Luxemburg (LiZ). Greenpeace Luxemburg legt einen Bericht zu den europaweiten Stress-Tests an Atomkraftwerken vor. Die Umwelt-Organisation kommt zum Fazit: Die französischen Atomkraftwerke Cattenom und Fessenheim, sowie die belgischen Atomkraftwerke Doel und Tihange müssen sofort stillgelegt werden.
Zwei - nach den Worten von Greenpeace - unabhängige Experten zeigen in ihrer Expertise ein ganz anderes Bild von der von offizieller Seite beschworenen Sicherheit in Atomkraftwerken. Die Stress-Tests seien in keiner Weise ein zuverlässiger Barometer für die Sicherheit von Atomkraftwerken in Europa. "Es fehlt an Transparenz, Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit," sagte Roger Spautz von Greenpeace Luxemburg heute (23. August).
So wurden in der Risikostudie zahlreiche Faktoren - wie zum Beispiel das Alter der Reaktoren - nicht berücksichtigt. Ein weiteres Problem stellt das Fehlen von speziellen Lüftungsanlagen, Sicherheitswänden sowie fehlender Hochwasserschutz dar. In den Augen von Greenpeace dienten die Stress-Tests als "reine Imagekampagne", um nach dem Super-GAU von Fukushima für eine atomfreundliche Stimmung zu sorgen.
Greenpeace Luxemburg fordert die sofortige Stilllegung der offensichtlich unsichersten Atomkraftwerke Europas. Hier nennt die Umwelt-Organisation in einem Atemzug vier Anlagen im Umfeld Luxemburgs: Die französischen Atomkraftwerke Cattenom und Fessenheim, sowie die belgischen Atomkraftwerke Doel und Tihange. Bei einem Super-GAU in Cattenom wären Luxemburg und je nach Windrichtung weitere große Gebiete nicht mehr bewohnbar. Als Vergleich dient Greenpeace dabei der Atomunfall von Fukushima.
Wegen erheblicher Sicherheitsmängel im Atomkraftwerk Cattenom haben die Länder Rheinland-Pfalz, Saarland und Luxemburg im März die sofortige Stilllegung des Meilers gefordert. Merkwürdiger Weise wurde dabei die sogenannte grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg ausgeblendet, wo die beiden Atomkraftwerke Philippsburg und Neckarwestheim de facto unbefristet weiter in Betrieb sind. Der Abschlußbericht der Anrainer-Länder zum "Stress-Test" für das AKW Cattenom zeige, daß "das Kraftwerk ein enormes Risikopotenzial" birgt, so der wissenschaftliche Stresstest-Beobachter für Luxemburg, Dieter Majer, im März. Die Mängel seien so gravierend, daß ein Weiterbetrieb nicht zu rechtfertigen sei. Die sicherheitstechnische Auslegung des 1986 ans Netz gegangenen Atomkraftwerks entspreche nicht mehr dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik. Zudem gebe es kein Notfallsystem, das alle vier Blöcke mit einschließe. Die Länder hatten den Bericht in Auftrag gegeben.
Bereits bei einer Inspektion der französische Atom-Aufsicht ASN im vergangenen Jahr waren im AKW Cattenom eine ganze Reihe von "Mängeln" festgestellt worden. So wurden Roststellen vermerkt, Defizite bei der Notstromversorgung und im Kühlsystem sowie bei der Erdbebensicherheit. Dennoch hatte die ASN die Erlaubnis erteilt, daß das Atomkraftwerk weiter am Netz bleiben darf. Das AKW ist nur wenige Kilometer Luftlinie von den Grenzen zu Deutschland, Belgien und Luxemburg entfernt.
Im August 1986 - knapp vier Monate nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl - wurde das AKW Cattenom bei einem Hochwasser der Mosel überflutet. Wasser drang in die Keller des AKW ein, in denen sich die sensibelsten Teile der Reaktoren befinden - unter anderem die Hochleistungspumpen des Primärkreislaufs. Aber auch in den überfluteten Verbindungsgängen drohte Gefahr. Hier laufen die Kabel entlang, die die Schaltanlagen und Pumpen der Reaktoren versorgen.
Das Atomkraftwerk, dessen vier Reaktoren bereits ein Alter zwischen 21 und 26 Jahren aufweisen, ist besonders von Flugzeugabstürzen gefährdet. Nach nicht-offiziellen Informationen besitzt sein Containment eine Betonhülle mit nicht mehr als 80 Zentimeter Stärke. Über Cattenom hinweg verlaufen gleich mehrere Flugrouten. Das AKW liegt umgeben von sieben Flughäfen. Nur einige Kilometer entfernt befindet sich das französische Übungsgebiet für Tiefflieger. Im Juli 1981 raste ein Mirage-Kampfflugzeug in einen Sendemast - nur einige Kilometer vom AKW Cattenom entfernt.
Anmerkungen
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