZ). "Der Pakt mit dem Panda", ein Dokumentar-Film von Wilfried Huismann, wurde am Mittwoch um 23.30 Uhr von der ARD gesendet. Grimme-Preisträger Huismann erhebt darin schwere Vorwurfe gegen den Umwelt-Verband World Wide Fund for Nature (WWF). Unter anderem machte der WWF in den USA gemeinsame Sache mit dem Gentech-Konzern Monsanto.

Der WWF, dem der Dokumentar-Film gerade sein 50-jähriges Jubiläum verhagelt, zeigte sich angesichts der geballten Kritik überrascht: "Wir haben kein Problem mit Kritik, wenn sie sachlich und faktisch korrekt ist. Aber der Film ist ungenau und fehlerhaft und polemisch, wie wir ganz klar beweisen können," erklärt WWF-Pressesprecher Christian Plaep.

Der Bremer Dokumentarfilmer und dreifache Grimme-Preisträger Wilfried Huismann wirft dem finanzkräftigen und besonders von Industriellen und Adligen geförderten Umwelt-Verband allzu große Nähe zu Konzernen vor, die wenig mit Umweltschutz viel aber mit der Verbesserung ihres Images im Sinn haben: Nicht nur dem mittlerweile weltweit als skrupellos verrufenen US-amerikanischen Gentech-Konzern Monsanto, sondern auch dem deutschen Einzelhandels-Konzern REWE, der bislang nicht durch sonderliches Umwelt-Engagement aufgefallen war.

Einer der gewichtigsten Kritikpunkte ist die Verstrickung des WWF mit Konzern-Interessen. Als einer der ältesten Umwelt-Verbände, der sich in den ersten Jahren nach seiner Gründung vor allem dem Schutz von Wildtieren und der Einrichtung von Reservaten widmete, nimmt der WWF jährlich rund 500 Millionen Euro an Spenden ein. 4000 MitarbeiterInnen in mehr als hundert Ländern arbeiten für den Verband.

Huismann wirft dem WWF vor, daß er zweifelhaften Unternehmen zu "Nachhaltigkeits-Zertifikaten" verhilft. So sitzen VertreterInnen des WWF am "Runden Tisch" mit Monsanto oder auch dem Multi Wilmar, einem Palmöl-Konzern mit Sitz in Singapur, zusammen. Der WWF bestätigt diesen hernach, daß ihre Soja- oder Palmöl-Plantagen "nachhaltig" seien. In einer Stellungnahme des WWF, der im Film zu Wort kommt, wird diese enge Zusammenarbeit damit gerechtfertigt, daß der WWF einen "unideologischen" Kurs verfolge. Laut Plaep will der WWF "mit solchen Konzernen zusammenarbeiten, um etwas zu erreichen." Dies bringe viel mehr als konsequente Ablehnung. Greenpeace hingegen nimmt generell keine Spenden von Unternehmen an und andere Umweltverbände wie etwa der BUND sind nach mancher Kritik der vergangenen Jahre vorsichtiger in der Auswahl von unternehmerischen Kooperations-Partnerschaften geworden.

Doch der WWF scheint selbst in solche Kooperationen verstrickt zu sein, bei denen der Anbau umweltschädlicher Gen-Pflanzen in Kauf genommen wird oder gar die Abholzung von Urwald zu den Konsequenzen zählt. Argentinien etwa ist heute großflächig von Monokulturen mit genmanipulierten Pflanzen überzogen. Die negativen Auswirkungen mit steigendem Pestizid-Einsatz, der damit verbundenen Vergiftung von Mensch und Umwelt, und der schädliche Zusammenhang des Gen-Soja-Anbaus mit der Massentierhaltung in den Industrieländern und dem Treibhauseffekt, sind seit etlichen Jahren nicht mehr zu leugnen.

Huismann bereiste den Norden Argentiniens , den Gran Chaco. Der einst größte Savannenwald der Erde ist mittlerweile zur Hälfte gerodet und dem Soja-Anbau zum Opfer gefallen. Niemand kann ernstlich behaupten, der Anbau von genmanipuliertem Soja in riesigen Monokulturen sei umweltverträglich. Schon heute ist die Soja-Wüste in Südamerika doppelt so groß wie die Fläche Deutschlands. Eine Verdopplung ist geplant und ausgerechnet der WWF Argentinien unterstützt das Vorhaben. Der WWF versucht sich zu rechtfertigen, indem er behauptet, die dortigen Wälder seien "minderwertig" und durch menschliche Nutzung "degradiert".

Auch auf Borneo wird die Umweltzerstörung - so die Kritik des Dokumetar-Film - mit Hilfe harmloser Alibi-Projekte durch den WWF indirekt unterstützt. Die Brandrodung für Monokulturen mit Palmöl-Plantagen ist bereits weit fortgeschritten. Zur Verbesserung ihres Image schufen die Projekt-Betreiber ein Alibi-Wäldchen auf 80 Hektar für nicht mehr und nicht weniger als zwei Orang-Utans. Aber selbst diese zwei drohen wegen der relativ geringen Größe des Reservates zu verhungern, sagt Huismann: "80 Hektar auf einer Plantage von 14.000 Hektar, 0,5 Prozent. Ist das ein Erfolg, wenn 99,5 Prozent vernichtet werden?" Der WWF kooperiert mit dem dafür verantwortlichen Konzern und berät ihn angbelich in Fragen der "Nachhaltigkeit." Laut einem Umweltschützer aus Borneo, der trotz Morddrohungen vor der Kamera Wilfried Huismanns Auskunft gab, besteht die Aufgabe des WWF bei dieser zerstörerischen Produktion von Palmöl im "Green-Washing". So wie es vor Jahrzehnten gang und gäbe war, verbrecherischen Organisationen eine weiße Weste zu verschaffen, gehe es heutzutage darum, Verbrechen einen grünen Anstrich zu verleihen.

Dörte Bieler, die im WWF für Biomasse zuständig ist, wird in einer der eindrücklichsten Szenen von Huismanns Dokumentar-Film mit der Frage konfrontiert, ob ein derartiges Alibi-Wäldchen für zwei Orang-Utans als Erfolg zu werten sei. Sie antwortet: "Also, der sehr sichere Tod wäre ja, wenn die 80 Hektar jetzt nicht mehr wären. Dann wären sie jetzt schon tot." Wichtig ist Bieler nach eigener Aussage, daß der WWF als Nichtregierungsorganisation "nicht nur belächelt", sondern "als kompetenter Gesprächspartner akzeptiert" wird.

Für den Dokumentar-Film wurde in Indonesien eine Plantage gefilmt, deren ungefilterte Abwässer im Boden versickern. Laut Recherche Huismanns wird sie gerade mit Hilfe des WWF als "nachhaltig" zertifiziert. Mit diesem Zertifikat "kann das Unternehmen in Europa den Zuschuss für »regenerative Energie« kassieren," heißt es in dem Dokumentar-Film. "Und der WWF bekommt ein Honorar dafür, daß er das Unternehmen in Sachen »Nachhaltigkeit« berät. Für beide Seiten ein lohnendes Geschäft."

Laut Huismann ließ sich allein eine Großbank 100 Millionen US-Dollar für eine "Klima-Partnerschaft" mit dem WWF kosten. Dieselbe Bank finanziere in Indonesien die Abholzung durch Palmöl-Konzerne, der bereits große Teile des Regenwalds zum Opfer gefallen sind. Zugleich sitze der WWF mit den Großen aus der Lebensmittelindustrie am "Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl" (RSPO). Andere Umwelt-Verbände wie 'Friends of the Earth' (Der Dachverband des deutschen BUND) oder Greenpeace distanzieren sich, sind aus dieser Runde ausgetreten oder waren nie dabei. Dem WWF jedoch sei kaum jemals eine Spende peinlich gewesen, sei es von Dow Chemical, Shell oder Monsanto (zumindest für WWF USA).

So existiert auch ein "Runder Tisch für verantwortungsvolle Soja-Produktion" (RTRS), an dem der WWF beteiligt ist. Hierbei wird seit 2010 Gen-Soja von Monsanto als "nachhaltig" zertifiziert. Das Zertifizierungssystem ist auf WWF-Initiative entstanden. Hierbei stieß der WWF auch auf die Kritik anderer Verbände wie etwa die des Deutschen Naturschutzrings. Diese wurde allerdings nur nicht-öffentlich geäußert. Hartmut Vogtmann, Chef des Deutschen Naturschutzrings, war offensichtlich über die Praktiken der Zertifizierung von Gen-Soja empört und schrieb an Detlev Drenckhahn, den Präsidenten der deutschen WWF-Sektion. In seinem Brief warnte Vogtmann eindringlich vor der Teilnahme am RTRS. Er verweist auf den nachweislich gestiegenen Einsatz von Pestiziden beim Anbau von genmanipulierter Soja und der zunehmenden Zahl von Unkräutern, die gegen das eingesetzte Pestizid Roundup von Monsanto resistent geworden sind. Vogtmann weist darauf hin, daß der in Roundup enthaltene Wirkstoff Glyphosat "Fehlbildung bei Embryonen" verursacht und "die Krebsrate in die Höhe schnellen" läßt. Er wirft dem WWF vor, mit dem Runden Tisch werde "ein gescheitertes System von Landwirtschaft künstlich am Leben" zu erhalten versucht.

Dennoch behauptet der WWF weiterhin in der Öffentichkeit, er setze sich gegen Gentechnik ein und beteilige sich am RTRS, um so "die Umweltschäden des Sojaanbaus und die Zerstörung der Wälder generell zu minimieren." Dies sei die Position des Gesamt-Verbandes; allerdings gebe es "einzelne Mitarbeiter", deren Meinung sich nicht mit der offiziellen WWF-Position deckten. Dies gelte insbesondere für Staaten, in denen der Anteil der Gentechnik in der Landwirtschaft bereits sehr hoch ist, etwa die USA und Argentinien.

Auch beim Einsatz von Werbepsychologie zeigt der WWF wenig Skrupel. Nicht nur der Panda, das Emblem des WWF weckt mit einem unbewußten Appell ans Kindchenschema positive Gefühle und fürsorgliche Reflexe, auch die vom WWF in Broschüren und Anzeigen offensichtlich bevorzuften Fotos von Tigerbabys, kuscheligen Eis-"Bärchen" oder dem Nachwuchs von Orang-Utans zielen auf die mehr oder weniger latente Spendenbereitschaft. Der mächtigste Naturschutzverband der Welt hat nach Marktforschungs-Studien eines der glaubwürdigsten Images der Welt. Dieses Image umfaßt nunmehr im fünfzigsten Jahr des Bestehens Klimaschutz, Nachhaltigkeit und den Erhalt der biologischen Vielfalt der Erde.

Doch vielerorts scheint der WWF eher an Kommerz als an Tier- oder Umweltschutz interessiert zu sein. In Indien und Indonesien sollen Millionen von UreinwohnerInnen aus Tierreservaten vertrieben werden, obwohl gerade sie ohne Probleme im Einklang mit Natur und Wildtieren leben. Huismann dokumentiert in seinem Film ein Tiger-Reservat in Indien, das jedoch von lokalen AktivistInnen als unsinnig kritisiert wird. Das Tigerprojekt des WWF bestehe seit 1974. Zu jener Zeit habe es noch 5000 Tiger gegeben. Wäre dieses Projekt erfolgreich, müssten dort jetzt mindestens 8000 Tiger leben, sagt ein Umweltaktivist - doch es sind offenbar viel weniger. Diese wenigen Raubkatzen werden täglich acht Stunden von ÖkotouristInnen des WWF-eigenen Reiseunternehmens und von 155 Jeeps im Tiger-Reservat verfolgt. Die betuchten Gäste müssen den Recherchen zufolge rund 10.000 US-Dollar für die Besichtigung der Tiger bezahlen. Lokale AktivistInnen beklagen, der ursprüngliche Wald werde im Namen des Öko-Tourismus zerstört. Daß die Tiere durch den Verkehr bei der Jagd gestört werden, interessiere den WWF nicht. Diese perverse Form der "Öko-Tourismus" spüle dem WWF viel Geld in die Kassen. Der WWF wirbt mit dem Versprechen: "Bei uns bekommen Sie einen der letzten lebenden Tiger zu sehen." Möglicherweise sorgt der WWF selbst dafür, daß es tatsächlich die letzten Tiger sein werden.

Der WWF behauptet stattdessen: "Öko-Tourismus bewahrt den Lebensraum des Tigers. Die Einnahmen aus dem Öko-Tourismus in Indien sind eine wichtige alternative Einkommensquelle für die regionale Bevölkerung." Die Störung der Tiger durch Jeeps und Öko-Tourismus sei "marginal".

Vergeblich hatte die deutsche Sektion des WWF versucht, im Vorfeld die Ausstrahlung des kritischen Dokumentar-Films in der ARD zu verhindern. Immerhin kam die "öffentlich-rechtliche Anstalt" dem WWF soweit entgegen, den Film auf einen Sende-Termin um 23.30 Uhr zu placieren. So scheint garantiert zu sein, daß sich solche Inhalte, die doch vielleicht jugendgefährdend sein könnten, nicht vor Wichtiges schieben wie etwa eine "Liebes-Kommödie" mit dem Titel "Zu schön für mich" (Mittwoch, 22. Juni, 20.15 Uhr in der ARD) oder eine Folge der "Familien-Serien" mit dem Titel "Das Glück dieser Erde" (Dienstag, 21. Juni, 20.15 Uhr in der ARD).

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

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